Unserem B-Wurf zum zehnten Geburtstag: ein hungriger Wolf, eine heißblütige Hündin – und warum die Intuition manchmal der allerbeste Geburtshelfer ist.
Wo kein Dank beim Empfänger ist,
da ist die Gabe kein Segen.
Jeremias Gotthelf (1797–1854)
Als er erwachte, juckte den alten Wolf etwas in der Nase. Er hob den Kopf und blickte sich um, konnte im Halbdunkel seiner Behausung aber nicht den Ursprung des Geruchs erkennen, der ihn aus seinen wilden Träumen geweckt hatte. Schmatzend streckte er die Läufe und ließ die messerscharfen Krallen über das trockene Erdreich kratzen, dann erst erhob er sich. Mit witternder Nase glitt er aus dem Bau – zu dieser Jahreszeit war das Erdloch unter der hohlen Eiche von wucherndem Farn verdeckt, durch den er sich raschelnd seinen Weg bahnen musste –, und sog dreimal tief ein. »Nur frisches Blut, das noch warm durch die Adern pulst, vermag so zu jucken«, dachte er schließlich bei sich, und setzte, weil auch ein alter Wolf nicht anders kann, als seine Natur es von ihm verlangt, sogleich dem Geruch hinterher.
Die Hündin lag in ihrer Hütte, die Läufe kräftig gegen die hölzernen Wände gestemmt. Ihr runder, aufgeblähter Leib zitterte in Krämpfen, und dort, wo sie sich mit dem Gesäß an die Wand drückte, staute sich bereits dunkles Wasser, das ihr zwischen den Schenkeln hervorrann. Von wilden Schmerzen getrieben warf sie sich herum – und erstarrte. Vor ihr schob sich die graue Schnauze des Wolfs durch den halbrunden Einlass ihrer Hütte. Der sprach: »Wenn du mich nur hereinbitten magst, Bruderstochter, dann will ich dir nach Kräften bei der Geburt deiner Welpen behilflich sein!« Weil die Hündin aber die falschen Absichten des Wolfs sogleich erahnte, fletschte sie zur Antwort bloß die Zähne. »Mir wäre wohler, könnte ich meine Welpen ohne dein Zutun in diese Welt entlassen«, knurrte die Hündin heiser, »siehst du nicht, dass in meiner Hütte kaum genug Platz für einen von uns ist?«
Der Wolf versuchte sich an einem Lächeln: »Dann will ich hier stehen bleiben und mein Wissen von der Schwelle aus mit dir teilen«, sagte er, »ich habe viele Sommer gelebt und viele junge Wölfe aufwachsen sehen, ich weiß also um die Tücken einer Geburt!« Die Hündin stöhnte, lange würde es nun nicht mehr dauern. »Was nützt mir dein Wissen, wenn du mir in meiner Hütte die Luft zum Atmen nimmst?«, fuhr sie den Wolf also an, »sieh’ zu, dass du fort kommst, denn auch die Zähne deiner Bruderstochter haben noch genug Biss, um zuzupacken!« Erschrocken wich der alte Wolf zurück. Sein Magen knurrte. Weil er auf die wütende Rede der Hündin aber auch nicht mehr zu erwidern wusste, als sie undankbar zu schimpfen, wandte er sich schließlich ab und ging. Die Hündin gebar daraufhin ihre Welpen – sechs an der Zahl –, allein und glücklich es geblieben zu sein.
Zehn Jahre glücklich. Zum zehnte Geburtstag die allerbesten Wünsche an unseren B-Wurf – an Twix, Joey, Iska, Buddy und Pepper. Und an Beau, für immer tief im Herzen!
© Johannes Willwacher