Wenn man nichts mehr weglassen kann: was Vollkommenheit bedeutet und warum ein gesunder Welpe vielleicht der Inbegriff dessen ist.
Am Sonntagmorgen habe ich im Garten gesessen. Ganz alleine, weil die Hunde es nach dem Spaziergang vorgezogen hatten, die Kühle des Hauses aufzusuchen. Die Sonne stand schräg zu dem alten Schuppen, vor dem ich mir den gepolsterten Gartenstuhl zurechtgerutscht hatte, so dass der Hof von einem langen Schatten zweigeteilt wurde und die heißen Sonnenstrahlen nur die Beete am äußeren Rand entflammten. Über den gelb leuchtenden Blüten des hoch aufragenden Alant schwirrten Bienen, ein Distelfalter hatte sich unauffällig darunter gemischt, und weil selbst die Vögel sich an diesem Morgen anderen Dingen zugewandt zu haben schienen, lag über dem Summen und den stummen Flügelschlägen bloß eine durchdringende Ruhe. »Vollkommenheit«, dachte ich, »braucht nicht viel«.
Wenn ich in den ersten Lebenswochen bei den Welpen sitze, habe ich oft ein ganz ähnliches Gefühl. Das nicht nur, weil mich der Umstand anrührt, wie sorglos dieses Bisschen Leben ist, sondern auch, weil seine Begrenzheit der größtmöglichen Vollkommenheit entspricht. »Vollkommenheit«, hat der bekannte französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry in einem seiner Werke geschrieben, »entsteht offensichtlich nicht dann, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann«. Ein Wesen, das trinkt und schläft und atmet – eines, das nur trinken und schlafen und atmen muss –, und das aus seiner blinden Begrenztheit noch kein Begehren, bloß Zufriedenheit kennt, könnte vielleicht, ganz ohne es zu wissen, der Inbegriff von Vollkommenheit sein.
Das offenbart die Verantwortung, die jeder Züchter trägt. Um vollkommen glücklich zu sein, muss dem Lebewesen, das nach dem Willen und den Fähigkeiten des Züchters entstanden ist, nämlich zuvorderst die Möglichkeit offenstehen, diesen grundlegenden Bedürfnissen – trinken, schlafen und atmen – nachzukommen. Es muss sich schmerzfrei bewegen können, braucht die vollkommene Ausgewogenheit aller körperlichen Belange, um sich harmonisch entwickeln und ein gesundes Verhalten zeigen zu können. Wer züchtet, tut deshalb gut daran, die Besonderheiten der Art vor den Besonderheiten der Rasse zu befriedigen – sich frei zu machen von subjektiven Bewertungen und kurzlebigen Moden, und nicht nur den eigenen Standpunkt, sondern auch globale Entwicklungen immer wieder kritisch zu hinterfragen. »Vollkommenheit«, denke ich deshalb, »braucht keine Übertreibungen, braucht vielmehr den Blick für das Wesentliche, für die Gesundheit und das Wohlbefinden, für das artgerechte Leben selbst«. Kein aber. Und nichts mehr.
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