Die siebte Lebenswoche unserer Border Collie Welpen: über Regen, Wind und Sonne – und was sich mehr an Verhaltensweisen bei den Welpen beobachten lässt.

Don’t Rain on My Parade

Seit Wochen hat es nicht gereg­net. Als ich gegen sechs Uhr mit dem Fut­ter­ring die Trep­pen hin­un­ter stei­ge, höre ich es aber schon durch die geschlos­se­ne Tür zum Gar­ten rau­schen. Schnell stel­le ich den Fut­ter­ring auf der Wasch­ma­schi­ne ab, stür­ze zurück zur Tür und has­te mit nack­ten Füßen zum Wel­pen­aus­lauf, um die Decken ein­zu­sam­meln, die über Nacht über dem Git­ter gehan­gen haben. Über mir pras­selt der Regen durch das Blät­ter­dach des Kirsch­baums, unter mir stau­en sich Pfüt­zen auf dem aus­ge­trock­ne­ten Boden – kei­ne zwei Minu­ten braucht es, bis auch ich von oben bis unten nass bin. »Dann müs­sen die Wel­pen eben drin­nen gefüt­tert wer­den«, den­ke ich, wäh­rend ich noch die letz­ten Spiel­zeu­ge vom Boden auf­klau­be und unter dem nied­ri­gen Vor­dach des Wel­pen­hau­ses ver­schwin­den las­se. 

Nach­dem ich den Licht­schal­ter gedrückt – »Guten Mor­gen!« – und die Wel­pen aus dem Nacht­aus­lauf befreit habe, stür­men alle Sechs in freu­di­ger Erwar­tung zur Tür. Weil sich auch die aller­jüngs­ten unse­rer Vier­bei­ner schnell an fes­te Abläu­fe gewöh­nen – wer das nicht glaubt, der möge sich ein­mal das lau­te Geschrei anhö­ren, wenn ich mich am Mor­gen erdreis­te, zehn Minu­ten zu spät in der Türe zum Wel­pen­zim­mer zu ste­hen –, braucht es eine gan­ze Wei­le, bis auch der Letz­te begrif­fen hat, dass ihn an die­sem Mor­gen kei­ne Hän­de über das Git­ter im Tür­rah­men heben und kei­ne Füße zum Wel­pen­aus­lauf im Gar­ten vor­aus­lau­fen wer­den. 

Wäh­rend sich fünf der sechs Wel­pen schließ­lich hung­rig über ihre ers­te Mahl­zeit her­ma­chen – das Wel­pen­fut­ter habe ich zuvor kurz in war­mem Was­ser ein­ge­weicht und mit zwei Ess­löf­feln Hafer­flo­cken ange­rei­chert, um dem Durch­fall ent­ge­gen­zu­wir­ken, der sich nach dem Abset­zen der Mut­ter­hün­din bei man­chem Wel­pen spo­ra­disch zeigt –, wirkt der Sechs­te aber selt­sam unzu­frie­den, frisst zwei Bis­sen und läuft dann wie­der mau­lend zur Tür. Nach­dem ihn aber auch im zwei­ten Anlauf nie­mand hin­aus­lässt, um sich im Gar­ten zu lösen – auch dar­an haben sich die Wel­pen sehr schnell gewöhnt –, nimmt er doch mit dem Zell­stoff vor­lieb und ist schließ­lich erlöst. 

Als der Regen end­lich nach­lässt – die Wel­pen habe ich in der Zwi­schen­zeit drin­nen müde gespielt –, nut­ze ich die Gele­gen­heit, um den Wel­pen­aus­lauf im Gar­ten noch ein­mal um zwan­zig Qua­drat­me­ter zu erwei­tern. Der ver­brann­te Rasen ist nach der lan­gen Dür­re schon längst wie­der tro­cken, und nur am feuch­ten Holz der Schau­kel und der Wackel­brü­cke lässt sich noch erah­nen, dass es zwei Stun­den lang gereg­net hat.

Blowin’ in the Wind

7 Wochen alte Border Collie Welpen beim Züchter
31|08|2022 – Unse­re Wel­pen in der sieb­ten Lebenswoche

Wenn ich durch unser Haus wan­de­re, fal­len mir immer wie­der Din­ge auf, die gar kei­nen Nut­zen haben. Sol­che, die mehr oder weni­ger hübsch aus­se­hen, und bei denen man argu­men­tie­ren könn­te, dass ihr Nut­zen dar­in besteht, das Auge zu erfreu­en, genau­so wie sol­che, die bloß Staub anset­zen. In jedem Haus­halt wird es ähn­li­che Din­ge geben, und jeder wird sich – dar­auf möch­te ich wet­ten – schon ein­mal die Fra­ge gestellt haben, war­um man gera­de die­ses oder jenes nutz­lo­se Ding noch auf­hebt, war­um man es nicht längst ent­sorgt, oder bes­ser: weg­ge­schmis­sen hat. Ein Bei­spiel? Ein Fön. In einem Haus­halt, wie dem unse­ren, braucht es einen Fön eigent­lich gar nicht, denn ein Fön – man über­zeu­ge mich vom Gegen­teil – dient maß­geb­lich dem Zweck, Haa­re zu trock­nen. Wo kei­ne Haa­re vor­han­den sind – das darf für bei­de Zwei­bei­ner in unse­rem Haus­halt seit bei­na­he zwan­zig Jah­ren gel­ten –, gibt es wenig zu trock­nen. Nutz­los, also. Wären die Hun­de nicht. 

Auch unse­re Wel­pen müs­sen den­sel­ben – im Wech­sel mit dem Staub­sauger und einer gan­zen Rei­he wei­te­rer, lär­men­der Haus­halts­ge­gen­stän­de – all­abend­lich über sich erge­hen las­sen. Wäh­rend der Fön in den ers­ten Wochen ganz her­vor­ra­gend dazu getaugt hat, die Wel­pen am Abend zur Ruhe zu brin­gen – die Ant­wort, mein Freund, weiß ganz allein der Wind –, haben im Lau­fe der sieb­ten Lebens­wo­che aber lei­der zuse­hends Gewöh­nung und Gleich­gül­tig­keit ein­ge­setzt, so dass die Wel­pen trotz der stei­fen Bri­se mun­ter wei­ter spie­len. Das macht die Aben­de lang und län­ger. Und die Näch­te ziem­lich kurz. »How many roads must a man walk down, befo­re you can call him a man?« Wer sich neun Wochen lang die Näch­te um die Ohren schlägt, um sechs Wel­pen zum Schla­fen zu bewe­gen, hat dem viel­leicht auch Genü­ge getan.

Sunny Afternoon

7 Wochen alte Border Collie Welpen beim Züchter
02|09|2022 – Unse­re Wel­pen in der sieb­ten Lebenswoche

Wenn ich mich mit ande­ren Hun­de­men­schen unter­hal­te – ins­be­son­de­re mit sol­chen, die auch meh­re­re Hun­de hal­ten –, fällt mir immer wie­der auf, dass es gar nicht so selbst­ver­ständ­lich ist, dass alle Hun­de gemein­schaft­lich im glei­chen Raum gefüt­tert wer­den. Wäh­rend Fut­ter­neid für unse­re Hun­de näm­lich ein Fremd­wort ist und jeder – gleich­gül­tig, wie schnell oder wie lang­sam er auch fres­sen mag – unge­stört sei­nen Napf lee­ren darf, sieht das in vie­len Hun­de­haus­hal­ten anders aus. Getrenn­te Räu­me, weil das Fut­ter sonst nur has­tig hin­un­ter geschlun­gen wird, oder noch schlim­mer, weil aus dem gemein­schaft­li­chen Kau­en und Schlu­cken sonst die größ­te Bei­ße­rei resul­tiert. Ich möch­te damit nicht behaup­ten, dass unse­re Hun­de ihr Fut­ter weni­ger als Res­sour­ce begrei­fen, die ver­tei­digt wer­den muss – das lie­ße sich näm­lich durch die ange­spann­te Kör­per­hal­tung leicht wider­le­gen –, son­dern dass jeder der Vier gelernt hat, die Zei­chen der Res­sour­cen­si­che­rung der ande­ren zu akzep­tie­ren. 

Auch bei den Wel­pen las­sen sich bereits ähn­li­che Ver­hal­tens­wei­sen beob­ach­ten. Das weni­ger bei den Mahl­zei­ten, die auch in der sieb­ten Lebens­wo­che noch von allen sechs Wel­pen aus dem glei­chen Napf ein­ge­nom­men wer­den, son­dern mehr bei Spiel­zeu­gen, Kau­ar­ti­keln oder mensch­li­cher Zuwen­dung – Din­gen also, die jeder ger­ne ganz allein für sich bean­spru­chen mag. Noch geziel­ter lässt sich das beob­ach­ten – ja, ich bin ein wirk­lich hunds­ge­mei­ner Mensch –, indem man die umkämpf­te Res­sour­ce ver­knappt und den sechs Wel­pen bloß drei Hasen­oh­ren zum Kau­en anbietet.

»Im bes­ten Fall fin­den sich Zwei, die gemein­schaft­lich nagen«, den­ke ich, als ich die Hasen­oh­ren im Aus­lauf ver­tei­le, »Zwei, die sich nicht dar­an stö­ren, dass am ande­ren Ende ein Ande­rer nagt«. Tat­säch­lich lässt sich das in der Fol­ge kurz beob­ach­ten. Weil aber zwei wei­te­re Wel­pen die ver­blie­be­nen Hasen­oh­ren ganz für sich allei­ne bean­spru­chen, und bei jeder Annä­he­rung das Weiß in den Augen­win­keln auf­blit­zen las­sen, blei­ben auch die bei­den fried­fer­ti­gen Nage­tie­re nicht lan­ge unge­stört. Ein Drit­ter schiebt sich bald schon dazwi­schen, schließt den Fang um die Beu­te und ver­schwin­det damit. »Bei man­chem Wel­pen wäre das jetzt schon eska­liert«, den­ke ich, »weil man­cher Wel­pe sei­ne Beu­te nicht ohne Gegen­wehr aufgibt«.

Auch, um das zu über­prü­fen, bie­tet sich die kur­ze Übung an. Wäh­rend des Her­an­wach­sens eines Wel­pen erge­ben sich immer wie­der Gele­gen­hei­ten, bei denen die erbeu­te­te Res­sour­ce womög­lich schäd­lich für den Wel­pen sein kann, und bei denen es wich­tig ist, dass der Mensch – zum Schut­ze des Wel­pen – ein­grei­fen kann. Dem­zu­fol­ge müs­sen sich auch die bei­den Wel­pen, die gleich zu Beginn mit ihrer Beu­te ver­schwun­den sind, mit mir aus­ein­an­der­set­zen – weil aber kei­ner von bei­den mit mei­nem Ein­grei­fen gerech­net hat, geben bei­de auch wider­stands­los das Hasen­ohr auf. Danach wer­den die Rol­len neu ver­teilt – es wird gerannt und gesi­chert, geknurrt und gedroht – es wird kom­mu­ni­ziert, dees­ka­liert und ver­stan­den. Und das ist schon ziem­lich gut.

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