Sechs Border Collie Welpen, sechs Namen für die Papiere – und die Feststellung, dass man etwas, das man einmal falsch gehört hat, nie wieder anders hören kann.

Ich mei­ne, ich muss damals fünf­zehn oder sech­zehn Jah­re alt gewe­sen sein. An den Tag oder die genau­en Umstän­de kann ich mich zwar nicht erin­nern, ich weiß aber noch, dass ich mit einem Paar viel zu gro­ßer Kopf­hö­rer, bei denen die Pols­te­rung aus Schaum­stoff schon aus dem schwar­zen Kunst­le­der quoll, mit dem der metal­le­ne Bügel bezo­gen war, vor dem Plat­ten­spie­ler saß. 

Die Plat­ten­samm­lung mei­ner Eltern war äußerst über­schau­bar. Fast ein Drit­tel mach­ten dabei sol­che Plat­ten aus, die auf dem Cover eine ver­schnei­te Win­ter­land­schaft oder eine hell erleuch­te­te Kir­che zeig­ten, und auf denen irgend­ein Kin­der­chor die schöns­ten aller Weih­nachts­lie­der sang. Die übri­gen zwei Drit­tel bestan­den aus allem, was sich in den spä­ten Sieb­zi­gern auf dem Plat­ten­tel­ler anrich­ten ließ: ein biss­chen deut­scher Schla­ger, ein biss­chen Dis­co, zwei oder drei Lie­der­ma­cher und – aus der Sicht eines Teen­agers in den Neun­zi­gern – einem Biss­chen zu viel an frag­wür­di­gem Geschmack. Die ech­ten Per­len der elter­li­chen Plat­ten­samm­lung waren also schnell durch­ge­hört: Cat Ste­vens‘ »Tea for the Til­ler­man«, die »Dark Side of the Moon« von Pink Floyd oder das rote Album der Beat­les gehör­ten eben­so dazu, wie ein Grea­test Hits Album der The Mamas and the Papas oder »The Essen­ti­al Jimi Hen­drix«. 

Eben jene Plat­te war es auch, die ich an dem besag­ten Tag auf­ge­legt hat­te. Wie oft ich das drit­te Stück auf der A-Sei­te des Dop­pel­al­bums, »Pur­ple Haze«, zuvor schon gehört hat­te, ohne auf den Gesang von Hen­drix zu ach­ten, hät­te ich auch damals schon nicht sagen kön­nen – wahr­schein­lich, weil man Musik als Teen­ager oft­mals nur als mehr oder weni­ger ange­neh­mes Hin­ter­grund­rau­schen wahr­nimmt, und sich Wor­te und Bedeu­tung irgend­wo in dem Knis­tern und Kna­cken aus den Kopf­hö­rern ver­lie­ren –, an die­sem Tag aber saß ich plötz­lich wie vom Don­ner gerührt vor dem Plat­ten­spie­ler. »Excu­se me, while I kiss this guy?« Ent­schul­digt mich, wäh­rend ich die­sen Mann küs­se? Ich tas­te­te nach dem Schal­ter, um die Nadel aus der Spur zu heben. War Hen­drix etwa schwul?

Das war er offen­sicht­lich nicht – und mei­ne Erkennt­nis am Ende nicht mehr, als ein äußerst belieb­ter Ver­hö­rer. Tat­säch­lich ist es bei die­sem und Wei­te­ren aber so – man den­ke nur an Anne­lie­se Braun und »Cali­for­nia Dre­a­min‘« –, dass man sie nicht mehr nicht hören kann, wenn sie erst ein­mal gehört wor­den sind, und das Lied dadurch eine völ­lig neue Bedeu­tung bekommt. 

Bei den Namen, die ich für die Papie­re unse­rer sechs Bor­der Col­lie Wel­pen aus­ge­wählt habe – dazu habe ich wie­der ein­mal stun­den­lang mit Blei­stift und Papier vor unse­rem eige­nen Plat­ten­schrank geses­sen – sieht es viel­leicht ganz ähn­lich aus. Sechs Lie­der, sechs Wel­pen, sechs Namen. Und jeder hof­fent­lich genau­so durch­drin­gend, genau­so lang­le­big, wie »Pur­ple Haze«.

Am frü­hen Sams­tag­mor­gen schon haben wir die ers­te Auto­fahrt mit unse­ren sechs Wel­pen unter­nom­men. Ziel des ers­ten Aus­flugs soll­te eine blü­hen­de Hei­de­flä­che sein, die sich unweit unse­rers Wohn­orts hin­ter der Lan­des­gren­ze zu Nord­rhein-West­fa­len befin­det. Die Fahrt selbst haben alle sechs Wel­pen gut gemeis­tert – es wur­de zwar ein wenig gequietscht und ein wenig gefiept, schlecht ist aber kei­nem gewor­den. Die lila blü­hen­de Hei­de fan­den alle Sechs aber noch viel spanne­n­en­der – so span­nend, dass sich auch kei­ner von dem Nie­sel­re­gen beein­dru­cken ließ, der uns dazu ver­an­lass­te, das klei­ne Foto­shoo­ting viel schnel­ler hin­ter uns zu brin­gen, als ursprüng­lich gedacht.

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