Die dritte Lebenswoche unserer Border Collie Welpen: über erste Schritte, feuchte Flecken und bittere Pillen, die es gerade zu schlucken gilt.
Erste Schritte
Seit der Geburt der Welpen schon habe ich Dirk in den Ohren gelegen, dass das schwarze Gitter, mit dem das Welpenzimmer in der dritten Lebenswoche in zwei Hälften geteilt werden soll, noch bereitgestellt werden muss. Zu Beginn der dritten Woche aber steht es noch immer in dem Verschlag, in den es Dirk nach dem Auszug der letzten Welpen verfrachtet hat: in der letzten Ecke, hinter einem Reifenstapel, die Schubkarre und der Kugelgrill noch davor. Obschon ich ihn wieder und wieder daran erinnert habe, dass die Welpen mit dem Übergang, der sich zwischen der zweiten und dritten Lebenswoche vollzieht, dringend mehr Raum benötigen: »Du machst das doch noch, oder?« Was letztendlich aber nur beweist, dass mir in unserer Beziehung die Rolle der nervigen Ehefrau zukommt. Egal! Selbstbewusst ans Werk!
Selbstbewusstsein spielt fraglos auch bei den Welpen eine Rolle – im wörtlichsten aller Sinne. Sobald sich die Augen und Ohren zu öffnen beginnen, setzt eine rasante Entwicklung ein: mit jedem Tag werden nicht nur die motorischen Fähigkeiten besser – das Aufrichten wird allein schon durch die Hündin forciert, die zum Säugen nun immer häufiger sitzt, als sich zu legen –, auch die Umgebung wird zunehmend bewusst wahrgenommen. Anfänglich beschränkt sich die Wahrnehmung auf den eigenen Körper – immer wieder lässt sich beobachten, wie die Welpen die eigenen Pfoten betrachten, sie belecken und vorsichtig in die zahnlosen Schnauzen nehmen –, bald schon können aber auch erste zaghafte Interaktionen unter den Geschwistern beobachtet werden. Von da an dauert es nur noch wenige Tage, bis die Wurfkiste zu klein ist. Deshalb: das Gitter.
Am Nachmittag finde ich schließlich die Zeit, um die acht Gitterwände aus ihrer innigen Umarmung zu befreien. Vier davon nehme ich mir mit Lappen und Seifenwasser vor – mehr lassen sich in gerader Linie im Welpenzimmer ohnehin nicht aufstellen –, die Übrigen bleiben draußen. Zurück drinnen hebt ein Welpe den Kopf, als er mich hereinkommen sieht – und lässt die winzige Rute wedeln. »Nur Bewusstsein kann etwas auf dieser Welt verändern«, sage ich und lächle. Etwas sehen, etwas tun. Das ist schon die ganze Geschichte.
Ich war’s nicht!
»Dein Einsatz in allen Ehren«, sage ich der Hündin zugewandt, als ich mich über den Rand der Wurfkiste beuge, »aber kannst du nicht erst einmal die Welpen fertig trinken lassen, bevor du deine hausfraulichen Pflichten erfüllst?« Obschon die Hündin kurz davon ablässt, das gepunktete Vetbed abzulecken, scheint sie mein Einwand nur wenig beeindruckt zu haben: das Großreinemachen geht – der feinen Nase folgend – sogleich in die nächste Runde. Während die Border Collie Welpen nach und nach begreifen, dass die eben erst begonnene Mahlzeit unverhofft Beine bekommen hat, und sich alle Sechs aus Leibeskräften in die Höhe zu stemmen versuchen, widmet sich die Zunge der Hündin also einem zweiten Fleck, der sich kreisrund und feucht in das Fleece gefressen hat. Falls sich jemand fragt: ich war’s nicht!
In den ersten zwei Wochen der Welpenaufzucht wird der Absatz von Kot und Urin durch das Belecken der Hündin angeregt. Selbständig lösen können sich die Welpen noch nicht. Folglich bleibt – weil alle Hinterlassenschaften umgehend von der Hündin aufgenommen werden – auch die Wurfkiste sauber. Im Laufe der dritten Lebenswoche ändert sich das aber: durch die verbesserten motorischen Fähigkeiten gewinnen die Welpen auch zunehmend Kontrolle über Blase und Darm – und nicht selten kann man beobachten, dass sich ein Welpe nach dem Aufwachen erst einmal auffällig streckt. Weil Hunde von Natur aus sehr reinliche Lebewesen sind – auch wenn mancher Artgenosse einen völlig anderen Eindruck erwecken mag –, ist hier wieder die Hündin gefordert, um das Wurflager sauber zu halten. Aber nicht nur die – auch die Welpen selbst suchen schon bewusst nach Wegen, um nicht ins Bett machen zu müssen. Die Lösung? Ein Löseplatz muss her!
Zwei Bögen blau geränderter Zellstoff liegen seit dem Morgen vor dem Zugang der Wurfkiste. Dass die Toilettengänge noch nicht zuverlässig funktionieren, vieles noch eingeübt und verinnerlicht werden will, versteht sich von selbst. Aber schon am Abend fällt mir einer der Welpen auf, der sich aufrappelt, zielsicher auf den Ausgang der Wurfkiste zusteuert und sein Geschäft auf dem Zellstoff verrichtet. Und alle so: Ahh!
Bevorzugt bei Vollmond
Am Mittwochmorgen werde ich schon früh von einem schreienden Welpen geweckt. Als ich das Licht anknipse, sehe ich denselben zwischen dem Bett und dem Hundekörbchen sitzen, die im Gitterauslauf gleich an die Wurfkiste grenzen. Auch die übrigen Welpen heben schläfrig den Blick. »Wenn du schon zu nachtschlafender Zeit alleine Spazieren gehen musst, dann merk’ dir doch den Weg, den du gegangen bist«, wispere ich dem Welpen zu, der sich in meiner Hand sogleich zu beruhigen beginnt. Während sich der Schreihals nur einen Augenblick später schon wieder zum Schlafen zusammengerollt hat, versuche ich vergeblich die Augen zuzudrücken. »Wenn wach, dann wach«, denke ich und stehe missmutig auf. Es ist kurz vor vier.
Während der Welpenzeit ist es nicht ungewöhnlich, dass ich so früh auf den Beinen bin. In den neun Wochen der Welpenaufzucht bekommt wohl kaum ein Züchter den Schlaf, der eigentlich nötig ist. »Aus der Not eine Tugend machen«, meint der Volksmund dazu. Und genau das mache ich dann auch. Mit einem Kaffee in der Hand, dem Macbook auf dem Schoß – und den unendlichen Weiten ungezählter Hundeforen vor mir.
»Wurmlarven vermehren sich bevorzugt bei Vollmond«, lese ich in dem einen. Und dass es sich empfiehlt, »Welpen frühestens in der sechsten Lebenswoche erstmalig zu entwurmen«. Im nächsten Beitrag wird geschildert, wie sich im Handumdrehen natürliche Kräuterpillen herstellen lassen, die dem Hund zwischen zwei Fastentagen zu verabreichen sind. Im Letzten wird schließlich die Wirkung von Kokosöl diskutiert, das auch jungen Welpen schon gegeben werden kann. »Alles andere stört die Entwicklung der oralen Toleranz!« Wütender Smiley, drei Ausrufezeichen.
Unsere Welpen werden zu Beginn der dritten Lebenswoche erstmalig entwurmt. Denn auch wenn die Mutterhündin ihre letzte Wurmkur erst im letzten Drittel der Trächtigkeit bekommen hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Welpen bereits über die Muttermilch infiziert haben. Nur bei nachgewiesenen Befall zu entwurmen, empfiehlt sich bei den Welpen nicht. Die verantwortlichste Wahl bleibt also, ihnen mit der Pipette zu Leibe zu rücken – sonst wird nachts bald aus ganz anderen Gründen geschrien.
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