Unser F-Wurf feiert seinen zweiten Geburtstag: ein Versuch, dem Gedanken nachzugehen, was neben den Glückwünschen in jedem Päckchen steckt.
You would cry too, if it happened to you.
It’s My Party, Lesley Gore (1963)
Am Donnerstagmorgen hatte ich mich daran gegeben, die fünf Päckchen zum Geburtstag von Quinn, Fellow, Finn, Molly und Sissi zu packen. Nachdem die Glückwunschkarten geschrieben und in die Umschläge gesteckt, dieselben – dem beinahe ausgetrockneten Kugelschreiber zum Trotz – mit Namen und Adressen beschriftet worden waren, kratzte ich mir nachdenklich am Kopf.
Während der Pandemie aufzuwachsen
»Sollen das wirklich schon zwei Jahre gewesen sein?«, dachte ich. »War es nicht erst gestern, als wir mitten in der Nacht vor dem Gebäude der Geburtshilfe standen, und ungeduldig darauf warteten, von einem der diensthabenden Veterinäre die erlösenden Worte zu hören, dass der Kaiserschnitt geglückt und alle Welpen wohlauf waren?« Zu deutlich schienen mir die Bilder noch zu sein – zu greifbar – so wie die Umschläge, vor mir auf dem Tisch. »Auf der anderen Seite scheint alles, was vor dem letzten Jahr geschehen ist, wie eine Erinnerung an ein früheres Leben«, meldete sich schließlich noch ein zweiter Gedanke zu Wort, »und alles, was sich seit Beginn der Pandemie ereignet hat, scheint kaum in ein Jahr zu passen«.
Im Stockwerk über mir begann es zu rumoren. Die Dielen knarrten, als jemand darüber schritt, und unter lautem Poltern wurde die Schlafzimmertür aufgestoßen. Kurz darauf stolperten zwei Beine die Treppen hinunter, auf die acht Pfoten folgten. »Während der Pandemie aufzuwachsen«, dachte ich noch bei mir, bevor mich die Hunde bestürmten, »wie sehr wirkt sich das wohl aus, auf einen jungen Hund?«
Der Kauf einer neuen Waschmaschine
Erst tags darauf fand ich wieder die Zeit, um an dem Gedanken anzuknüpfen. »Über die Welpen, die aus purer Langeweile angeschafft worden sind – eben jene, die es ohne die Bedingungen der Pandemie gar nicht gäbe –, mag ich keine großen Worte verlieren«, dachte ich, während ich den letzten Schluck lauwarmen Kaffees im Mund hin und her bewegte, »die neuen Besitzer der fünf Welpen haben sich schließlich sehr bewusst für ihr neues Familienmitglied entschieden, und nicht so unüberlegt gehandelt, als würde es dabei bloß um den Kauf einer neuen Waschmaschine gehen«.
Leicht sind die Bedingungen aber auch für diejenigen nicht gewesen, bei denen der verantwortungsvollen Aufgabe, die der Einzug eines Welpen bedeutet, reifliche Überlegungen vorausgegangen sind. »Alles, was eigentlich normal für uns ist«, dachte ich, »alle Besuche in Cafés und Restaurants, alle Menschenansammlungen, alle Kontakte über den eigenen Haushalt hinaus, selbst zu Artgenossen, haben im vergangenen Jahr kaum stattgefunden – und durch das Fehlen von Trainingsmöglichkeiten hat die Pandemie die Situation für den neuen Besitzer noch zusätzlich verschärft«.
Was versäumt ist, bleibt versäumt
Aus einer ohnehin großen Verantwortung ist so eine noch viel größere geworden. Eine, die von jedem Hundebesitzer noch mehr Konsequenz und Weitsicht fordert. Eine, bei der jede Nachlässigkeit in der Erziehung mit noch viel größeren Problemen bestraft wird. »Urlaubsreisen lassen sich verschieben«, dachte ich abschließend, als es auch an diesem Morgen auf der Treppe zu Poltern begann, »was man aber bei der Prägung und Sozialisierung versäumt, das bleibt versäumt«.
Vielleicht gelten die Glückwünsche, die wir kuvertiert zur Post getragen haben, deshalb nicht nur den fünf Hunden, sondern auch den fünf Besitzern. Denen, die es sich nicht zu leicht gemacht, nichts aufgeschoben haben. Die sich ihrem Welpen trotz der Pandemie und der persönlichen Einschränkungen mit vollem Herzen gewidmet und aus diesem – im Großen und Ganzen – einen gesunden jungen Hund gemacht haben. Einen, bei dem es hier und da in der Erziehung vielleicht noch Verbesserungsbedarf gibt. Der die schlechten Seiten der Pandemie aber sehr viel schneller vergessen haben wird, als es bei uns Menschen jemals der Fall sein kann.
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