Eis, Schnee und Border Collies: fünf Geschichten aus unserem Hundealltag. Und warum der Winter unseren Vierbeinern viel mehr zu erzählen hat, als uns.
Der Winter hat keinen eigenen Geruch. Ist ihnen das schon einmal aufgefallen? Während es unseren Nasen gelingt, allen übrigen Jahreszeiten ein bestimmtes Merkmal zuzuschreiben – den Duft von frischem Grün, blühenden Gärten, feuchtem Holz –, suchen wir im Winter vergeblich nach einem Eigengeruch. Natürlich – der Winter riecht nach Tee und Gebäck, nach Kaminfeuer und Gewürzen. Aber wenn wir unsere heimelige Behausung einmal verlassen, wonach riecht er dann? Nach nichts! Es ist beinahe so, als habe sich der Geruchssinn frei genommen – als haben sich Eis und Schnee auch über unsere Geruchslandschaften gelegt. Für unsere Vierbeiner aber – für die fetten, feuchten Nasen, die in Pelzmantelkörpern stecken – ist selbst diese vorübergehende Eiszeit ein olfaktorisches Fest. Zielsicher spüren sie den Geruch von Vergangenem auf. Von verdorrten Waldbeeren und trockenen Blättern, gleich unter dem Weiß. Folgen mit flinkem Schritt dem Versprechen, dass auf das Tauwetter bald der Frühling folgt, lesen aus jeder Schneeflocke schon den Sommer heraus. Wir selbst stehen bloß wortlos daneben – und wundern uns über dieses eigenartige Wesen, das es nie und nimmer lassen kann, mit der Schnauze tief ins Weiß vorzustoßen. Wenn man überlegt, wie viele Geschichten der Schnee unseren Hunden erzählt: dann weiß man warum!
17. Januar 2021
Wenn es darum geht Welpenanfragen zu beantworten, bin ich eigentlich sehr gewissenhaft und schreibe jedem zurück – ganz gleich, wie knapp die Anfrage auch formuliert sein mag. Nicht jedem liegt es, sein Anliegen schriftlich hervorzubringen, und nicht jeder weiß, dass man als Züchter gerne etwas mehr über seine Welpeninteressenten erfährt. Also frage ich nach, wo wesentliche Informationen fehlen. Und nehme mir die Zeit, auf jeden Einzelnen freundlich einzugehen.
Während ich in der Vergangenheit bei vielen Anfragen erkennen konnte, dass man sich im Vorfeld bereits mit uns und unserer Zucht auseinandergesetzt hatte – dass man Namen, Stammbäume und Begebenheiten kannte –, hat sich der Fokus in den vergangenen Monaten allerdings zu einem oberflächlichen »Sehr geehrte Damen und Herren« verschoben. Ein Fokus der mir – ganz ehrlich – gar nicht gefällt. Das nicht, weil »Damen und Herren« unseren Haushalt eher unzutreffend beschreibt (die einzigen Damen besitzen schließlich vier Beine – und weigern sich bis dato hartnäckig, irgendwelche Anfragen zu beantworten). Nein, viel eher, weil sich hinter dieser und den folgenden Zeilen nicht viel mehr als eine Standardmail verbirgt: da hat jemand zwanzig oder dreißig Adressen gesammelt und jedem die gleiche Anfrage zukommen lassen – man muss schon ziemlich blöd sein, um das nicht zu bemerken. Ob ich darauf antworten muss? Ich glaube nicht.
Weil: Freunde werden wir so nicht. Weder Julian und Dick, noch Anne und George. Und auch nicht Timmy, der Hund.
18. Januar 2021
Der 18. Januar 2011 war ein Dienstag. Wie das Wetter an diesem Tag gewesen ist, kann ich nicht sagen, und auch nicht, womit ich den Tag zugebracht habe. Ich weiß allerdings noch, dass ich am Abend desselben Tages einen Umschlag in den Händen hielt, in dem ein postkartengroßes Stück Papier steckte. Eines, auf dem drei maschinengeschriebene Namen aufgeführt waren, von denen jemand zwei mit blauem Kugelschreiber ausgestrichen hatte, und das dem Stempel nach eine Woche zuvor in den besagten Umschlag gesteckt worden war. »Broadmeadows« lautete der Name, der nicht durchgestrichen war. Und auch wenn es von diesem Tag an noch einundzwanzig Monate, drei Wochen und fünf Tage dauern sollte, bis die ersten Welpen in unserer Zuchtstätte geboren werden sollten, feiern wir deshalb heute unseren zehnten Geburtstag.
Ich weiß nicht, wo wir heute stünden, wenn ich mich vor zehn Jahren nicht dazu entschlossen hätte, dem Wunsch nach einer eigenen Zucht nachzugeben. Wenn ich ganz rational entschieden hätte, dem Beruf den Vorrang zu geben, und mein Leben nicht den Hunden unterzuordnen. Fraglos hätte vieles anders ausgesehen – angefangen bei der Entscheidung, Frankfurt hinter uns zu lassen und zugunsten der Hunde zurück auf den Westerwald zu ziehen –, und fraglos hätte ich vieles verpasst. Das Glück, einen neugeborenen Welpen in den Händen zu halten. Das Glück, ihn aufwachsen zu sehen. Das Glück, ihn mit den richtigen Menschen in das richtige Leben zu entlassen. Die richtigen Menschen – überhaupt. Ein Samstagmorgen ohne mindestens zweistündige Telefonate? Ohne das Neueste von diesem oder jenem Hund? Unvorstellbar!
Der 18. Januar 2021 ist ein Montag. Und wir fangen gerade erst an.
20. Januar 2021
Bevor es gestern zu tauen anfing, hat es bei uns erst noch mal geschneit: binnen nicht einmal zwei Stunden sind mehr als zehn Zentimeter Neuschnee gefallen. Weil der Schneepflug sein Übriges dazu getan und vor der Einfahrt noch weitaus höhere Schneemassen aufgetürmt hatte, hieß es nach der Morgenrunde also, die Schneeschaufel in die Hand zu nehmen und dem Regen zuvor zu kommen: nasser Schnee lässt sich nur noch äußerst schlecht bewegen.
Bis hier hin wäre das nun wohl kaum mehr als eine »Aha«-Geschichte gewesen. »Aha« im Sinne von: »Und in China ist ein Sack Reis umgefallen«. Das wäre sie wahrscheinlich auch geblieben, wenn ich im Laufe der nächsten Stunde nicht gleich fünf Mal einen frischen Scheißhaufen auf der Schaufel gehabt hätte – einen in der Garageneinfahrt, einen vor dem Gartentor und gleich drei auf dem angrenzenden Gehweg. Dazu muss ich wohl bemerken, dass unser Haus und Garten an einer stark frequentierten Spaziergehstrecke liegen – und gerade der, noch zu unserem Garten gehörende, schmale Grünstreifen vor dem Zaun für die Spaziergänger, die aus der angrenzenden Siedlung kommen und mit ihrem Hund bloß einmal um den Block laufen, immer ein willkommenes Hundeklo ist. Weil der Grünstreifen selbst nun aber unter mehreren Metern Schnee verschwunden ist – irgendwo muss man mit dem Schnee vom Gehweg ja auch hin –, sieht sich der gemeine Spaziergänger gezwungen, auf andere Löseplätze auszuweichen. Scheißegal, ob ein anderer später mittendrin steht oder nicht. »Feines Kacki!«, und: »Ne Tüte brauchen wir nicht!«
Ich habe die besagten Hinterlassenschaften jetzt auf dem Gehweg aufgereiht – und in jeden einen Zahnstocher mit einem kleinen Fähnchen hineingesteckt. »Danke!« steht auf der einen und »Zum Mitnehmen!« auf der anderen Seite. Wird an der Situation zwar nichts ändern – die dummen Gesichter hinterm Fenster zu beobachten, ist es aber allemal wert.
25. Januar 2021
Derzeit gibt es wohl kaum einen Züchter, der sich darüber beschweren könnte, zu wenige Welpenanfragen zu haben. Bei uns sind es im Schnitt vier bis fünf, die ich täglich – mal mehr, mal weniger ausführlich – beantworten muss. Den Hinweis, dass wir leider keine Anfragen mehr annehmen können und dass auch die Warteliste längst aussichtslos überfüllt ist, übersehen die meisten, wenn sie unsere Website aufrufen. Stattdessen wird nach Welpen gefragt – nach Welpen von Heidi, Ellie und Nell. Und auch von Ida, die bereits im vergangenen Jahr verstorben ist. Feingefühl scheint die Möglichkeiten von manchen genauso zu übersteigen, wie die Fähigkeit, Gelesenes zu verstehen.
Unter den vielen Anfragen indes gibt es einige, die besonders herausstechen. Besonders im Sinne von: Kopf – Tischplatte. Ein Beispiel? Wenn ich mich für einen Border Collie Welpen bewerbe, mich beim Züchter aber erst einmal über die Besonderheiten der Rasse, die Haltungsbedingungen – kurz: den Hund selbst informieren muss, ist ein Border Collie wahrscheinlich die falsche Entscheidung. Noch ein Beispiel? Wenn ich in meiner Bewerbung erwähne, dass ich den Hund bloß spielerisch und ohne die Verpflichtung, etwas lernen zu müssen, auslasten möchte, ist ein Border Collie wahrscheinlich die falsche Entscheidung. Und ein Letztes? Wenn der Familienzuwachs in erster Linie flauschig sein soll, zweifle ich als Züchter doch arg an den Beweggründen des Bewerbers. Kopf – Tischplatte. Oder auch: Danke, aber nein danke!
27. Januar 2021
Darf ich euch ein Geheimnis verraten? Ich weiß genau, wieviel Zeit ihr auf unserer Website verbringt. Und nicht nur das: ich weiß auch, welche Suchbegriffe euch über welche Suchmaschine auf unsere Website geführt haben – und welche Seiten ihr nach eurem ersten Besuch aufgerufen habt. Ein Trackingtool macht das möglich – und auch wenn die Daten so weit anonymisiert werden, dass ich euch nicht nackt am Küchentisch sitzen sehen kann (»Puh!«, sagt ihr), ist es mir doch beinahe in Echtzeit möglich, euer Onlineverhalten nachzuvollziehen. Was mir das bringt, wollt ihr wissen? Nun, abgesehen davon, dass es mir leichter fällt einzuschätzen, wie gut oder schlecht dieser oder jener Content (ja, ich bin vom Fach) funktioniert, und ich die einzelnen Seiten und Beiträge entsprechend zielgerichteter optimieren kann, sind es vor allem die Suchbegriffe, die für mich von Interesse sind. Nach was derzeit am häufigsten gesucht wird? »Wie viel kosten Border Collie Welpen« führt die Liste mit Abstand an. Dahinter folgen die Einträge »Border Collie Zucht für Familie geeignet«, »Zucht von ruhigen Border Collies«, »Hilfe Welpe beißt« und »Welpe wird nicht stubenrein«. »Puh!«, sagt ihr? Das sage ich auch. Weiter unten auf der Liste findet sich übrigens noch ein besonders schöner Eintrag: »Züchter von sich überzeugen«. Ganz ehrlich: wenn man erst Google danach fragen muss, wird das wahrscheinlich nichts!
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