Wenn der April macht, was er will, verhagelt das manchem auch die Laune: über bewusste Entscheidungen, Unverbindlichkeit und Border Collies.
One day is fine and next is black.
Should I Stay or Should I Go
The Clash (1981)
»Zwischen zu früh und zu spät liegt immer nur ein Augenblick«, denke ich, als ich den Schuppen aufschließe. Obwohl ich den Griff mit beiden Händen umfasst halte, lässt sich die breite Holztür kaum mehr als zwanzig Zentimeter aufschieben, bevor der Widerstand am Boden sie blockiert. Mit den Stiefeln versuche ich daraufhin, den frisch gefallenen Schnee fortzuschieben, muss aber schließlich die bloßen Hände einsetzen, weil auch das mir nicht gelingt. Für die Hunde, die schon seit einer ganzen Weile ausgelassen durch das Schneetreiben toben, scheint das eine willkommene Einladung zu sein, denn kaum einen Moment später finden sich hinter mir gleich zwei, die ungefragt nach den Schneebällen schnappen. »Schön, dass immerhin euch das nicht stört«, sage ich, als der Spalt endlich groß genug ist, um mich hindurch und in das Halbdunkel des Schuppens zu zwängen. Die Schneeschaufel ist schnell gefunden – auch wenn sie nach dem Winter längst so gut verstaut worden ist, als würde man sie für Monate nicht brauchen –, der Spalt für Mensch und Schaufel trotz aller Bemühungen aber immer noch zu schmal. Am ausgestreckten Arm ragt deshalb daraufhin eine einsame Schaufel aus dem Schuppen, und noch bevor ich derselben folgen kann, erschallt aufgeregtes Gebell von der anderen Seite der Tür. Augenscheinlich hat sich zu den zweien noch ein weiterer Hund gesellt, um die zum Leben erwachte Schneeschaufel zu verbellen, denn als ich um die Ecke luge, lassen sich gleich drei ausmachen – mit hoch erhobener Rute und weit aufgestelltem Nackenfell. »Böse Schaufel«, lasse ich es im tiefsten Basslaut tönen, »und böser April!« Während es im Westerwald nämlich nicht ungewöhnlich ist, dass es im ersten Frühlingsmonat noch einmal schneit, ist die Schneemenge an diesem Morgen aber doch eine böse Überraschung. Und mit dem Gedanken an den Monat, der nicht weiß, was er will, mache ich mich schließlich seufzend daran, den Gehweg zu räumen.
»Man sollte schon wissen, was man will«, sage ich auch tags darauf. Weil mir der Unmut in der Stimme alleine nicht genügt, um der gegenwärtigen Mißstimmung gerecht zu werden, klappe ich auch das Macbook mit Bestimmtheit zu und schiebe es weit von mir, zur gegenüberliegenden Seite des Tisches. Als Dirk kurz darauf an der offenen Tür vorbeikommt, bleibt er stehen und fragt, warum ich so finster dreinblicke. Auf meine Antwort rollt er die Augen. »Dann setz’ doch endlich einen Hinweis auf die Website, dass wir aus besagtem Grund keine Kennenlernbesuche mehr anbieten«, sagt er und schickt sich schon an weiter zu gehen, »wenn es nach jedem zweiten Besuch heißt, dass man nun doch nicht so lange warten und sich schnellstmöglich anderweitig umschauen will, sparen wir uns damit ziemlich viel Zeit«. Ich bleibe zurück, noch immer mit gleichen Miene, muss ihm aber Recht geben: »Die Zeit, die man dafür verschwendet, bekommt man niemals zurück«.
Zig verschiedene Züchter
Woche für Woche beantworte ich zwischen zwanzig und dreißig Welpenanfragen. Bloß auf einen Bruchteil davon – etwa ein Drittel – erhalte ich noch eine Antwort. Etwas besser sieht es bei den Anfragen aus, die telefonisch erfolgen – vielleicht, weil der Kontakt weniger anonym ausfällt, vielleicht aber auch, weil ein Telefonat sich nicht so unverbindlich abwickeln lässt, wie eine Mail, die im gleichen Wortlaut wahllos an zig verschiedene Züchter verschickt werden kann. Unsere freien Wochenenden – solche, an denen keine Hundeausstellungen stattfinden, und solche, an denen niemand arbeiten muss – sind aufgrund der Vielzahl der Anfragen also auch abseits der Welpenzeiten zumeist den Kennenlernbesuchen vorbehalten.
Lange Zeit haben wir das gerne gemacht – haben die Zeit genutzt, um uns immer wieder mit unseren Welpeninteressent*innen auszutauschen, und gemeinsam darauf hinzufiebern, was manchmal noch in weiter Ferne lag. Während die Zeit, die man mit der Aufzucht der Welpen verbringt, sich nämlich nur auf wenige Wochen beschränkt, die viel zu schnell vergangen sind, ist es gerade die Wartezeit, in der man ein Stück weit zusammenwächst. In der ich als Züchter immer wieder bemerken kann, ob sich jemand bewusst für uns und unsere Zucht entschieden hat. Und eine bewusste Entscheidung – seien wir ehrlich – macht es schlussendlich auch viel leichter, einen Welpen herzugeben.
Eine bewusste Entscheidung
Der Gedanke, künftig auf Kennenlernbesuche zu verzichten, ist zweifelsohne als Reaktion auf Tendenzen zu verstehen, die sich im vergangenen Jahr immer deutlicher bemerkbar gemacht haben. Interessent*innen, die sich bei zahllosen Züchtern auf die Wartelisten setzen lassen. Die einen Besuchstermin wahrnehmen und bei Kaffee und Kuchen ihr allergrößtes Interesse bekunden, nur um kaum zwei Wochen später mitzuteilen, dass der gewünschte Welpe schon eingezogen ist. Bei denen sich der Kontakt in Unverbindlichkeit verliert. »Woher soll ich heute wissen, was ich morgen will?«, denke ich bei mir, während ich diese Zeilen schreibe, und: »Unverbindlich bleiben darf nur der April!«
Nicht einmal zwei Tage später ist von dem späten Wintereinbruch schon nichts mehr zu sehen, und statt dem Schnee steht mir nach dem morgendlichen Spaziergang kaltes Regenwasser in den Gummistiefeln. Im Gegensatz zum Wetter hat sich meine Laune aber merklich gebessert, weshalb ich die triefnassen Kleider mit einem Lachen über die Leine werfe und kurz darauf nur in Unterhosen die Treppen hinaufsteige. »Vielleicht muss man gar nicht ganz auf Kennenlernbesuche verzichten«, sage ich zu Dirk, der mit dem Rücken zu mir am Küchentisch sitzt, und aufgrund der unerwarteten Anrede merklich zusammenzuckt, »vielleicht genügt es schon, deutlicher zu kommunizieren«. Zwischen uns lassen drei Hunde ungeduldig ihre Pfoten über die Dielen klappern, immer wieder wandern die Blicke dabei zu den Näpfen, die ineinander gestapelt auf der Anrichte stehen. »Gleich!«, sage ich bestimmt und wiegle die Hunde mit beiden Händen ab. »Was willst du denn deutlicher kommunizieren?«, fragt Dirk, als er sich mir zuwendet, die halbvolle Kaffeetasse in der erhobenen linken Hand. Ich habe derweil die drei Näpfe von der Anrichte genommen und sie nacheinander vor den wartenden Hunden abgestellt. Einen Moment halte ich inne, gebe das Futter aber schließlich auf ein einfaches Kommando hin frei: »Okay!« Die Hunde beginnen zu fressen, nur Dirk schaut mich noch immer mit großen Augen an. »Die eigene Erwartungshaltung, einfach und deutlich«, sage ich, »bei den Hunden klappt das doch auch«. Und nach kurzem Überlegen setze ich noch hinzu: »Natürlich kann ich im Voraus niemandem versprechen, dass die Hündin aufnimmt, der Wurf groß genug und der passende Welpe auch dabei ist, aber wer sich bewusst entscheidet und nicht bloß schnellstmöglich irgendeinen Welpen will, der ist vielleicht auch bereit, das mitzutragen«.
Noch mehr Hunde!
Weil fotografisch in den vergangenen Monaten fast immer Halo und Fate – unsere beiden Jüngsten – im Vordergrund gestanden haben, und ich gerade mit Blick auf unsere Nell, die in diesem Jahr schon ihren dreizehnten Geburtstag feiern wird, immer deutlicher merke, wie kostbar jeder Augenblick ist, durften unsere drei Großen in den vergangenen Wochen auch wieder vermehrt Modell stehen.
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