Unser A-Wurf feiert seinen neunten Geburtstag: über gerahmte Schwarzweißaufnahmen, verblasste Erinnerungen und die Bedeutung von Glück.
Where our eyes are never closing,
hearts are never broken
and time’s forever frozen still.
Photograph, Ed Sheeran (2015)
Früher einmal – lange bevor wir zurück in den Westerwald gezogen sind, und noch länger, bevor der erste Wurf bei uns geboren worden ist – hat der goldene Stuckrahmen, der seit Jahren auf einem schmalen Podest oberhalb der Kellertreppe steht, zusammen mit einer weiß getünchten Hirschbüste in unserem Esszimmer gehangen. Das Bild darin mag damals ein anderes gewesen sein, und auch der Rahmen selbst ein wenig anders ausgesehen haben – weniger bestoßen war er, und auch von den goldenen Verzierungen noch keine abgebrochen –, der Gegenstand selbst hat sich gleichwohl nicht verändert: ein Bilderrahmen bleibt ein Bilderrahmen, auch wenn das Bild samt seiner Bedeutung verblasst.
Eine grobkörnige Schwarzweißaufnahme
Eine grobkörnige Schwarzweißaufnahme – ein kahler Baum, der bei Tauwetter allein auf einer schneebedeckten Wiese stand – hat sich jahrelang in dem Rahmen befunden. Kein gutes Bild, um ehrlich zu sein – aber immerhin eines, das für mich damals eine Bedeutung hatte. Bei welchem Umzug oder in welcher Lebensphase dieselbe verloren gegangen ist, lässt sich rückblickend kaum noch sagen. Allein, dass der Rahmen nach dem letzten Umzug auf dem Podest oberhalb der Kellertreppe gelandet, und zusammen mit jeder ehemaligen Bedeutung eingestaubt ist: täglich ist man von zahllosen Dingen umgeben, von denen man mit der Zeit vergessen hat, welche Bedeutung sie einmal besaßen – und wenn ich mich umschaue, dann ist der goldene Stuckrahmen nur eines davon.
Das rohe, unsaubere Glücksgefühl
Dass ich im vergangenen Jahr auf die Idee kam, die Pinsel und Farben wieder auszupacken, die seit dem Studium ein ähnlich bedeutungsloses Leben gefristet hatten, wie der besagte Stuckrahmen, mag oberflächlich den Umständen geschuldet sein: der Pandemie und dem Zurückgeworfensein auf mich selbst. Wenn man mit dem Fingernagel an der obersten Schicht kratzt, tritt darunter aber vielmehr das Bedürfnis zutage, angestaubten Bedeutungen nachzuspüren. Lou – der mit rohen, unsauberen Pinselstrichen hingeschmierte Welpe – hat deshalb am Ende vielleicht auch aus gutem Grund seinen Weg in den goldenen Stuckrahmen gefunden: weil sich an dem Gefühl – dem rohen, unsauberen Glücksgefühl, das wohl jeder Züchter verspürt, wenn er endlich einen seiner erstgeborenen Welpen in den Händen hält –, auch in hundert Jahren nichts ändern wird. Die Bedeutung von Glück verblasst nie.
Neun Jahre sind seit dem Tag vergangen, als ihr Sechs in meine Hände geboren worden seid. Nicht nur Zion, der bei uns geblieben ist, oder Lou, der Welpe im Rahmen auf der Kellertreppe. Auch Arix und Edda, Gonzo und Liv. An vielen Tagen nehme ich euch vielleicht nur im Vorübergehen, nur aus dem Augenwinkel wahr. Aber heute bleibe ich ein wenig länger auf halber Treppe stehen. Sehe jedes Haar, jeden Pinselstrich. Ich sehe euch. Das Glück.
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