Über Hundezucht und Gewinnerzielungsabsichten – und die Frage, ob es angesichts der aktuellen Gegebenheiten noch vertretbar ist, aus besagtem Grund zu züchten.
Über Nacht hat es noch einmal geschneit. Nicht so viel wie in den vergangenen Wochen, aber doch genug, um die fünf Hunde nach der Morgenrunde nicht erst waschen zu müssen. Nachdem ich das Futter auf die weißen Näpfe verteilt und mich davon überzeugt habe, dass keiner der Fünf ohne meine Freigabe zu Fressen begonnen hat, bleibt an diesem Morgen also noch genügend Zeit, um es mir mit einem frischen Kaffee auf dem Sofa gemütlich zu machen. Kaum, dass ich mir aber die warme Wolldecke über die Beine geschlagen habe und den ersten Schluck aus dem dampfenden Kaffeebecher nehmen will, klingelt das Telefon. Statt dasselbe einfach klingeln zu lassen – es soll tatsächlich Menschen geben, denen das gelingt –, mühe ich mich also wieder umständlich vom Sofa herunter. Mühe kostet mich das nicht nur, weil der Hund, der lang ausgestreckt vor dem Sofa liegt, es vorzieht, sich weiter die Pfoten zu lecken, als meinen Füßen Platz zu machen. Mühe kostet mich das auch, weil mir die weite, graue Jogginghose beim Aufstehen bis in die Kniekehlen rutscht, und ich den Weg bis zum Telefon stolpernd bewältigen muss.
»Ich hätte da mal eine Frage«, sagt eine mittelalte, weibliche Stimme, als ich das Gespräch annehme, und vielleicht, weil ich selbst noch mit heruntergelassenen Hosen am Küchentisch stehe, störe ich mich auch nicht weiter daran, dass keine Anrede erfolgt. »Ich habe hier einen Nachbarn, der Hunde züchtet«, fährt die Stimme fort, während ich unter mir mit der freien Hand nach dem ausgeleierten Bund der Jogginghose taste, »jedenfalls hat der mir erzählt, dass er auf all das, was er mit den Hunden so verdient, gar keine Steuern zahlen muss«. Endlich gelingt es mir, den Bund zu fassen zu bekommen, und erleichtert ächze ich: »Das … das kann schon sein!«
Aus den roten Zahlen
Durch den Hörer klingt für einen Augenblick nur hektisches Kaugummikauen – Kauen beruhigt, heißt es bei Hunden –, dann hebt die Stimme wieder zu Sprechen an. »Dann will ich auch Hunde züchten«, sagt sie, »wenn der Fiskus die Hand dabei nicht aufhält, dann lohnt sich das doch viel eher, als jede Heimarbeit, und wenn ich es genauso anstelle, wie mein Nachbar, dann habe ich nach einem Wurf schon zehntausend Euro verdient«. Ich muss mich setzen. Vor dem Fenster wirbelt eine Windböe ein paar dünne Flocken auf. »Wenn man einen Hund nur wie ein Federbett hernehmen und einmal kräftig ausschütteln müsste, würde ich ihnen vielleicht sogar zustimmen«, seufze ich. Dass es mir nach rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung auch nach mehr als zehn Jahren Hundezucht nicht gelungen ist, genug aus den Hunden herauszuschütteln, um aus den roten Zahlen zu kommen, denke ich mir bloß.
Während sie mir im Folgenden ausführlich vorrechnet, wie gut ein Züchter ihrer Meinung nach verdienen muss, wie schlecht aber das Verschrauben von Kugelschreibern entlohnt wird – auf das auch noch Steuern gezahlt werden müssen, wie sie nicht müde wird zu betonen –, beschäftigen mich ganz andere Gedanken.
Übersättigte Märkte, fehlende Kaufkraft
Zum einen ist da die Situation, in der sich die Tierheime schon seit dem Abklingen der Pandemie befinden. Eine Situation, die durch die Rückkehr ins normale Leben befeuert worden ist, und die für viele unüberlegt angeschaffte Hunde nun bedeutet, dass sie keinen Platz mehr in demselben finden. »Die Tierarztkosten werden explodieren, die Energiekosten durch die Decke gehen. Hinzu kommen die Kostensteigerung durch den Mindestlohn und die allgemeine Inflation«, hat Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, bereits vor der Anhebung der Tierärztegebührenordnung im vergangenen Jahr gewarnt. Wer angesichts der aktuellen Gegebenheiten bloß des Geldes wegen Hunde vermehrt, handelt also nicht nur ausgesprochen kurzsichtig – weil der Markt übersättigt ist und es an Kaufkraft fehlt –, sondern auch jedem Tierschutzgedanken zuwider.
Zum anderen ist da aber auch die veränderte Mentalität, durch die sich nicht wenige Welpeninteressenten auszeichnen. Bei den Wurfabnahmen, die ich als Zuchtwart des Club für britische Hütehunde in den vergangenen Monaten durchgeführt habe, ist immer wieder die fehlende Zuverlässigkeit beklagt worden. Welpeninteressenten, die kurzfristig abspringen, sich nicht rückmelden, oder den gewünschten Welpen zum Zeitpunkt der Geburt schon anderweitig gefunden haben – weil sie sich auf dutzenden Wartelisten haben vormerken lassen. »Von zehn Interessenten sind gerade einmal zwei übrig geblieben«, meinte eine Züchterin, als ich sie im Zuge der ersten Wurfabnahme danach befragte. Zwei Schneeflocken machen noch keinen Winter. Und wo Unzuverlässigkeit der Planungssicherheit zuwider läuft, verdient es sich auch schlecht.
Laufende Kosten
Das erwidere ich schließlich auch am Telefon. »Wie viel Vermögen lässt sich schon anhäufen, wenn fortwährend Kosten entstehen? Wenn nicht nur in die Pflege und den Unterhalt der Zuchthunde investiert werden muss, sondern auch die Welpenaufzucht immer höhere Summen verschlingt? Das, was ihnen abzüglich der Steuern vom Kugelschreiberschrauben bleibt, gehört ihnen. Der Gewinn, den ein großer Wurf ihnen eingebracht hat, ist im schlechtesten Fall aber schon beim nächsten wieder aufgebraucht. Und das, obwohl sie neun Wochen lang von früh bis spät gearbeitet haben.« Darauf weiß auch das Kaugummi erst einmal nichts mehr zu erwidern.
Weil mein Blick zufällig auf die blinkende Digitalanzeige über dem Ofen fällt und ich dabei bemerke, dass von meiner gemütlichen Kaffeepause kaum mehr, als noch fünf Minuten übrig bleiben, überlege ich, wie sich das Gespräch kurz und bündig beenden lässt. Dass ich mich an den Schreibtisch setzen und meiner eigentlichen Arbeit widmen muss, wäre nicht einmal gelogen, würde aber wohl kaum ein nachhaltiges Schlusswort abgeben. »Wenn ihnen von Amts wegen eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden kann, und sie aufgrund der Tatsache, dass sie dauerhaft Welpen zum Verkauf anbieten, durch das Veterinäramt als gewerbsmäßiger Züchter eingestuft werden, sind sie womöglich auch gezwungen, gegenüber dem Finanzamt Rechenschaft abzulegen und Steuern zu zahlen«, sage ich deshalb, um nach kurzem Nachdenken noch hinzuzufügen, dass all das selbstverständlich nur dann umsetzbar ist, wenn die zeitlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. »Die Welpen, die sie zum Verkauf anbieten wollen, ziehen sich schließlich nicht von alleine auf. Und insofern sie noch regulär berufstätig sind, bezweifle ich, dass sie die Aufzucht von ausreichend vielen Würfen mit ihrem Jahresurlaub abdecken können, oder?« Sie verneint. Und ich bin zufrieden.
Als ich wenig später mit dem lauwarmen Kaffee am Fenster stehe, schiebt sich zögerlich die Sonne durch die Wolken. Von dem frischen Schnee – das scheint unausweichlich – wird bis zum Nachmittag nichts mehr übrig sein. Schlusswort. Das ist ein gutes.
Gewerbsmäßige Zucht Wer drei oder mehr fortpflanzungsfähige Hündinnen hält, gilt vor dem Gesetz als gewerbsmäßiger Züchter. Dabei ist unerheblich, ob diese Hündinnen auch tatsächlich zur Zucht verwendet werden. Gleiches gilt, wenn in einer Zuchtstätte drei oder mehr Würfe pro Jahr fallen. Eine gewerbsmäßige Zucht ist nach §11 Tierschutzgesetz erlaubnispflichtig. Es wird unterstellt, dass die Tätigkeit selbständig, planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt wird.
Hundezucht und Steuern Ist eine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar, kann die Hundezucht auch steuerrechtlich relevant sein. Das gilt auch für Deckrüdenbesitzer, die Einnahmen über die Deckakte ihrer Rüden erzielen. Die Gewinnerzielungsabsicht kann mittels einer Überschussprognose nachgewiesen werden, bei der Einnahmen und Ausgaben gegenüber gestellt werden. Zielt die Tätigkeit nicht darauf ab, positive Einkünfte zu erzielen, wird einkommenssteuerrechtlich von Liebhaberei gesprochen. Einkünfte aus Liebhaberei sind nicht zu versteuern.
© Johannes Willwacher