Acht Wochen: über Abschiede und Erinnerungen – und was unsere sieben Border Collie Welpen hoffentlich außerdem in ihre Koffer gepackt haben.

1957 sind es Wel­ten, die Judy Gar­land von dem gren­zen­lo­sen Opti­mis­mus ihrer frü­hen Film­kar­rie­re tren­nen. Dass sie mit Mit­te drei­ßig längst nicht mehr das fri­sche, über­schwäng­li­che Mäd­chen in den rubin­ro­ten Slip­pern ist, das sie im »Zau­be­rer von Oz« bekannt gemacht hat, ist offen­sicht­lich. Sie hat drei Kin­der, zwei Ehen hin­ter sich, und um die drit­te steht es auch nicht zum Bes­ten. Aber dar­an stört sie sich auch gar nicht. Nein, sie hat es satt. Satt, die immer glei­chen fröh­li­chen Lie­der sin­gen zu müs­sen. Weil sie gelernt hat, dass das Leben nach der nächs­ten Klap­pe kei­ne hei­te­re Wen­dung nimmt, und dass der Herz­schmerz, dem sich auf der Lein­wand ganz ein­fach mit einem hoff­nungs­vol­len Lied begeg­nen lässt, im ech­ten Leben oft genug end­gül­tig ist. Der uner­schüt­ter­li­che Glau­be, dass am Ende doch noch alles gut wird – mehr als drei­ßig Mal hat man sie im Lauf ihrer Kar­rie­re in die­ser Rol­le insze­niert – ist dahin.

Border Collie Welpe in der 8. Lebenswoche
28|02|2024 – Broad­me­a­dows Joint Is Jumpin’

Schon 1950 ist sie von MGM auf­grund per­sön­li­cher und gesund­heit­li­cher Pro­ble­me ent­las­sen wor­den. Dass sie die­se maß­geb­lich der Arbeits­wei­se des Stu­di­os zu ver­dan­ken hat – schon als Jugend­li­che haben ihr die Fil­me­ma­cher Ben­ze­drin ver­ab­reicht, um ihr Gewicht zu kon­trol­lie­ren, und sie mit ver­schie­dens­ten Bar­bi­tu­ra­ten ruhig gestellt –, kann auch nichts an dem Bruch ändern. Der ein­zi­ge Film, den sie in den fol­gen­den Jah­ren dreht, spie­gelt die­sen Bruch ein­drucks­voll wider – und auch, wenn sie bei der Oscar­ver­lei­hung 1955 der Dar­bie­tung von Grace Kel­ly unter­liegt, die statt ihr als Bes­te Haupt­dar­stel­le­rin aus­ge­zeich­net wird, lässt ihre Leis­tung nicht nur den Kri­ti­kern das Herz blu­ten: der Rausch, das Leid und die Ein­sam­keit, die ihr in »Ein Stern geht auf« wider­fah­ren, sind Erfah­run­gen, die sie selbst nur all­zu gut kennt.

Als sie 1957 ins Stu­dio geht, um bei Capi­tol Records ein neu­es Album auf­zu­neh­men, ist es also nur kon­se­quent, dass sie sich für den pro­gram­ma­ti­schen Titel »Alo­ne« ent­schei­det. Auch wenn sie selbst kei­ne Jazz­sän­ge­rin ist – sie hat mit dem Jazz geflir­tet und ein Talent dafür bewie­sen, ihn gekonnt nach­zu­ah­men –, ist ein Groß­teil der Lie­der, die sie auf dem Album ver­sam­melt, jener Stil­rich­tung zuzu­ord­nen. Allen gemein ist das Gefühl von Weh­mut und Ein­sam­keit. Von Abschied und Ver­lust. »Just a Memo­ry«, 1927 von Ray Hen­der­son, Lew Brown und Bud­dy de Syl­va für ein schnell ver­ges­se­nes Broad­way-Musi­cal geschrie­ben, ist eines davon.

Border Collie Welpe in der 8. Lebenswoche
28|02|2024 – Broad­me­a­dows Jer­sey Bounce

»Die Tage, die wir mit­ein­an­der ver­bracht haben, sind nur noch Erin­ne­rung«, singt sie zum vol­len Orches­ter, »und auch das Glück scheint nichts ande­res zu sein«. Ihre Stim­me ist sanft, genau­so wie die säu­seln­den Flö­ten, bis sie Im Cho­rus schließ­lich zu beben beginnt. »Wer­den wir die Nacht, den Mond und die Ster­ne über uns noch ein­mal tei­len«, fragt sie den namen­lo­sen Gelieb­ten. Und dann sich selbst, ob sie noch ein­mal »hof­fen, sin­gen, lachen und lie­ben« kann. Die Ant­wort dar­auf kennt nur ein ein­sa­mes Kla­vier, das ver­hal­ten die letz­ten Akkor­de über den ver­klin­gen­den Strei­chern anschlägt. Zurück bleibt nur ein lei­ses Knis­tern. Und dann nichts mehr. 

Wäh­rend den Wochen der Wel­pen­auf­zucht gibt es nicht weni­ge Tage, an denen das besag­te lei­se Knis­tern am Ende der Schall­plat­te äußerst ver­hei­ßungs­voll erscheint. End­lich wie­der ein­mal aus­schla­fen kön­nen, ver­spricht es. Nichts tun, nicht put­zen müs­sen. Und statt dem nach Auf­merk­sam­keit hei­schen­den Jau­len eines Wel­pen nur Stil­le hören. Stil­le, die nichts for­dert. Die nichts ver­langt. Denn so schön und erfül­lend es auch sein mag, einen Wurf auf­wach­sen zu sehen, bleibt es schluss­end­lich doch eine anstren­gen­de Auf­ga­be, den Bedürf­nis­sen der Wel­pen gerecht zu wer­den – gera­de weil die eige­nen grund­sätz­lich hint­an­ge­stellt wer­den müs­sen. Statt zu schla­fen, wird noch eine wei­te­re Tas­se Kaf­fee getrun­ken. Und statt aus­zu­ru­hen, jede Minu­te dazu genutzt, die Wel­pen best­mög­lich auf ihr zukünf­ti­ges Leben vor­zu­be­rei­ten. Weil acht Wochen, so lang sie an sol­chen Tagen auch schei­nen mögen, kurz sind – und kei­ne Ver­säum­nis­se dul­den. 

Border Collie Welpe in der 8. Lebenswoche
28|02|2024 – Broad­me­a­dows J. Gatsby

Ein Wel­pe, der in den ers­ten Lebens­wo­chen zu wenig gefor­dert und geför­dert wird – der durch den Züch­ter zu nach­läs­sig auf­ge­zo­gen und wäh­rend der Prä­gung mit zu weni­gen Rei­zen kon­fron­tiert wird –, wird es in sei­nem spä­te­ren Leben genau­so schwer haben, wie einer, der durch zu viel züch­te­ri­sche Ein­fluss­nah­me über­for­dert wird. Es will also nicht nur über­legt wer­den, was dem Wel­pen in den Kof­fer gepackt wird, son­dern auch, wie viel davon. Neben dem Offen­sicht­li­chen – dem Drin­nen und Drau­ßen, dem Lei­sen und Lau­ten, dem Har­ten und Wei­chen, dem Fes­ten und Beweg­li­chen – und dem Not­wen­di­gen – den Auto­fahr­ten und Tier­arzt­be­su­chen –, steht immer die gute Sozia­li­sie­rung mit dem Men­schen im Vor­der­grund. Der Mensch, der sich in unge­wohn­ten Situa­tio­nen als sou­ve­rä­ner Mut­ma­cher erweist. Der Mensch, dem der Wel­pe bereit­wil­lig und ohne Scheu nach­folgt. Der Mensch, der für den Wel­pen nach­voll­zieh­ba­re Gren­zen setzt. Bloß für sich selbst nicht. Des­halb wiegt der Gedan­ke an den Aus­zug der Wel­pen – die Tage, die wir mit­ein­an­der ver­bracht haben, sind nur noch Erin­ne­rung – auch an den meis­ten Tagen der Wel­pen­auf­zucht ziem­lich schwer.

Ein Stück des eige­nen Her­zens in jedem Kof­fer. Die Nacht, den Mond, die Ster­ne mit dazu. Und Hoff­nung. Ganz viel davon. Damit sie für ein gan­zes, neu­es Leben reicht.

Das letzte Fotoshooting …

… und was im Welpenkindergarten passiert.

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