Die fünfte Trächtigkeitswoche: über sommerliche Hitze und verdiente Abkühlung – und die brennende Liebe einer Hündin zu heißem Beton.
Has high blood pressure got a hold
on me or is this the way love’s supposed to be?
It’s like a heat wave burning in my heart.
Martha Reeves & the Vandellas (1963)
Im Hof steht die Hitze. Seitdem die Sonne am Morgen über den Hügel gekrochen ist, der sich durch die dichten, grünen Kronen der Laubbäume im unteren Garten gerade noch erkennen lässt, hat sich auch das Mauerwerk dahinter mit sommerlicher Glut aufgeladen. Von den vier Hunden ist nur einer auf den Beinen – langsam schleicht Halo einer Raupe hinterher, die unbeirrt über den heißen Beton kriecht –, und auch aus den Bäumen lassen sich sich nur die Stimmen der Elstern vernehmen, die im Geäst zwischen den reifen Kirschen sitzen. Nell hat sich vor Stunden schon in die Kuhle zurückgezogen, die sie am Fuß des alten Zwetschgenbaums ausgehoben hat, und nur dann und wann hebt sie den Kopf, um den Stimmen zu lauschen, die vom Gehweg hinter der Hecke zu ihr herüber wehen. Während jene Zion für gewöhnlich dazu veranlassen, aufgeregt hinter dem Gartenzaun auf und ab zu laufen, spitzt er diesmal bloß müde die Ohren, und verzichtet – mit einem langgezogenen Gähnen – den kühlen Liegeplatz in der Waschküche zu verlassen. Heidi, die bislang mit geschlossenen Augen in der prallen Sonne gelegen hat, ist aber mit einem Mal auf den Beinen. Das Gebell, das sie anstimmt, kaum dass sie den Gartenzaun erreicht hat, hat aber nur wenig mit den Lautäußerungen gemein, die ich sonst von der Hündin kenne. Statt zu bellen lässt sie nämlich ein Gurren vernehmen, das ganz und gar nicht zu ihrer Erscheinung passen will. Lachend rufe ich sie zurück und kurz darauf liegt sie schon wieder zu meinen Füßen, das schwarze Fell glänzt in der Sonne. »Wer es bei den aktuellen Temperaturen nicht vorzieht, im Schatten zu liegen«, sage ich vor mich hin, »der muss zweifelsohne trächtig sein«.
Brennende Liebe zu heissem Beton
Ähnlich wie bei ihren vorangegangenen Würfen, hat sich Heidi in den ersten vier Wochen der Trächtigkeit aber auch diesmal kaum etwas anmerken lassen. Abgesehen von den Zitzen, die sich irgendwann zwischen der dritten und vierten Trächtigkeitswoche aufzurichten begonnen haben, sind die verlässlichen Anzeichen bei ihr wieder einmal ausgeblieben. Statt der Übelkeit und Fressunlust, die sich bei den meisten Hündinnen zum Ende der dritten Trächtigkeitswoche – dem Zeitpunkt der Nidation – bemerkbar macht, ist sie bloß durch die brennende Liebe zum heißen Beton aufgefallen. Und auch den Ausfluss, der – mal glasklar, mal milchig trüb – als sicherstes Zeichen für einen geglückten Deckakt gilt, habe ich erst nach der Bestätigung der Trächtigkeit durch den Ultraschall bemerken dürfen.
Weil es auch am Abend noch immer nicht kühler geworden ist, muss die Abkühlung im Wasser erfolgen. Kurzerhand wird deshalb alles, das vier Pfoten hat, ins Auto gepackt, und zum nächstgelegenen Badesee gefahren. Das kurze Wegstück, das vom Parkplatz auf der Anhöhe bis zum See noch zurückgelegt werden muss, ist schnell bewältigt. Kaum zehn Minuten sind wir gelaufen, als sich die spiegelnde Wasserfläche endlich durch die umstehenden Bäumen erblicken lässt, und kaum einen Augenblick später stehen alle vier Hunde schon klatschnass im seichten Wasser. Während Heidi sich ein wenig abseits hält – ähnlich, wie bei den Spielen der Hunde im heimischen Garten –, scheint es für die Übrigen kein Halten mehr zu geben. Das Wasser spritzt und die Pfoten rudern, mit einem Hechtsprung vom Ufer wird einem vorauseilenden Hund nachgesetzt – und weil selbst die Frösche in den Binsen dem nur Bewunderung entgegenbringen können, ist statt dem Quaken nur noch ausgelassenens Bellen zu hören. »Wenn man sich Heidi so anschaut«, sagt Dirk mit einem Blick auf die Hündin, die sich gerade zurück ans Ufer gekämpft und auf dem schattigen Wiesenweg ausgiebig geschüttelt hat, »dann hat man doch den Eindruck, dass sie schon merklich runder geworden ist«. Ich folge seinem Blick, während ich mit hochgekrempelten Hosenbeinen durch das flache Wasser wate, schüttele dann aber ganz entschieden den Kopf: »Das kann nur täuschen!« Am Morgen erst habe ich den Bauch und die Taille der Hündin vermessen, und die Maße – die ich bei jeder Trächtigkeit wöchentlich nehme – sorgsam aufnotiert. »Einundsechzig Zentimeter am Bauch, vierundfünfzig in der Taille«, gebe ich also zurück, »viel mehr als nasses Fell dürfte hier noch nicht zu erkennen sein«. Und vielleicht, weil es trotz der Abkühlung noch immer zu heiß für hitzige Gespräche ist, folgen keinerlei Einwände darauf.
© Johannes Willwacher