Für unsere Heidi zu ihrem sechsten Geburtstag: was Castingshows mit Hundeausstellungen gemein haben – und warum es für beides einen besonderen Namen braucht.
Kaum, dass ich den Namen ausgesprochen habe, bereue ich es auch schon. Kurz scheint es, als sei das Bild der Videokonferenz eingefroren und die beiden Teilnehmerinnen, die eben noch geschäftig hinter ihren Schreibtischen saßen, in der Bewegung erstarrt, dann aber räuspert sich schließlich die Erste und die Zweite lässt ein verstörtes »Aha!« folgen. Die Hündin, die den angeregten Austausch nur wenige Augenblicke zuvor unterbrochen hat – dieselbe, die bereits minutenlang schwanzwedelnd um meine Beine herum geschlichen war, bevor sie sich über die Lehne des Polsterstuhls in das Blickfeld schob –, lässt sich davon aber nicht irritieren. Züngelnd streckt sie sich mir noch ein wenig weiter entgegen, während meine beiden menschlichen Gesprächspartnerinnen sich auf dem Bildschirm ein gequältes Lächeln abringen – und vielleicht, weil jegliche Kritik an der Hündin genauso oberflächlich abzuperlen scheint, wie an ihrer oft kritisierten Namenspatin, lächelt sie schließlich völlig ungehalten zurück. »Heidi, runter«, sage ich mit Nachdruck, was aber nichts daran ändert, dass mir ihr Name gerade nur widerstrebend über die Lippen gehen will. »Heidi Klum, also«, greift eine der beiden Frauen noch einmal meine Antwort auf die Frage nach der Herkunft des Namens der Hündin auf, »darf man die noch gut finden?«
»Sie grinst geradezu dümmlich. […] Das ist nicht Avantgarde, das ist Werbung« (in: »Wolfgang Joop geht auf Heidi Klum los«, Bildzeitung vom 12.02.2009). »Die war nie in Paris. Die kennen wir nicht« (Karl Lagerfeld, in: Johannes B. Kerner vom 09.06.2009). Von Beginn an war nicht nur die Kritik an der von Heidi Klum moderierten Castingshow Germany’s Next Topmodel besonders laut, sondern auch ihre Person selbst stand immer wieder im Mittelpunkt derselben. Den Sexismus, den das Format reproduziert – die Fixierung auf das Äußere und die ausbeuterische Selbstoptimierung –, hat Klum aber genauso wenig erfunden, wie den ästhetischen Imperativ, nach dem die jungen Frauen bewertet werden. Ihr ist es vielmehr gelungen, die real existierenden gesellschaftlichen Anforderungen an junge Frauen aufzugreifen – sei schön und gehorche –, und in ein medientaugliches Millionengeschäft zu verwandeln. Das kann man streng genommen gar nicht gut finden. Konnte man nie. Und trotzdem trägt die sechsjährige Hündin genau diesen Namen.
Ein Erklärungsansatz könnte der bereits erwähnte, ästhetische Imperativ sein – eben jene unumstößliche Festlegung, was als schön anzusehen ist –, der bei näherem Betrachten auch zu der Lebenswirklichkeit aller Züchter und Züchterinnen gehört. Allein, dass denselben nicht nur eine, sondern – in Gestalt verschiedenster Zuchtrichter – viele Heidi Klums erklären, dass am Ende nur eine Germany’s Next Topmodel werden kann. Und dass es sich bei den Kritikern, die nach jeder Hundeausstellung nur darauf warten, die Sieger für die öffentliche Zurschaustellung von Dominanz und Demütigung abzustrafen (vgl. Yi-Fu Tuan, in: »Dominance and Affection: The Making of Pets«, Yale University Press 1984, S. 169f), um Antispeziesisten handelt: »Wenigstens hier soll es gelingen, die eigene Mission, die Welt sich nach dem eigenen Gutdünken einzurichten. Die Persönlichkeit, rigide auf die eigenen Vorstellungen eingeengt, trampelt die Bedürfnisse der Tiere nieder. Als Befehlsempfänger haben sie zu parieren (Hanna Rheinz, in: Eine tierische Liebe – Zur Psychologie der Beziehung zwischen Mensch und Tier«, Kösel 1994, S. 140). Das Tier als Objekt, reduziert auf das äußere Erscheinungsbild. In ähnlicher Weise hätte die Kritik sich auch der Castingshow widmen können.
Da braucht es schon den entsprechenden Namen, um bestehen zu können. Deshalb: Happy Birthday, Heidi!
© Johannes Willwacher