Border Collie Welpen, 2 Wochen alt
23|03|2021 – Impres­sio­nen aus der Wurfkiste

Die zweite Lebenswoche unserer Border Collie Welpen: von guten Gewichten, früher neurologischer Stimulation und einer Zuchthündin, die auch mal Hund sein darf.

Mein Name ist Grün

»Guten Tag, mein Name ist Grün, und ich habe gera­de mein Gewicht ver­dop­pelt«, las­se ich mit ver­stell­ter Stim­me den Wel­pen sagen, der am Mon­tag­abend vor mir auf der Waa­ge sitzt. Das far­bi­ge Bänd­chen, auf das sich sein Name bezieht, trägt der Wel­pe zwar längst nicht mehr – wie auch schon bei unse­ren vor­an­ge­gan­gen Wür­fen haben wir nach der Geburt nur weni­ge Tage gebraucht, um uns die indi­vi­du­el­len Merk­ma­le ein­prä­gen und auf die Kenn­zeich­nung ver­zich­ten zu kön­nen –, an sei­nem Gewicht ändert das aber wenig. Mehr als 800 Gramm bringt der Rüden­wel­pe am Abend des ach­ten Tages auf die Waa­ge. Dass er nicht der ein­zi­ge ist, der sein Geburts­ge­wicht bereits vor dem plan­mä­ßi­gen zehn­ten Lebens­tag ver­dop­pelt haben wird, bemer­ke ich in der Fol­ge: auch die ande­ren Wel­pen glän­zen mit ähn­lich hohen Gewichten.

Etwa zehn Pro­zent des am Vor­tag ermit­tel­ten Gewichts sol­len es sein, die ein Wel­pe in den ers­ten zehn Tagen beim all­abend­li­chen Wie­gen mehr auf die Waa­ge bringt. Damit das gelingt, müs­sen aber nicht nur die Wel­pen ordent­lich trin­ken, auch die Hün­din muss gut ver­sorgt sein, um den erhöh­ten Ener­gie­be­darf zu decken und die Milch­pro­duk­ti­on nicht sto­cken zu las­sen. Neben der Ent­wick­lung der Wel­pen­ge­wich­te soll­te der Züch­ter des­halb auch immer ein Auge auf die Kon­sti­tu­ti­on der Hün­din haben: mit jedem gebo­re­nen Wel­pen wird der Erhal­tungs­be­darf um grob ein Vier­tel erhöht – bei sechs Wel­pen benö­tigt die säu­gen­de Hün­din zu Anfang also etwa das 2,5-fache der nor­ma­len Futtermenge.

»Die bei­den Rüden lie­gen mit ihren Gewich­ten dicht bei­sam­men«, sage ich zu Dirk, als wir kurz dar­auf beim Abend­essen sit­zen, »auch die Hün­din­nen neh­men sich nicht viel, allein Fräu­lein Gelb ist ein wenig abge­schla­gen«. Die klei­ne Hün­din mit der gleich­mä­ßi­gen, run­den Bles­se hat­te schon bei der Geburt das nied­rigs­te Gewicht auf­ge­wie­sen – und es im Gegen­satz zu ihren Geschwis­tern in der ver­gan­ge­nen Woche oft­mals vor­ge­zo­gen, die eine oder ande­re Mahl­zeit zu ver­schla­fen. »Ich wür­de es auch vor­zie­hen zu schla­fen, wenn ich stän­dig so viel essen müss­te«, sage ich und schie­be den halb­vol­len Tel­ler von mir weg. Ein Zehn­tel mei­nes Kör­per­ge­wichts. Das wären mehr als sie­ben Kilo Nudeln. Jeden Tag.

Super Dog

24|03|2021 – Impres­sio­nen aus der Wurfkiste

Was haben ein Wat­te­stäb­chen, ein Fön und ein Kühl­kis­sen gemein­sam? Nicht viel – so auf den ers­ten Blick. Wenn sie aber neben­ein­an­der vor der Wurf­kis­te lie­gen, offen­bart sich schon die ers­te Gemein­sam­keit: alle drei gehö­ren da nicht hin.

Und genau dar­um geht es mir an die­sem Mor­gen: unse­re sechs Wel­pen mit Rei­zen zu kon­fron­tie­ren, denen sie in die­sem frü­hen Lebens­sta­di­um nor­ma­ler­wei­se nicht aus­ge­setzt sind – dem schnel­len Wech­sel von Wär­me und Käl­te, einem geziel­ten Kit­zeln unter den Pfo­ten, dem Erle­ben von Stress und der dar­auf­fol­gen­den Reak­ti­on. Ziel die­ser Übun­gen ist es, das neu­ro­lo­gi­sche Wachs­tum der Wel­pen sanft zu sti­mu­lie­ren, und ihnen so einen Vor­teil zu ver­schaf­fen, der ihre wei­te­re Ent­wick­lung prä­gen wird: nach wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen zeich­nen sich Hun­de, denen eine frü­he neu­ro­lo­gi­sche Sti­mu­la­ti­on zu Teil gewor­den ist, näm­lich nicht nur durch eine bes­se­re Herz­leis­tung und grö­ße­re Krank­heits­re­sis­tenz aus, sie zei­gen sich auch im All­tag weit weni­ger anfäl­lig für Stress, besit­zen bes­se­re sozia­le Fähig­kei­ten und eine höhe­re Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz. Ich befürch­te, das waren jetzt fast schon zu vie­le Fach­be­grif­fe. Sie kom­men doch noch mit, oder?

Für den ers­ten Teil der sehr kur­zen Übun­gen – kei­nem Reiz soll­ten die Wel­pen län­ger als drei bis fünf Sekun­den aus­ge­setzt sein – genü­gen mir aber mei­ne bei­den Hän­de. In der Hand gehal­ten zu wer­den ken­nen unse­re Wel­pen. Allein schon vom täg­li­chen Wie­gen. Die Übun­gen selbst gehen aber noch einen Schritt wei­ter: indem der Wel­pe nicht bloß in der fla­chen Hand gehal­ten wird, son­dern man ihn lang­sam von der auf­rech­ten Kopf­hal­tung in die Rücken­la­ge über­führt, um ihn schließ­lich mit dem Kopf nach unten zu hal­ten, wer­den sei­ne Neu­ro­nen so rich­tig befeu­ert. Es knallt also in der Wurf­kis­te. Tat­säch­lich aber nur sehr leise.

Nach nicht ein­mal fünf Minu­ten packe ich die Uten­si­li­en wie­der ein – und bin mehr als zufrie­den mit den sechs sehr gelas­se­nen Bor­der Col­lie Wel­pen. Kein Schrei­en, kein Stram­peln. Kei­ne über­mä­ßi­ge Reak­ti­on. »Das soll­tet ihr euch bei­be­hal­ten«, sage ich grin­send zu den Sech­sen. Die aber bekom­men nichts mit. Und schmat­zen schon wieder.

Die Zuchthündin

25|03|2021 – Impres­sio­nen aus der Wurfkiste

Ein Blick auf die Uhr ver­rät mir, dass ich längst an mei­nem Schreib­tisch sit­zen soll­te. Dass ich mich zumin­dest in des­sen Nähe auf­hal­ten müss­te, um im Zwei­fels­fall anwe­send zu sein. Statt­des­sen aber sit­ze ich seit über einer Stun­de in der Wurf­kis­te und muss – wohl oder übel – auch noch län­ger dort sit­zen blei­ben. War­um? Weil Hei­di über dem Säu­gen ein­ge­schla­fen ist – und ihr Kopf in mei­nem Schoß liegt. Auf­ste­hen kann ich also nicht. Und arbei­ten? Nein, genau­so wenig! Im Hin­ter­kopf habe ich mir des­halb schon Aus­re­den zurecht­ge­legt, die sich den Kol­le­gin­nen in der Agen­tur bei Bedarf prä­sen­tie­ren lässt. »Die Wel­pen haben geschrien!« Klingt plau­si­bel, oder? Die bes­te – und ehr­lichs­te – bleibt am Ende aber wohl, dass die Hün­din es zu sehr genos­sen hat, ein­mal nur aus­ru­hen und Hund sein zu dürfen.

»Das ist nun der zwei­te Wurf, den Hei­di auf­zieht«, den­ke ich und streich­le der Hün­din den Kopf. Wäh­rend ich mir sicher bin, dass es noch einen Drit­ten geben wird, steht hin­ter dem Vier­ten aber schon ein gro­ßes Fra­ge­zei­chen. »Neh­me ich ihr damit nicht jedes Mal die Zeit, um ein­fach nur Hund zu sein?« Die Wel­pen haben längst von den Zit­zen der Hün­din abge­las­sen und sich um mei­ne nack­ten Füße ver­teilt. »Eine Hün­din, die fünf Wür­fe auf­zieht, hat zuletzt fast zwei Jah­re ihres Lebens mit der Wel­pen­auf­zucht ver­bracht. Ist das nicht zu viel?«

Der Club für bri­ti­sche Hüte­hun­de beant­wor­tet die Fra­ge zur Häu­fig­keit der Zucht­ver­wen­dung mit dem schwam­mi­gen Hin­weis auf die Kon­di­ti­on der Hün­din – gefolgt von dem Zusatz, dass inner­halb von 24 Mona­ten nicht mehr als zwei Wür­fe fal­len sol­len. Ob ein Züch­ter die Ober­gren­ze bei einer Gesamt­zahl von drei oder fünf Wür­fen zieht – mehr sind bis zum Errei­chen des zuläs­si­gen Höchst­al­ters, bedingt durch den Zyklus der Hün­din, kaum mög­lich –, über­lässt man also der Inter­pre­ta­ti­on. Und die Züch­ter­ethik? Scheint bis­wei­len gedul­dig zu sein.

»Für dich, weni­ger Zeit in der Wurf­kis­te, und für mich, weni­ger Zeit am Schreib­tisch«, sage ich zu der Hün­din, als sie schließ­lich erwacht, »genau das wün­sche ich mir«. Dann klin­gelt das Tele­fon und von zwei Wün­schen bleibt nur einer übrig. Ich muss. Sie nicht!

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