Eis, Schnee und Border Collies: fünf Geschichten aus unserem Hundealltag. Und warum das Warten auf den ersten Schnee wie das Warten auf einen Welpen ist.

Auf den ers­ten Schnee zu war­ten ist ganz ähn­lich, wie das War­ten auf den Ein­zug eines Wel­pen. Bis der gro­ße Tag kommt, schaut man jeden Mor­gen erwar­tungs­voll aus dem Fens­ter – und ist ent­täuscht, weil die ers­ten Flo­cken noch immer nicht gefal­len sind. Wenn es dann end­lich geschneit hat, ist man für weni­ge Tage wie im Rausch. Man merkt zwar, wie anstren­gend die ersehn­ten Spa­zier­gän­ge im Tief­schnee sind, und auch, dass der Win­ter­wind einem kalt ins Gesicht schnei­det – man nimmt es aber gelas­sen hin. Bis nach und nach alle Win­ter­freu­den abge­hakt, alle Schnee­ball­schlach­ten aus­ge­foch­ten und alle Schnee­män­ner gebaut wor­den sind, und sich über­dies auch kaum noch ein Hügel fin­det, den man noch nicht mit lau­tem Gejoh­le hin­un­ter­ge­ro­delt ist. Dann fällt einem plötz­lich der Schnee in der Ein­fahrt auf. Der Schnee auf dem Geh­weg. Und der Schnee auf den Stra­ßen. Dann bemerkt man plötz­lich die Ein­schrän­kun­gen, die das Win­ter­wun­der­land bedeu­tet, und die Anstren­gun­gen, die es einem tag­täg­lich abver­langt. Wer noch nie laut gestöhnt hat, weil er drei­mal täg­lich die Die­len wischen – nein, den Haus­ein­gang frei­schau­feln muss­te, der hat noch kei­nen rich­ti­gen Win­ter erlebt.

Auf den ers­ten Schnee zu war­ten ist ganz ähn­lich, wie das War­ten auf den Ein­zug eines Wel­pen. Das War­ten ist leicht. Das Aus­hal­ten aber entscheidend.

Border Collie Hündin Heidi im ersten Frost auf der Fuchskaute
27|11|2020 – Ers­ter Frost auf der Fuchs­kau­te: Heidi

29. November 2020

Geht’s eigent­lich nur mir so – oder gibt es da drau­ßen noch mehr Men­schen, die von Weih­nachts­lie­dern ver­folgt wer­den, sobald jemand die ers­ten Lich­ter­ket­ten anknipst? Seit­dem die einen Nach­barn in der ver­gan­ge­nen Woche ein gan­zes Rudel auf­blas­ba­rer Schnee­män­ner vor die Haus­tü­re gepflanzt hat und sich am Haus der ande­ren ein Mann im roten Man­tel vom Dach­first abseilt, beglei­tet mich bei den Hun­de­spa­zier­gän­gen die immer glei­che Melo­die: »Sleigh bells ring, are you lis­tening …«! Auch den Hun­den muss das vor­weih­nacht­li­che Gepfei­fe längst auf die Ner­ven gehen. Pfeift der ver­mumm­te Mensch Hund nun zurück – oder nur stumpf­sin­nig vor sich hin? Immer­hin lässt der Frost, der die Höhen­zü­ge des Wes­ter­walds pünkt­lich zum ers­ten Advents­wo­chen­en­de in ein fun­keln­des Win­ter-Wun­der­land ver­wan­delt hat, das Pfei­fen ein biss­chen berech­tigt erschei­nen – zumin­dest dort, wo sich die Son­ne durch den Nebel kämp­fen kann: »A beau­tiful sight, we’re hap­py tonight …«!

Border Collie Hündin im ersten Schnee 2020
28|12|2020 – Mor­gen­run­de auf der Fuchs­kau­te: Nell

29. Dezember 2020

»Wenn es an Hei­lig­abend nicht schneit, dann war­te bis zum zwei­ten Weih­nachts­fei­er­tag«, habe ich zu Dirk gesagt, »dann wer­den ganz bestimmt die ers­ten Flo­cken fal­len«. Undenk­bar, dass es an Idas Geburts­tag nicht schnei­en soll­te – so sehr, wie sie den Schnee zu Leb­zei­ten geliebt hat –, und selbst wenn mir die Vor­stel­lung eines Wei­ße-Wat­te-Wol­ken-Him­mels eigent­lich zuwi­der läuft, habe ich sie vor mei­nem geis­ti­gen Auge längst schon die Feder­bet­ten dort oben aus­schüt­teln sehen. Tags dar­auf schneit es wirk­lich. Dicke, wei­ße Flo­cken. Und ich läch­le, wäh­rend wir mit den Hun­den über das tief ver­schnei­te Feld lau­fen. Neben den Drei­en läuft einer unsicht­bar mit.

Border Collie Rüde rennt durch den Schnee
02|01|2021 – Im Tief­schnee bei Lie­ben­scheid: Zion

3. Januar 2021

Ger­ne heißt es, dass sich Mensch und Hund im Lau­fe der Zeit immer ähn­li­cher wer­den – und zumeist sind es wohl Äußer­lich­kei­ten, an die man dabei denkt. Ich den­ke aber, dass sich ein Blick auf die Ver­hal­tens­wei­sen noch viel eher loh­nen könn­te, und dass der Hund noch viel öfter bestimm­te Cha­rak­ter­zü­ge sei­nes Men­schen teilt. Ein Bei­spiel? Wenn ich Nell beob­ach­te, fällt mir zual­ler­erst die Pedan­te­rie auf, mit der sie ihre Umwelt beur­teilt – mit der alles, was ihr unter­kommt, in Falsch und Rich­tig ein­ge­teilt, und gera­de das Fal­sche ent­spre­chend unnach­gie­big abge­straft wird. »Das darf man nicht!«, wür­de man regel­mä­ßig von ihr hören. Oder auch (ent­ge­gen­kom­men­der frem­der Hund, der uner­laubt in ihren Distanz­ra­di­us ein­dringt, um an ihrem Po zu schnüf­feln): »Das gehört sich aber nicht!« Ähn­lich auf­dring­li­che Spa­zier­gän­ger sind mir selbst zwar noch nicht begeg­net – Grün­de, mich auf­zu­re­gen, fin­de ich aber genug. Gera­de sind es die Kolon­nen orts­frem­der Fahr­zeu­ge, die zwi­schen Fuchs­kau­te und Salz­bur­ger Kopf jeden Feld­weg bela­gern. Die Fami­li­en­clans, die – ohne Abstand, dafür mit Kind, Kegel und Ther­mos­kan­ne – jeden schnee­be­deck­ten Hang hin­un­ter­rut­schen. Die Teen­ager, die mit röh­ren­den Cross-Maschi­nen durch den Schnee im Natur­schutz­ge­biet hei­zen. Ich den­ke, Sie ver­ste­hen schon: jeder bekommt den Hund, den er ver­dient. Und: »Das gehört sich aber nicht! Kei­ner pisst in mein Revier!«

Border Collie Hündin am verschneiten Höllkopf im Westerwald
05|01|2021 – Mär­chen­wald am Höll­kopf: Heidi

5. Januar 2021

Als ich das Auto gegen acht Uhr am Höll­kopf abstel­le, ist der Park­platz noch leer. Bloß der spie­gel­glat­te Grund ver­rät, wie vie­le Schnee­tou­ris­ten hier in den ver­gan­ge­nen Tagen auf­ge­lau­fen sind: bis zu dem Zaun, der den Geh­weg vom still­ge­leg­ten Ski­lift trennt, haben Hun­der­te die Schnee­flä­che zur Eis­bahn poliert. Dazwi­schen sam­meln sich Kaf­fee­be­cher und Ver­pa­ckungs­müll. Und eine Sand­mu­schel – zer­bro­chen – aus gift­grü­nem Plas­tik, die dann wohl doch nicht zum Schlit­ten­fah­ren getaugt hat.

Die Hoff­nung, dass die Sel­fie-Tou­ris­ten nach dem Wochen­en­de zufrie­den­ge­stellt sind, und jeder sei­nen Feed mit den Hash­tags #baby­its­col­dout­side oder #win­ter­won­der­land hat füt­tern kön­nen, bestä­tigt sich lei­der nicht. Als ich gut eine Stun­de spä­ter zum Aus­gangs­punkt unse­res Spa­zier­gangs zurück­keh­re, sind sie alle wie­der da: bereits um halb zehn ist der Park­platz über­füllt – und wo man nicht gera­de ein Schlit­ten berg­an zieht, wird vor dem gezück­ten Han­dy eine Schnee­ball­schlacht insze­niert. »Hast du das Beanie drauf? Mit Logo?«, höre ich jeman­den hin­ter mir schreien.

Hash­tag #hof­fent­licht­auts­bald, den­ke ich. Und: #ich­binauch­bei­schlech­tem­wet­ter­hier

Border Collie Hündin im Schnee bei Waigandshain, Westerwald
09|01|2021 – Abend­son­ne und Schnee: Nell

10. Januar 2021

Nach­dem es in der ver­gan­ge­nen Woche noch ein­mal geschneit hat, bin ich nicht umhin gekom­men und habe – nach­dem der Geh­weg und die Ein­fahrt vom Schnee befreit waren – auch für die Hun­de einen Rund­kurs durch den Gar­ten frei­ge­schau­felt. Dort, wo kein Baum die dicken Flo­cken auf­ge­fan­gen hat, ist mir der Schnee fast bis zum Knie gereicht – der ers­te Gang am Mor­gen hat für die Hun­de also bereits eine sport­li­che Her­aus­for­de­rung bedeu­tet. Einen hal­ben Meter Schnee auf einer Flä­che von fast zwei­tau­send Qua­drat­me­tern zu bewe­gen ist indes nicht weni­ger sport­lich – und das hat mich gleich auf eine Idee gebracht. WINTER WONDERLAND FOR REAL prangt jetzt auf einem Schild am Gar­ten­zaun – und dahin­ter ste­hen die Frei­zeit-Lum­ber­jacks aus dem Flach­land, die noch nie eine Schnee­schau­fel in der Hand gehal­ten haben, Schlan­ge. Glüh­wein gibt’s umsonst. Sel­fies kos­ten extra. Man muss schließ­lich das Bes­te aus der flüch­ti­gen Lie­be zur Natur machen.

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