Die vierte Lebenswoche unserer Border Collie Welpen: über Dinge, die kleben, und Dinge die riechen. Und warum vier Quadratmeter kaum noch genug sind.
Brown Sugar
Wenn die tägliche Gewichtszunahme hinter den Erwartungen zurückbleibt, weil der steigende Energiebedarf der Welpen nicht mehr allein über die Muttermilch der Hündin gedeckt werden kann, oder die Hündin beim Säugen einen verkniffenen Gesichtsausdruck aufsetzt, weil die Milchzähne der Welpen durchzubrechen begonnen haben, wird es Zeit, über die Zufütterung der Welpen nachzudenken. Bei einem normal großen Wurf ist das in der Regel zum Ende der dritten Lebenswoche der Fall – hat die Hündin sehr viel Milch oder ist der Wurf deutlich kleiner, kann die erste Mahlzeit unter Umständen aber auch noch länger hinausgezögert werden. In jedem Fall entlastet die Zufütterung die Mutterhündin nach den anstrengenden ersten Lebenswochen der Welpen merklich – und das nicht nur, weil sie nun nicht mehr alleine Sorge für die Ernährung ihrer Welpen tragen muss. Während sie in den ersten Lebenswochen durch sanftes Belecken nämlich auch die Entleerung von Darm und Blase anregen und die Ausscheidungen der Welpen aufnehmen muss, hat sich zum Zeitpunkt der ersten Zufütterung beides erübrigt: einerseits, weil die Welpen nun in der Lage sind, sich selbständig zu lösen, und andererseits, weil der Kot der Welpen durch die veränderte Zusammensetzung nun auch der Hündin zu stinken beginnt.
Es klebt also im Welpenzimmer. Und es duftet. Nach lauwarmer Ziegenmilch. Nach breigetränkten Pfoten. Nach lustvoll verschmierten Schnauzen. Und zum ersten Mal auch so richtig nach … oh!
You Gotta Move
»Die Wurfhöhle muss sauber bleiben«, mag eine Urahnin unserer Haushunde einst ihren Welpen zugeraunt haben. Womöglich hat sie dazu einen besonders strengen Blick aufgesetzt – die Augen zu gefährlich dünnen Schlitzen verengt, die Zähne gebleckt und die Lefzen flatternd angehoben –, und ihre Worte mit einem leisen Knurren besiegelt. Sobald die Welpen also in der Lage waren, das Wurflager selbständig zu verlassen, strebten sie aus der Höhle ans Licht, um sich zu lösen – den strengen Blick der Urahnin immer im Nacken. Selbst, als dieser ihnen längst nicht mehr folgte, hielten sie sich daran. So gab eine Generation die Rede der Urahnin an die nächste weiter – die Mutter an die Tochter, die Tochter an die Enkelin –, und weil der strenge Blick unseren Haushunden auch heute noch im Nacken sitzt, lässt sich das gleiche Verhalten auch in unserer Wurfkiste beobachten.
Hier lässt sich ansetzen, um die Welpen bereits früh zur Stubenreinheit zu erziehen. Sobald die Welpen sich hochstemmen und einige wacklige Schritte vorwärts tun können, steht auch der Eingang der Wurfkiste offen. Der mit saugfähigem Zellstoff ausgekleidete Löseplatz befindet sich gleich davor und wird von den meisten Welpen schnell angenommen. Von den meisten, weil es in jedem Wurf einen oder auch mehrere Welpen gibt, die dem strengen Blick der Urahnin geschickt auszuweichen wissen – die trotzig darauf beharren, ihren eigenen Kopf durchzusetzen. »Die Wurfkiste muss sauber bleiben«, zischt der Züchter also immer wieder mit Nachdruck durch die zusammengebissenen Zähne, nimmt den Welpen hoch und setzt ihn auf dem Zellstoff ab, »manches muss man nur oft genug wiederholen«. Wo das nicht ausreicht, übernimmt im glücklichsten Fall vielleicht auch einer der übrigen Welpen. Genau das habe ich gestern Abend beobachtet.
Ich sitze mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem Bett, als einer der drei Rüden zu kreiseln beginnt. Kreiseln – das dürfte jedem bekannt sein, der schon einmal einen Welpen beim Aufwachsen begleitet hat – bedeutet zumeist, dass nur noch Augenblicke bleiben, um tätig zu werden, weil der Teppich sonst gleich ein neues Muster hat. Bevor ich aber selbst aufspringen und den Welpen auf den Zellstoff setzen kann, hat sich schon ein anderer Welpe der Sache angenommen. Gezielt drängt er den Rüden, der darüber das Kreiseln vergisst, über den Plastikrahmen hinweg, in dem der Zellstoff spannt, und lässt erst wieder von ihm ab, als der mit verkniffenem Gesicht schließlich den Rücken krümmt. Ich lache. Und denke bei mir, dass mancher den Ruf der Natur – oder besser noch: die strenge Rede der hündischen Urahnin – vielleicht noch ein wenig deutlicher vernimmt.
Wild Horses
Je weiter die vierte Lebenswoche der Welpen voranschreitet – das ist bei diesem Wurf nicht anders, als bei denen, die vorangegangen sind –, desto deutlicher zeichnet sich ab, dass vier Quadratmeter nicht mehr genügen. Gefühlt haben die Welpen bereits jedes Spielzeug hunderte Male von links nach rechts getragen, genauso oft das Körbchen umrundet oder sehnsüchtig die Schnauzen durch das schwarze Gitter gesteckt. Die Ahnung, dass sich dahinter noch eine weitere Welt befindet – eine, aus der die Menschen mit polternden Schritten herangestapft kommen, und in die auch die Mutterhündin nach dem Säugen schnell wieder verschwindet –, hat sich unter den Sechsen binnen weniger Tage zur Gewissheit gewandelt.
Wie wilde Pferde bäumen sie sich hinter dem Gitter auf, üben Trab und Galopp – und während ich am Morgen zwischen den Welpen sitze, beschleicht mich immer wieder das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der Erste sich anschickt, die schwarz eingefasste Hürde in die Freiheit zu nehmen. Es wird also Zeit, ganze ohne Zweifel. Zeit, um das schwarze Gitter abzubrechen, und die Spielzeuge, die aus Langeweile noch einmal mehr von links nach rechts getragen werden, gegen neue einzutauschen. Das Draußen wartet. Und viel Besuch.
Dumm nur, dass die Menschen gerade in Quarantäne sitzen.
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