Das Beste hoffen, aber mit dem Schlimmsten rechnen: über mathematische Wahrscheinlichkeiten, die Hüftgelenksdysplasie und die Hundezucht.
Rauf und runter, vor, zurück, es ist alles Mathematik.
2raumwohnung (2002)
Das Drücken in der Magengrube, das sich gleich nach dem Aufwachen bemerkbar macht, erinnert mich an meine Schulzeit. Während ich die Decke zurückschlage und damit beginne, mich aufzurichten, schwirren mir deshalb nicht nur Bruckstücke längst vergessen geglaubter mathematischer Formeln durch den Kopf, sondern fühle ich mich auch gleichermaßen schlecht. Schlecht vorbereitet. »Menschen, die von der Algebra nichts wissen, können sich auch nicht die wunderbaren Dinge vorstellen, zu denen man mit Hilfe der genannten Wissenschaft gelangen kann«, soll Gottfried Wilhelm Leibniz, der deutsche Philosoph und Mathematiker, einst gesagt haben – immerhin daran meine ich mich noch mit ausreichend großer Wahrscheinlichkeit erinnern zu können –, und weil die beschriebene Teilmenge mich auch heute noch einschließt, stelle ich mir stattdessen ganz andere Dinge vor. Kreisradien und Winkel sind es, als ich mir kurz darauf den ersten Kaffee einschenke, und sie bleiben es auch, bis ich am Abend den gepolsterten Stuhl vom Esstisch zurückziehe, um mich zu setzen. Bis es klingelt.
Von den 36.560 Border Collies, die zum gegebenen Zeitpunkt in das Zuchtbuch des Club für britische Hütehunde eingetragen worden sind, sind etwas mehr als 8.400 offiziell geröntgt und ausgewertet worden. Hunde, die ins Ausland verkauft und gegebenenfalls dort ausgewertet worden sind, finden dabei ebenso wenig Berücksichtigung, wie Hunde, bei denen man nach der Röntgenuntersuchung auf eine offizielle Befundung verzichtet hat. Die Zahl der Border Collies, bei denen die Untersuchung auf das Vorliegen einer Hüftgelenksdysplasie keine oder nur leichte Einschränkungen ergeben hat, beläuft sich auf etwa 8.000. Das entspricht beinahe 95%. Während die Wahrscheinlichkeit, einen schlechten Befund zu erhalten, also nicht sonderlich groß ausfallen dürfte, ist mir als Züchter aber doch jedes Mal schlecht, wenn für eine meiner Nachzuchten der Röntgentermin ansteht.
Für Levi (Broadmeadows High Hopes) war es in der vergangenen Woche so weit. Das mag also nicht nur die Gedanken an Kreisradien und Winkel erklären, sondern auch das Drücken in der Magengrube, das mich den ganzen Tag über begleitet hat. Bis zum Abend. Bis es klingelt. Bis ich endlich – erlöst und erleichtert – Daniela gratulieren darf.
Broadmeadows High Hopes, Levi
HD-B, ED 0, OCD frei, LÜW frei
© Johannes Willwacher