Die vierte Lebenswoche unserer Welpen: über Namen, Rollenbeschreibungen und erste Korrekturen am Drehbuch – und warum man da besser nicht völlig planlos bleibt.

Schon der ers­te Film, den Amy Hecker­ling 1982 als Regie­neu­ling dreht, spielt an einer High­school. Dass sie sich nach dem Erfolg von Fast Times at Rid­ge­mont High erneut auf den Schul­flu­ren her­um­drü­cken will, wird 1995 des­halb auch bei Para­mount schnell mit Zustim­mung beschie­den. »Als Teen­ager muss man sich ent­schei­den, was man mit sei­nem Leben anfan­gen will«, sagt sie ver­ständ­nis­voll, »das ist eine der wich­tigs­ten Ent­schei­dun­gen über­haupt«. Ver­ständ­lich also, dass sie der acht­zehn­jäh­ri­gen Schau­spie­le­rin, die sie für die Haupt­rol­le in ihrem neu­en Film ange­spro­chen hat, mit dem glei­chen Ver­ständ­nis begegnet.

Ali­cia Sil­ver­stone ist zusam­men mit ihrem Mana­ger zum Cas­ting gekom­men. Amy Hecker­ling sitzt ihnen zusam­men mit Car­rie Fra­zier, der Cas­ting­di­rek­to­rin, gegen­über. Für bei­de ist Sil­ver­stone die Wunsch­kan­di­da­tin für die Rol­le, wenn auch aus sehr unter­schied­li­chen Grün­den. Hecker­ling fällt das blon­de Mäd­chen zum ers­ten Mal beim mor­gend­li­chen Trai­ning auf. Auf dem Heim­trai­ner sieht sie ein Musik­vi­deo von Aer­o­s­mith, in dem Sil­ver­stone sich den Bauch­na­bel pier­cen lässt – das Kör­per­pier­cing soll sich in der Fol­ge von einem Unter­grund­phä­no­men zu einer mas­si­ven Jugend­be­we­gung ent­wi­ckeln – und ist gleich begeis­tert. Fra­zier ist genau­so begeis­tert, aller­dings führt sie als Begrün­dung den ers­ten Film der jun­gen Schau­spie­le­rin an, einen Thril­ler, der zwei Jah­re zuvor ent­stan­den ist. Dass es sich bei bei­den – dem Mäd­chen aus dem Musik­vi­deo und dem Mäd­chen aus dem Film – um die glei­che Schau­spie­le­rin han­delt, bemer­ken bei­de erst, als sie sich um die Beset­zung strei­ten. Dass die bei­den Frau­en beim Cas­ting mit einem brei­ten Grin­sen am Tisch sit­zen, ist also kaum verwunderlich.

Vier Wochen alter Border Collie Welpe
21|08|2024 – Broad­me­a­dows Kate Moss

»Ich war kaum älter, als du jetzt, als ich Jane Aus­tens Emma als Stu­den­tin zum ers­ten Mal gele­sen habe«, ver­sucht Hecker­ling die Hand­lung kurz zu erklä­ren. »Genau­so wie es Emmas größ­ter Wunsch ist, alle um sie her­um glück­lich zu machen, ist auch Cher um ihre Mit­men­schen bemüht. Allein, dass sie in Bever­ly Hills lebt, dort zur Schu­le geht und auf den ers­ten Blick ein wenig dumm und ober­fläch­lich wirkt, unter­schei­det die bei­den.« Ali­cia Sil­ver­stone lässt von dem Stroh­halm ab, mit dem sie vorn­über­ge­beugt aus einem Glas trinkt, das vor ihr auf dem Tisch steht, und rümpft die Nase. »Ver­steh’ mich bit­te nicht falsch«, wen­det Hecker­ling ent­schul­di­gend ein, »hin­ter der gan­zen Ober­fläch­lich­keit fin­det Cher nicht nur Tie­fe, son­dern auch die ganz gro­ße Lie­be!« Sie erklärt, dass es auch bei Jane Aus­ten schon um das Suchen und Fin­den der Lie­be geht. Und um jeman­den, der den Ein­sa­men und Ver­las­se­nen zu ihrem ganz per­sön­li­chen Glück ver­hilft. »Als ob!«, sagt Ali­cia Sil­ver­stone als Cher Horo­witz, »als ob!«

»Als ob ich nach vier Wochen schon ent­schei­den könn­te, wel­cher Wel­pe für wel­chen Inter­es­sen­ten in Fra­ge kommt«, sage ich zu mir selbst. »Ich habe mich bis­lang doch noch nicht ein­mal ent­schei­den kön­nen, wel­cher Wel­pe in den Papie­ren wel­chen Namen bekommt!« Die­sel­ben sind im Zuge der ers­ten Wurf­ab­nah­me zwar bereits ein­ge­tra­gen wor­den, blei­ben aber unver­bind­lich, bis die Wel­pen am Ende der ach­ten Lebens­wo­che gechippt wor­den sind und sich die Iden­ti­tät des Ein­zel­nen somit zwei­fels­frei nach­wei­sen lässt. So lan­ge möch­te ich frei­lich nicht damit war­ten, mich fest­zu­le­gen. Da jeder Name aber immer auch ein Stück weit den Cha­rak­ter des Wel­pen wider­spie­geln soll, war­te und beob­ach­te ich ger­ne ein wenig län­ger – auch wenn sich die neu­en Besit­zer bei der Namens­wahl ihres neu­en Fami­li­en­mit­glieds schluss­end­lich nur in den aller­sel­tes­ten Fäl­len an den Namen ori­en­tie­ren, die ich als Züch­ter aus­ge­sucht habe. »Wobei es bei so man­chem Wel­pen gar kei­ne Dis­kus­sio­nen geben dürf­te«, den­ke ich. »So man­cher Wel­pe hat schon mit vier Wochen bewie­sen, dass nur ein ein­zi­ger Name zu ihm passt!«

Vier Wochen alter Border Collie Welpe
21|08|2024 – Broad­me­a­dows King of my Castle

Das bestä­tigt sich in die­sem Wurf ins­be­son­de­re bei einem Wel­pen. Das nicht nur, weil der­sel­be sich schon früh zum König der Wurf­kis­te erklärt hat, son­dern auch, weil sich die Auf­merk­sam­keit aller Rüden­in­ter­es­sen­ten auf ihn zu fokus­sie­ren scheint. »So ein süßer klei­ner Kerl«, schrieb mir einer davon in hel­ler Begeis­te­rung. »So ein ganz beson­de­rer Wel­pe«, schrieb ich viel­sa­gend zurück. Schon in der ers­ten Lebens­wo­che war mir sei­ne Beson­der­heit auf­ge­fal­len. Wäh­rend die übri­gen Wel­pen auf einem Hau­fen lagen, lag der bewuss­te Wel­pe in der Regel abseits – und nach­dem sich die Wurf­kis­te in der drit­ten Lebens­wo­che geöff­net hat­te, brach­te er schnell noch grö­ße­ren Abstand zwi­schen sich und sei­ne Geschwis­ter. »Ist dir die gekrin­gel­te Rute auf­ge­fal­len, mit der er den ande­ren Wel­pen begeg­net?«, ver­such­te ich schließ­lich auch Dirk mei­ne Beob­ach­tun­gen zu beschrei­ben. »Das ist ein Wel­pe, der sei­nen eige­nen Weg geht, sei­nen eige­nen Wil­len hat, und der es den neu­en Besit­zern ganz sicher nie­mals leicht machen wird!« Einer, der nicht nur eine beson­ders kon­se­quen­te Erzie­hung braucht, um sei­nen neu­en Besit­zern nicht über den Kopf zu wach­sen, son­dern – als ste­te Erin­ne­rung – auch einen ent­spre­chen­den Namen: »Wenn einer King of my Cast­le ist, dann der!«

Aber auch bei den übri­gen Wel­pen ist die vier­te Lebens­wo­che durch ähn­li­che Beob­ach­tun­gen geprägt. Und ähn­lich, wie sich Cher Horo­witz in Clue­l­ess der neu­en Mit­schü­le­rin annimmt – ihr ein Make­over ver­passt, um sie zu einem der ange­sag­ten Mäd­chen an der High­school zu machen –, bemü­he auch ich mich, die Wesens­ent­wick­lung der Wel­pen in die eine oder ande­re Rich­tung zu beein­flus­sen. Weil die Rol­le, die ein Wel­pe im spä­te­ren Leben ein­neh­men wird, nur zu einem Teil durch die Gene­tik bestimmt ist, nimmt der Züch­ter die ers­ten Kor­rek­tu­ren am Dreh­buch vor. Ob die­sel­ben von den neu­en Besit­zern sinn­voll fort­ge­schrie­ben wer­den, ist eine ande­re Fra­ge. Aber die müs­sen für unse­re sechs Wel­pen schließ­lich erst noch gecas­tet wer­den. »Als ob!«, sagt Ali­cia Sil­ver­stone als Cher Horo­witz, »als ob!«

Das 4. Fotoshooting

Die 4. Lebenswoche

© Johannes Willwacher