Die sechste Trächtigkeitswoche: über die merkwürdigen Gelüste trächtiger Hündinnen – und was stattdessen auf den Speiseplan gehört.
Just squeeze me, but please don’t tease me.
Duke Ellington (1941)
Am Mittwochmorgen steht Heidi auf dem Kompost. Das nicht, weil sie zwischen faulendem Laub und Rasenschnitt nach Essbarem suchen würde, sondern vielmehr, weil ihr etwas vermeintlich Essbares über die hölzerne Umzäunung des Komposthaufens entkommen ist: ein rotbraunes Eichhörnchen. Dasselbe hat sich zum Ärger der Hündin längst über die tief hängenden Zweige der angrenzenden Weide in die vom Laub befreite Krone geflüchtet. Laut keckernd sitzt es im Geäst. Das aufgeregte Keckern beantwortet die Hündin mit nicht weniger aufgeregtem Geheul – weil es ihr aber dennoch versagt bleibt, dem Nager bis in die Baumkrone zu folgen, streckt sie sich ihm ungelenk auf den Hinterläufen entgegen. Der Mensch, der das beobachtet, findet das wahnsinnig komisch. Die Hündin weniger. Weil nichts komisch ist, wenn man hungrig ist.
Bis in die sechste Trächtigkeitswoche schreitet das Größenwachstum der ungeborenen Welpen nur langsam voran. Der Energiebedarf von Mutterhündin und Welpen ist bis dahin also noch ausreichend durch die übliche Fütterung abgedeckt. Ab dem 42. Tag der Trächtigkeit – die Föten sind zu diesem Zeitpunkt etwa sechs Gramm schwer und vier bis fünf Zentimeter groß – gilt es aber zu berücksichtigen, dass das Größenwachstum der Föten rasant zunimmt. Bei einem durchschnittlich großen Wurf nehmen diese nun immer mehr Raum ein – und lassen damit auch im Magen der Hündin immer weniger Raum für normal große Mahlzeiten. Es gilt also einerseits, dem steigenden Energie- und Nährstoffbedarf der trächtigen Hündin gerecht zu werden, und andererseits, die Futtermenge auf viele kleinere Mahlzeiten zu verteilen. Was aber sollte man zufüttern? Mehr Protein? Mehr Vitamine und Mineralien? Mehr Kalzium für das Knochenwachstum? Oder wirklich mehr Eichhörnchen?
Aufgrund der höheren Nährstoffdichte bietet sich Welpenfutter an – und da dieses in der Regel schon alle Vitamine und Mineralstoffe enthält, um die Entwicklung der ungeborenen Welpen im letzten Drittel der Trächtigkeit zu unterstützen, sind auch nur bedingt Ergänzungsfuttermittel vonnöten. Ganz im Gegenteil, können diese sich sogar schädlich auswirken, wenn sie der Hündin im Übermaß zugeführt werden. Zehn Prozent pro Woche – zusätzlich zur normalen Futtermenge – sollten also genügen. Auch wenn die Hündin natürlich trotzdem noch allergrößte Lust auf anderes hat.
Tags darauf beobachte ich vom Küchenfenster, wie sich die Hündin an einem der beiden Kirschbäume in die Höhe stemmt. Weil die Äste auch bei diesem bis auf wenige verbliebene Blätter kahl sind, brauche ich nicht lange, um das rotbraune Eichhörnchen auf einem davon auszumachen. Wenig später lässt die Hündin aber schließlich von der unerreichbaren Beute ab, schüttelt sich und geht ihres Weges. Die entgangene Mahlzeit kann sie ohnehin verschmerzen: in der vergangenen Woche ist ihr Bauchumfang auf mehr als sechzig Zentimeter angewachsen.
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