Unser C-Wurf feiert seinen sechsten Geburtstag: über das Hin- und das Wegschauen. Und die Frage, wie viel Gegenwart selbstverständlich ist.
Well, we made a promise,
we swore we’d always remember,
no retreat, baby, no surrender.
Bruce Springsteen (1984)
In unserem Garten stehen zwei mächtige, alte Kirschbäume. An den meisten Tagen geht der Blick beinahe durch sie hindurch: ihre Anwesenheit wird zwar bemerkt, der Anblick vermag es aber nicht, ein Gefühl auszulösen. »Zwei Bäume«, nimmt man im Vorbeigehen zur Kenntnis. Und mehr nicht.
Nur wer sich die Zeit nimmt, um genauer hinzusehen, wird das Moos bemerken, das an den Stämmen emporgekrochen ist. Die Flechten, die wie ein zarter Besatz fast jeden der gewundenen Äste zieren. Oder das Laub, das von Weitem noch frisch und grün wirkt, bei näherem Betrachten aber längst vertrocknet ist.
Vielen mag es mit einem Hund ähnlich ergehen. An den meisten Tagen wird seine Anwesenheit als ganz selbstverständlich hingenommen: man steht auf, füttert ihn und dreht eine Runde, zwischendurch liegt er immer wieder im Weg herum. Das wiederholt sich. Tag für Tag. Und weil man sich fast zu sehr an seine Gegenwart gewöhnt hat, geht auch der Blick immer öfter durch ihn hindurch. Läuft man an ihm vorbei. Um ihn herum. Steigt über ihn hinweg. Fast ohne ein Gefühl auszulösen.
An Geburtstagen ist das anders. Weil Geburtstage einen im besten Fall dazu zwingen, genauer hinzuschauen. Nicht das Moos, sondern die grauen Haare zu bemerken. Nicht die Flechten, sondern den Hinterlauf, der nach dem Aufstehen nun manchmal lahmt. Nicht das Laub, das längst welk und vertrocknet ist, sondern die Zeit, die man viel zu selbstverständlich hat verstreichen lassen.
Ich weiß nicht, wie alt die beiden Kirschbäume sind, die in unserem Garten stehen. Ich weiß nicht, wer sie angepflanzt hat, oder wie viele Menschen sie haben kommen und gehen sehen. Ich weiß aber, dass ich sie an manchen Tagen mit anderen Augen betrachte. Und dass sie meinen Blick erwidern, so verrückt das auch klingt. »Aufmerksamkeit ist das Leben«, hat Goethe vor gut zweihundert Jahren in Wilhelm Meisters Wanderjahre geschrieben. Für einen Hund – für ein so kurzes Leben – sollte vielleicht deshalb jeder Tag wie ein Geburtstag sein.
Lasst euch feiern: Zoe, Finja, Ellie, Fly, Bran, Crazy und Nova.
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