Gepackte Koffer: was Umweltzerstörung und Hundezucht gemein ist. Und warum kein Züchter auf Selbstkritik verzichten und seine Standards zu tief ansetzen darf.

1970 lag etwas in der Luft - und das gefiel den Song­wri­tern nicht. Zahl­rei­che Pro­test­songs, die in die­sem Jahr erschie­nen, und die sich alle­samt mit der Zer­stö­rung der Umwelt beschäf­tig­ten, dür­fen rück­bli­ckend als Beweis dafür gel­ten. »Ape­man« von den Kinks, Neil Youngs »After the Gold Rush« oder Cat Ste­vens’ »Whe­re Do the Child­ren Play?« sind nur eini­ge davon. Die Grün­de für die zuneh­men­de Aus­ein­an­der­set­zung mit den Aus­wir­kun­gen men­schen­ge­mach­ter Umwelt­be­las­tun­gen sowie der End­lich­keit an ver­füg­ba­rer Natur waren eben­so zahl­reich, wie kon­kret. 

Border Collie Welpe mit Koffer
12|09|2022 – Broad­me­a­dows Ima­gi­ne, Skye

Die Ölpest vor der Küs­te des kali­for­ni­schen San­ta Bar­ba­ra, bei der durch die Explo­si­on einer Bohr­in­sel über zehn Tage etwa 3 Mil­lio­nen Liter Roh­öl unkon­trol­liert in den Pazi­fik flos­sen, hat­te 1969 weit­hin für Schock und Empö­rung gesorgt, und sich als prä­gend für die Ent­ste­hung der moder­nen Umwelt­be­we­gung erwie­sen. Glei­ches galt für den Cuya­ho­ga River im Nord­os­ten von Ohio, des­sen star­ke Ver­schmut­zung – bedingt durch die unkon­trol­lier­te Ein­lei­tung von Öl, brenn­ba­ren Che­mie­ab­fäl­len und Abwäs­sern – im glei­chen Jahr auf den Titel­sei­ten der Pres­se ange­pran­gert wur­de. Nach­dem sich der Fluss im Juni 1969 durch den Fun­ken­schlag eines vor­bei­fah­ren­den Zugs zum wie­der­hol­ten Mal ent­zün­det hat­te, schrieb auch das TIME Maga­zi­ne, dass man im Cuya­ho­ga River nicht ein­fach ertrin­ken kön­ne, son­dern, ein­mal hin­ein­ge­fal­len, schlicht­weg ver­fau­len wür­de. »Im Unter­lauf des Cuya­ho­ga ist kein sicht­ba­res Leben vor­han­den«, bemerk­te die zustän­di­ge Was­ser­schutz­be­hör­de damals tro­cken, »nicht ein­mal ein­fa­che Lebens­for­men, wie Blut­egel oder Schlamm­wür­mer hal­ten es hier noch aus«.

Border Collie Welpe mit Koffer
12|09|2022 – Broad­me­a­dows Itchy­coo Park, Yuna

»Die satt­grü­nen Ber­ge, die sich in der Fer­ne abzeich­ne­ten, als ich die Vor­hän­ge zurück­zog, ver­schlu­gen mir den Atem, eine Land­schaft wie aus dem Bil­der­buch«, fasst die kana­di­sche Song­wri­te­rin Joni Mit­chell die Ent­ste­hung eines ihrer bekann­tes­ten Stü­cke zusam­men, das sie 1969 auf ihrer ers­ten Rei­se nach Hawaii schrieb, »dann fiel mein Blick nach unten, gera­de­wegs auf den beto­nier­ten Park­platz, der das Hotel umgab, der so weit das Auge reich­te kein Grün mehr erbli­cken ließ«. Die Bot­schaft, nichts und nie­man­den als selbst­ver­ständ­lich hin­zu­neh­men – sich nicht nur acht­sam mit der Natur, son­dern auch mit sei­nen Mit­men­schen aus­ein­an­der­zu­set­zen –, hat auch mehr als fünf­zig Jah­re nach sei­ner Ent­ste­hung nichts an Aktua­li­tät ein­ge­büßt. »Don’t it always seem to go, that you don’t know what you’ve got till it’s gone«, singt Joni Mit­chell im Refrain. Ist es nicht so, dass sich Wert­schät­zung und Ver­lust gegen­sei­tig bedin­gen? Dass man etwas immer erst dann wirk­lich zu wert­schät­zen weiß, wenn man es ver­lo­ren hat?

Border Collie Welpe mit Koffer
12|09|2022 – Broad­me­a­dows I’ll Be Your Mir­ror, Scotty

Wer einen Stock nimmt, um einem Hund die Augen aus­zu­ste­chen, oder den­sel­ben dazu nutzt, um ihn tief ins Fleisch des Hun­des zu trei­ben, der begeht Fol­ter. Glei­ches gilt für jeman­den, der einem Hund die Bei­ne fes­selt, um ihn im Wachs­tum zu hem­men, der ihn bis zur Besin­nungs­lo­sig­keit würgt oder ihm vor­sätz­lich die Haut ver­brennt. »Kein Lebe­we­sen auf die­ser Welt hat es ver­dient, so behan­delt zu wer­den«, dürf­te die über­ein­stim­men­de Mei­nung der meis­ten Men­schen lau­ten. Als Züch­ter müs­sen wir uns aber – wohl oder übel – oft­mals den Vor­wurf gefal­len las­sen, genau­so gehan­delt zu haben. Genau­so kurz­sich­tig und unüber­legt, genau­so gewalt­sam und zum Nach­teil unse­rer Hun­de. »Don’t it always seem to go, that you don’t know what you’ve got till it’s gone«, lässt sich des­halb viel­leicht auch als Ant­wort auf den Auf­schrei in der Züch­ter­welt ver­ste­hen, der mit der Novel­lie­rung der Tier­schutz-Hun­de­ver­ord­nung in die­sem Früh­jahr ein­her­ge­gan­gen ist. Nicht alles ist gerecht – nicht jede Maß­nah­me fußt auf neu­es­ten wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen –, aber vie­les viel­leicht berech­tigt. Und weil es auch hier um Acht­sam­keit geht: hät­ten die Lei­den, Schmer­zen und Schä­den, die sich an ästhe­ti­sche Mode­er­schei­nun­gen knüp­fen, nicht schon viel frü­her beach­tet und in Fra­ge gestellt wer­den müs­sen? Und ist die gel­be Kam­pa­gne, die wir als Club für bri­ti­sche Hüte­hun­de als Gegen­be­weis ange­führt haben – und deren gra­fi­sche Aus­ge­stal­tung mei­ne unent­gelt­li­che Auf­ga­be gewe­sen ist –, nicht auch ein gro­ßes, gel­bes Taxi, das längst davon gefah­ren ist, wenn in den ange­schlos­se­nen Ver­ei­nen kei­ne kon­se­quen­te und sicht­ba­re Auf­ar­bei­tung erfolgt? 

Border Collie Welpe mit Koffer
12|09|2022 – Broad­me­a­dows Inter­stel­lar Over­dri­ve, Sonic

Es geht also dar­um, hin­zu­schau­en. Das eige­ne Han­deln im Hin­blick auf das Mit­ge­schöpf kri­tisch zu hin­ter­fra­gen und die Ver­än­de­rung nicht abzu­leh­nen, son­dern ein­zu­la­den. Als Züch­ter soll­te man die­sen kri­ti­schen Blick zuvor­derst beherr­schen. Man soll­te in der Lage sein, die Stär­ken und Schwä­chen sei­ner Zucht­hun­de ein­deu­tig zu defi­nie­ren, Hun­de, bei denen die Schwä­chen über­wie­gen, gar nicht erst in die Zucht ein­brin­gen, und sich bereits im Rah­men der Wurf­pla­nung bemü­hen, gesund­heit­li­che Risi­ken zu mini­mie­ren und Schwä­chen aus­zu­glei­chen. Wel­che Lini­en man dabei bedient, ist zweit­ran­gig. Zum einen, weil die Extre­me auf bei­den Sei­ten bedenk­lich blei­ben, und zum ande­ren, weil kei­ne Sei­te frei von Erb­krank­hei­ten und Wesens­män­geln ist. Bloß zu behaup­ten, dass man anders ist, reicht nicht aus, wenn sich die Anders­ar­tig­keit in der Behaup­tung erschöpft – wenn ver­säumt wird, genau hinzuschauen.

Border Collie Welpe mit Koffer
12|09|2022 – Broad­me­a­dows I Can See For Miles, Miles

Wäh­rend der Wel­pen­auf­zucht ver­su­che ich mir des­halb auch immer wie­der die Kon­se­quen­zen mei­nes Han­delns vor Augen zu füh­ren und mir bewusst zu machen, was die­ses oder jenes Ver­säum­nis für das wei­te­re Leben jedes Wel­pen bedeu­tet. Weil es zu spät ist, wenn die Kof­fer bereits gepackt sind – wenn die Pla­nier­wal­zen anrol­len, um das Para­dies, das jeder Wel­pe ver­dient hat, unter Beton zu begra­ben. In den neun Wochen der Wel­pen­auf­zucht bemü­he ich mich des­halb, jedem Wel­pen mög­lichst viel in den Kof­fer zu packen – ange­fan­gen bei einer geziel­ten Früh­för­de­rung, die für alle Wel­pen gleich nach der Geburt ansetzt, bis zu indi­vi­du­el­len För­der­maß­nah­men, die Ein­fluss auf die Wesens­ent­wick­lung jedes Wel­pen neh­men und ihn best­mög­lich auf das spä­te­re Leben vor­be­rei­ten sol­len. »Don’t it always seem to go, that you don’t know what you’ve got till it’s gone«, klingt es mir mah­nend in den Ohren. Laut in den ers­ten Lebens­wo­chen. Und lau­ter noch, kurz vor dem Auszug.

Es liegt etwas in der Luft.

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