Die siebte Trächtigkeitswoche: über schwerfällige Wurfkisten und schwergewichtige Hündinnen. Und was sich sonst gerade noch bewegt.
Mit geschlossenen Augen liegt Heidi auf dem gerade frisch bezogenen Gästebett, das an der rückwärtigen Wand am Fenster steht, und nur ein gelegentliches Blinzeln lässt erkennen, dass sie noch nicht eingeschlafen ist. Jedes Mal, wenn ein Hammerschlag den Boden des Welpenzimmers beben lässt, beben auch ihre Ohren, und als der Mensch, der mit besagtem Hammer damit befasst ist, die Bodenplatte in die aufrecht vor ihm stehende Wurfkiste zu treiben, schließlich ausruft: »So ein blödes Ding!«, hebt sie kurz den Kopf. »So ein blödes Ding!«, sagt der Mensch also, und legt den Hammer aus der Hand. Kaum mehr als zehn Zentimeter groß ist der Spalt, den es am unteren Ende – dort, wo die drei schwarz lackierten Seitenteile zusammentreffen – noch zu schließen gilt, die Bodenplatte will sich aber nur widerwillig in die metallisch glänzenden Führungsschienen fügen. »Vor neun Jahren«, denkt der Mensch, »vor sieben Würfen und neununddreißig Welpen, ist das noch viel leichter gelungen«. Die Zeit lässt vieles schwerfälliger werden. Nicht nur den Aufbau einer Wurfkiste.
Die siebte Trächtigkeitswoche
Auch Heidi ist im Laufe der siebten Trächtigkeitswoche zusehends schwerfälliger geworden. Bei den Spaziergängen nutzt sie jede Gelegenheit, um sich kurz zu setzen und auszuruhen – eine gute Stunde läuft sie mit den beiden anderen zwar noch mit, die Anstrengung ist ihr aber zweifelsohne anzusehen. Dass sie dankbar für jede Verschnaufpause ist, kommt nicht von ungefähr: zum jetzigen Zeitpunkt wiegt das, was gerade in ihr heranwächst, fast viereinhalb Kilogramm – ihr Bauchumfang misst knapp zweiundsiebzig Zentimeter hinter dem letzten Rippenbogen –, und da gut Dreiviertel des Wachstums der ungeborenen Welpen in das letzte Drittel der Trächtigkeit fallen, ist das Ende noch längst nicht erreicht. Ausreichende Bewegung aber kann ihr nicht schaden – unter der Geburt wird ihrer Kondition noch weit mehr abverlangt werden –, deshalb begleitet sie uns auch weiterhin auf beiden Runden.
Verändert haben wir in der vergangenen Woche allein den Speiseplan, und die Fütterung der Hündin um zusätzliches Protein und Kalzium ergänzt. Die Mittagsmahlzeit aus Quark und Harzer Käse schmeckt nicht nur der Hündin – sie tut auch den Welpen gut, deren bislang knorpelige Skelette in der siebten Trächtigkeitswoche zu verkalken beginnen. Für mich ist das – nach den langen Wochen, in denen sich das ungeborene Leben nur erahnen lässt – immer ein besonderer Moment: unter der Bauchdecke lassen sich die Bewegungen der Welpen mit der flachen Hand nun auch leicht erspüren. Rückschlüsse auf die Wurfstärke lassen sich daraus aber leider trotzdem nicht ziehen. Um die genaue Anzahl der Welpen zu ermitteln, müsste die Hündin nun geröntgt werden – eine meiner Meinung nach vermeidbare Anstrengung, die nur bei zu erwartenden Komplikationen tatsächlich Sinn macht –, wir üben uns also weiter in Geduld und warten ab, was Heidi uns in die Wurfkiste legt.
Die Wurfkiste steht
Mit dem letzten Hammerschlag rutscht die Bodenplatte endlich in die vorgesehene Vertiefung, und verglichen mit der Zeit, die mich der Aufbau bis hierhin gekostet hat, ist das letzte Bauteil schnell montiert. Heidi liegt noch immer auf dem Bett, als ich die Wurfkiste schließlich an ihren Platz zwischen Tür und Fenster schiebe, und bleibt auch liegen, als ich mich mit einem feuchten Lappen daran gebe, den Staub von den schwarzen Siebdruckplatten zu waschen. Ich bin gerade mit den Seitenwänden fertig geworden, als sich Zion an mir vorbei durch den schmalen Eingang schiebt, um sich mit freudig erhobener Rute vor mich zu stellen. »Home sweet Home«, sage ich zu dem Rüden, der vor beinahe neun Jahren zu den ersten Welpen gehört hat, die hier eingezogen sind. Ob er sich an diese ersten Wochen noch erinnern kann? Heidi hat ihre letzten zweifelsohne noch in guter Erinnerung, denn plötzlich steht auch sie neben mir und lugt mit einem Grinsen über den Rand der Wurfkiste. »Bald«, sage ich, und streiche ihr über den Kopf. »Bald«, sage ich, und denke: »Vielleicht noch zwei Wochen«.
© Johannes Willwacher