Ein Selbstversuch: Wie man keine Welpenanfrage schreibt – und was Züchter wirklich hören wollen.
Manchmal, wenn ich am Morgen die E-Mails öffne, frage ich mich, ob ich in einer absurden Sozialstudie gelandet bin. »Kommunikationsfähigkeit am Beispiel einer Welpenanfrage« könnte dieselbe sich nennen, und als Züchter habe ich scheinbar – auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, irgendwann irgendetwas unterschrieben zu haben – meine Zustimmung erteilt, die Probanden zu betreuen.
Die erste Anfrage besteht aus zwei Sätzen. »Haben Sie Welpen? Was kosten die?« Keine Anrede, keine Höflichkeit, nicht einmal ein Gruß wie »Hochachtungsvoll, Ihr Sozialexperiment.« Ich stelle mir vor, wie jemand mit fettigen Frühstücksbrötchen-Fingern auf die Tastatur patscht, den Mund voll feiner Streichwurst, und Krümel zwischen die Tasten rieseln. Ich lösche die Mail. Dann stelle ich sie wieder her. Dann lösche ich sie nochmal. Ganz einfach, weil ich es kann.
Dann die Variante mit vier Sätzen. »Ich interessiere mich für einen Welpen aus Ihrer Zucht. Welche Farben haben Sie? Was kostet ein Welpe? Ich freue mich auf Ihre Antwort.« Es ist, als hätte ein besonders dienstbeflissener Bürokrat beschlossen, Emotionen in kleinste, standardisierte Einheiten zu zerteilen. Was sind Gefühle? Wie viele braucht man für ein Minimum an Höflichkeit? Vier. Vier Sätze. Nicht mehr, nicht weniger. Ein Gruß aus der kalten Welt der Zweckmäßigkeit. Ich überlege, ob ich in genau vier Sätzen antworten soll. »Guten Tag. Vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir haben gerade keine Welpen. Bitte kommen Sie nicht wieder.» Stattdessen lösche ich die Mail. Dann stelle ich sie wieder her. Dann lösche ich sie nochmal. Es ist ein kleines Ritual, das mir den Tag versüßt.
Und dann die Serienbriefe. Die ohne Anrede. »Sehr geehrter Züchter, wir suchen einen Border Collie und freuen uns auf Ihr Angebot.« Ein höflicher Spam-Bot hätte es nicht besser formuliert. Ich weiß, dass dieses Anschreiben gestern auch ein anderer Züchter bekommen hat. Und vorgestern ein dritter. Heute bin ich an der Reihe. Morgen jemand anders. »Wir« könnte alles sein. Eine Familie in München. Ein Ehepaar in Flensburg. Ein achtjähriges Kind, das seine Eltern so lange belagert hat, bis sie endlich »Ja, verdammt!« gesagt haben. Ich werde es nie erfahren. Bevor ich diesmal auf Löschen klicke, drehe ich die Lautstärke an meinem Macbook voll auf. Ein beinahe triumphierendes »Plopp« erklingt. Ist das schön!
Besonders charmant: die Variante mit Anhang. »Guten Tag, ich habe meine Anfrage als Dokument beigefügt.« Als ob Hundezucht ein Verwaltungsakt wäre – und ich ein Sachbearbeiter beim Amt für Border Collie-Beschaffung. Ich stelle mir vor, wie jemand einen Business-Plan für den Erwerb eines Hundes erstellt hat, mit Tabellen, Diagrammen und vielleicht einer SWOT-Analyse. Ich öffne die Datei nicht. Vielleicht enthält sie eine Steuererklärung, vielleicht ein Rezept für Linseneintopf. Oder schlimmer noch: eine echte Welpenanfrage – verfasst in Comic Sans. Ich werde es nie erfahren. Ich lösche sie. Dann stelle ich sie wieder her. Dann lösche ich sie nochmal.
Und dann – die neueste Form der intellektuellen Selbstaufgabe. Die Mail beginnt mit einer Überschrift: »Schreibe eine freundliche Anfrage an einen Hundezüchter für einen Border Collie-Welpen.« Darunter: der generierte Text. »Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind eine hundebegeisterte Familie und interessieren uns sehr für Ihre Zucht. Könnten Sie uns Informationen zu Ihren aktuellen Würfen geben? Wir würden uns freuen, von Ihnen zu hören.« Am Ende: »Verfasst mit ChatGPT.« Nichts gegen Hilfestellung. Aber das? Ein dummer Fehler. Ein wunderbarer Fehler. Ein Fehler, der so großartig ist, dass ich ihn mir einrahmen möchte. Ich lösche diese Mail nicht sofort. Ich lasse sie ein bisschen liegen. Dann lese ich sie wieder. Und noch einmal. Und lache. Dann lösche ich sie doch.
Was wirklich funktioniert? Einfach man selbst sein. Kein Copy-Paste, kein »Wie überzeuge ich einen Züchter in drei einfachen Schritten«-Ratgeber aus irgendeinem Internetforum. Keine Masche, kein Trick. Denn – Überraschung! – wir Züchter sind nicht blöd. Wir merken, wenn jemand sich verstellt. Und wir merken auch, wenn jemand einfach nur ehrlich ist.
Oder um es mit Kurt Cobain zu sagen: Come as you are, as you were, as I want you to be. Kein künstlich optimiertes Bewerbungsprofil, kein aalglattes Verkaufsgespräch über die eigene Hundetauglichkeit. Nur eine echte Anfrage, von einem echten Menschen – und vielleicht beginnt so die Geschichte mit dem Hund, die wirklich passt.
Und wer weiß, vielleicht ist das hier ja tatsächlich eine absurde Sozialstudie. Aber dann zumindest eine mit Happy End.
© Johannes Willwacher