Sechs Border Collie Welpen, sechs Namen für die Papiere – und die Feststellung, dass man etwas, das man einmal falsch gehört hat, nie wieder anders hören kann.
You got me blowin’, blowin’ my mind.
Jimi Hendrix (1967)
Ich meine, ich muss damals fünfzehn oder sechzehn Jahre alt gewesen sein. An den Tag oder die genauen Umstände kann ich mich zwar nicht erinnern, ich weiß aber noch, dass ich mit einem Paar viel zu großer Kopfhörer, bei denen die Polsterung aus Schaumstoff schon aus dem schwarzen Kunstleder quoll, mit dem der metallene Bügel bezogen war, vor dem Plattenspieler saß.
Die Plattensammlung meiner Eltern war äußerst überschaubar. Fast ein Drittel machten dabei solche Platten aus, die auf dem Cover eine verschneite Winterlandschaft oder eine hell erleuchtete Kirche zeigten, und auf denen irgendein Kinderchor die schönsten aller Weihnachtslieder sang. Die übrigen zwei Drittel bestanden aus allem, was sich in den späten Siebzigern auf dem Plattenteller anrichten ließ: ein bisschen deutscher Schlager, ein bisschen Disco, zwei oder drei Liedermacher und – aus der Sicht eines Teenagers in den Neunzigern – einem Bisschen zu viel an fragwürdigem Geschmack. Die echten Perlen der elterlichen Plattensammlung waren also schnell durchgehört: Cat Stevens‘ »Tea for the Tillerman«, die »Dark Side of the Moon« von Pink Floyd oder das rote Album der Beatles gehörten ebenso dazu, wie ein Greatest Hits Album der The Mamas and the Papas oder »The Essential Jimi Hendrix«.
Eben jene Platte war es auch, die ich an dem besagten Tag aufgelegt hatte. Wie oft ich das dritte Stück auf der A-Seite des Doppelalbums, »Purple Haze«, zuvor schon gehört hatte, ohne auf den Gesang von Hendrix zu achten, hätte ich auch damals schon nicht sagen können – wahrscheinlich, weil man Musik als Teenager oftmals nur als mehr oder weniger angenehmes Hintergrundrauschen wahrnimmt, und sich Worte und Bedeutung irgendwo in dem Knistern und Knacken aus den Kopfhörern verlieren –, an diesem Tag aber saß ich plötzlich wie vom Donner gerührt vor dem Plattenspieler. »Excuse me, while I kiss this guy?« Entschuldigt mich, während ich diesen Mann küsse? Ich tastete nach dem Schalter, um die Nadel aus der Spur zu heben. War Hendrix etwa schwul?
Das war er offensichtlich nicht – und meine Erkenntnis am Ende nicht mehr, als ein äußerst beliebter Verhörer. Tatsächlich ist es bei diesem und Weiteren aber so – man denke nur an Anneliese Braun und »California Dreamin‘« –, dass man sie nicht mehr nicht hören kann, wenn sie erst einmal gehört worden sind, und das Lied dadurch eine völlig neue Bedeutung bekommt.
Bei den Namen, die ich für die Papiere unserer sechs Border Collie Welpen ausgewählt habe – dazu habe ich wieder einmal stundenlang mit Bleistift und Papier vor unserem eigenen Plattenschrank gesessen – sieht es vielleicht ganz ähnlich aus. Sechs Lieder, sechs Welpen, sechs Namen. Und jeder hoffentlich genauso durchdringend, genauso langlebig, wie »Purple Haze«.
Am frühen Samstagmorgen schon haben wir die erste Autofahrt mit unseren sechs Welpen unternommen. Ziel des ersten Ausflugs sollte eine blühende Heidefläche sein, die sich unweit unserers Wohnorts hinter der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen befindet. Die Fahrt selbst haben alle sechs Welpen gut gemeistert – es wurde zwar ein wenig gequietscht und ein wenig gefiept, schlecht ist aber keinem geworden. Die lila blühende Heide fanden alle Sechs aber noch viel spannenender – so spannend, dass sich auch keiner von dem Nieselregen beeindrucken ließ, der uns dazu veranlasste, das kleine Fotoshooting viel schneller hinter uns zu bringen, als ursprünglich gedacht.
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