Die vierte Lebenswoche unserer Welpen: über Namen, Rollenbeschreibungen und erste Korrekturen am Drehbuch – und warum man da besser nicht völlig planlos bleibt.
Kind hearts don’t make a new story.
The Muffs (1995)
Schon der erste Film, den Amy Heckerling 1982 als Regieneuling dreht, spielt an einer Highschool. Dass sie sich nach dem Erfolg von Fast Times at Ridgemont High erneut auf den Schulfluren herumdrücken will, wird 1995 deshalb auch bei Paramount schnell mit Zustimmung beschieden. »Als Teenager muss man sich entscheiden, was man mit seinem Leben anfangen will«, sagt sie verständnisvoll, »das ist eine der wichtigsten Entscheidungen überhaupt«. Verständlich also, dass sie der achtzehnjährigen Schauspielerin, die sie für die Hauptrolle in ihrem neuen Film angesprochen hat, mit dem gleichen Verständnis begegnet.
Alicia Silverstone ist zusammen mit ihrem Manager zum Casting gekommen. Amy Heckerling sitzt ihnen zusammen mit Carrie Frazier, der Castingdirektorin, gegenüber. Für beide ist Silverstone die Wunschkandidatin für die Rolle, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Heckerling fällt das blonde Mädchen zum ersten Mal beim morgendlichen Training auf. Auf dem Heimtrainer sieht sie ein Musikvideo von Aerosmith, in dem Silverstone sich den Bauchnabel piercen lässt – das Körperpiercing soll sich in der Folge von einem Untergrundphänomen zu einer massiven Jugendbewegung entwickeln – und ist gleich begeistert. Frazier ist genauso begeistert, allerdings führt sie als Begründung den ersten Film der jungen Schauspielerin an, einen Thriller, der zwei Jahre zuvor entstanden ist. Dass es sich bei beiden – dem Mädchen aus dem Musikvideo und dem Mädchen aus dem Film – um die gleiche Schauspielerin handelt, bemerken beide erst, als sie sich um die Besetzung streiten. Dass die beiden Frauen beim Casting mit einem breiten Grinsen am Tisch sitzen, ist also kaum verwunderlich.
»Ich war kaum älter, als du jetzt, als ich Jane Austens Emma als Studentin zum ersten Mal gelesen habe«, versucht Heckerling die Handlung kurz zu erklären. »Genauso wie es Emmas größter Wunsch ist, alle um sie herum glücklich zu machen, ist auch Cher um ihre Mitmenschen bemüht. Allein, dass sie in Beverly Hills lebt, dort zur Schule geht und auf den ersten Blick ein wenig dumm und oberflächlich wirkt, unterscheidet die beiden.« Alicia Silverstone lässt von dem Strohhalm ab, mit dem sie vornübergebeugt aus einem Glas trinkt, das vor ihr auf dem Tisch steht, und rümpft die Nase. »Versteh’ mich bitte nicht falsch«, wendet Heckerling entschuldigend ein, »hinter der ganzen Oberflächlichkeit findet Cher nicht nur Tiefe, sondern auch die ganz große Liebe!« Sie erklärt, dass es auch bei Jane Austen schon um das Suchen und Finden der Liebe geht. Und um jemanden, der den Einsamen und Verlassenen zu ihrem ganz persönlichen Glück verhilft. »Als ob!«, sagt Alicia Silverstone als Cher Horowitz, »als ob!«
»Als ob ich nach vier Wochen schon entscheiden könnte, welcher Welpe für welchen Interessenten in Frage kommt«, sage ich zu mir selbst. »Ich habe mich bislang doch noch nicht einmal entscheiden können, welcher Welpe in den Papieren welchen Namen bekommt!« Dieselben sind im Zuge der ersten Wurfabnahme zwar bereits eingetragen worden, bleiben aber unverbindlich, bis die Welpen am Ende der achten Lebenswoche gechippt worden sind und sich die Identität des Einzelnen somit zweifelsfrei nachweisen lässt. So lange möchte ich freilich nicht damit warten, mich festzulegen. Da jeder Name aber immer auch ein Stück weit den Charakter des Welpen widerspiegeln soll, warte und beobachte ich gerne ein wenig länger – auch wenn sich die neuen Besitzer bei der Namenswahl ihres neuen Familienmitglieds schlussendlich nur in den allerseltesten Fällen an den Namen orientieren, die ich als Züchter ausgesucht habe. »Wobei es bei so manchem Welpen gar keine Diskussionen geben dürfte«, denke ich. »So mancher Welpe hat schon mit vier Wochen bewiesen, dass nur ein einziger Name zu ihm passt!«
Das bestätigt sich in diesem Wurf insbesondere bei einem Welpen. Das nicht nur, weil derselbe sich schon früh zum König der Wurfkiste erklärt hat, sondern auch, weil sich die Aufmerksamkeit aller Rüdeninteressenten auf ihn zu fokussieren scheint. »So ein süßer kleiner Kerl«, schrieb mir einer davon in heller Begeisterung. »So ein ganz besonderer Welpe«, schrieb ich vielsagend zurück. Schon in der ersten Lebenswoche war mir seine Besonderheit aufgefallen. Während die übrigen Welpen auf einem Haufen lagen, lag der bewusste Welpe in der Regel abseits – und nachdem sich die Wurfkiste in der dritten Lebenswoche geöffnet hatte, brachte er schnell noch größeren Abstand zwischen sich und seine Geschwister. »Ist dir die gekringelte Rute aufgefallen, mit der er den anderen Welpen begegnet?«, versuchte ich schließlich auch Dirk meine Beobachtungen zu beschreiben. »Das ist ein Welpe, der seinen eigenen Weg geht, seinen eigenen Willen hat, und der es den neuen Besitzern ganz sicher niemals leicht machen wird!« Einer, der nicht nur eine besonders konsequente Erziehung braucht, um seinen neuen Besitzern nicht über den Kopf zu wachsen, sondern – als stete Erinnerung – auch einen entsprechenden Namen: »Wenn einer King of my Castle ist, dann der!«
Aber auch bei den übrigen Welpen ist die vierte Lebenswoche durch ähnliche Beobachtungen geprägt. Und ähnlich, wie sich Cher Horowitz in Clueless der neuen Mitschülerin annimmt – ihr ein Makeover verpasst, um sie zu einem der angesagten Mädchen an der Highschool zu machen –, bemühe auch ich mich, die Wesensentwicklung der Welpen in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Weil die Rolle, die ein Welpe im späteren Leben einnehmen wird, nur zu einem Teil durch die Genetik bestimmt ist, nimmt der Züchter die ersten Korrekturen am Drehbuch vor. Ob dieselben von den neuen Besitzern sinnvoll fortgeschrieben werden, ist eine andere Frage. Aber die müssen für unsere sechs Welpen schließlich erst noch gecastet werden. »Als ob!«, sagt Alicia Silverstone als Cher Horowitz, »als ob!«
Comments are closed.