Spurensuche auf altbekannten Wegen: warum die Entscheidung für einen Border Collie alles und nichts ändert – und was das Spencergesetz sonst noch besagt.
Mr. Sandman bring us a dream,
give him a pair of eyes with a come-hither gleam.
Mr. Sandman, The Chordettes (1954)
»Ein wenig ist es, wie nach Hause zu kommen«, denke ich, als ich am Offenbacher Dreieck den Blinker setze, um die Stadt am Main hinter mir zu lassen und in die entgegengesetzte Richtung abzubiegen. Zu beiden Seiten ist die Straße von dichtem Kiefernwald umgeben, dahinter blitzen immer wieder langgezogene Schneisen auf, die ich nur zu gut kenne: fast drei Jahre haben wir nach dem Ende meines Studiums in Offenbach gelebt, zwei Jahre davon gemeinsam mit Nell. Dass mit Spencer (Broadmeadows Disco Inferno) einer ihrer Enkel sein Zuhause im kaum fünf Minuten entfernten Gravenbruch gefunden hat, mag ein schöner Zufall sein – dass seine Familie aber viel mehr ist, als nur glückliche Fügung, erfahre ich, als ich gemeinsam mit Steffi, Andreas und Saskia an diesem Nachmittag einen Spaziergang durch die zuvor erwähnten Wälder unternehme: auch hier finde ich Spuren, die mir bekannt vorkommen – die mich an meinen eigenen Weg als Hundemensch erinnern. Und trotz der winterlichen Kälte eine Wärme, die wie nach Hause kommen ist.
Das Leben mit Hund besteht nicht nur aus freier Zeit. Wie sieht euer gemeinsamer Alltag aus?
Steffi: Am Morgen erst einmal wach zu werden und den Menschen in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken zu lassen? Undenkbar! Spencer will nach dem Aufstehen am liebsten sofort raus. Also heißt es anziehen, die Jacke überwerfen, den Ball und ein paar Leckerlies in die Taschen stecken, und los. Den Stadtwald haben wir gleich vor der Haustür – und wenn wir nicht alleine unterwegs sind, verabreden wir uns auch gerne mit anderen netten Menschen und Hunden zum gemeinsamen Spaziergang. Zurück zuhause gibt es Frühstück und ich mache mich für die Arbeit fertig.
Saskia: Den übrigen Vormittag verschläft Spencer für gewöhnlich. Grundsätzlich schläft er gerne und viel – beinahe so, wie es die beiden älteren Katzendamen zu tun pflegten, die bis zum letzten Jahr zu unserer Familie gehört haben, von denen er sich viel abgeschaut hat.
Andreas: Wenn der Hund schläft, kommt man im Home Office auch mal zum Arbeiten.
Saskia: Ein wenig Schmusen oder Spielen mag er aber trotzdem, bevor es am Nachmittag auf zur zweiten Runde durch den Stadtwald geht. Danach wird – man ahnt es fast – erst einmal wieder ausgeruht und geschlafen. Im Körbchen, auf der Couch oder im Bett.
Steffi: Wenn ich am Abend nach Hause komme, werde ich dafür umso ausgeruhter begrüßt – wobei mich mitunter das Gefühl beschleicht, dass neben der überschwänglichen Begeisterung immer auch der leise Vorwurf mitschwingt, wo ich denn so lange geblieben bin.
Andreas: Der leise Vorwurf kann manchmal aber auch ein kleines Bisschen lauter sein. Beim anschließenden Familienabendessen ist Spencer natürlich dabei – und weil eines der wichtigsten Spencergesetze besagt, dass man grundsätzlich alles essen kann, wird auch gerne mal probiert.
Saskia: Das wichtigste Spencergesetz besagt aber eigentlich, dass die Hälfte dem Hund gehört …
Steffi: … außer natürlich, es geht um Streicheleinheiten. Dabei bestimmt ausnahmslos er, wo und wie lange diese verteilt werden dürfen. Wenn es richtig gut für mich läuft, ist zwischen der späten Abendrunde, dem Zerrspiel und der erbettelten Mandarine auch noch ein bisschen Quality Time für uns beide drin, bevor es schließlich ins Bett geht.
Inwiefern hat sich dein/euer Leben durch einen Hund verändert?
Steffi: Eigentlich nicht viel und trotzdem immens. Zu den kleinen Veränderungen zählt, dass ich keinen Wecker mehr brauche. Im Sommer werde ich zuverlässig um halb sieben, im Winter um halb acht geweckt. Auch, dass die neue Klamotte immer seltener nach modischem Chic, sondern viel mehr nach Hundealltagstauglichkeit ausgesucht wird, ist dem Vierbeiner zu verdanken.
Andreas: Mit Hund ist man sehr viel aktiver und geht auch bei Wetterbedingungen raus, bei denen man früher viel eher zuhause geblieben wäre.
Steffi: Die größeren Veränderungen sind in der Rasse begründet – in dem Umstand, dass Spencer ein Border Collie ist, und gerne mit Kopf und Körper arbeiten will. Um dem gerecht werden zu können, sind wir Mitglied in einem Hundeverein geworden. Dabei ist es aber nicht geblieben, denn mittlerweile gehöre ich auch selbst zum Trainerstab. Ich trainiere Mensch-Hunde-Teams in der Junghunde- und Erziehungsstunde und bin darüber hinaus auch Trainerin für das Mantrailing. Momentan liebäugele ich damit, eine Ausbildung zur geprüften Hundetrainerin zu machen.
Jemals bereut, dich für einen Border Collie entschieden zu haben?
Steffi: Noch nie – auch wenn es natürlich kleine Macken gibt, die wir als Hundebesitzer verursacht haben. Die Vorzüge überwiegen. Die Aktivität der Rasse wird sicher von den meisten Border Collie Besitzern genannt werden – ich kann aber auch immer wieder eine ausgeprägte Sensibilität gegenüber Menschen und Tieren mit Handicap beobachten. Die nicht aufdringliche Menschenfreundlichkeit, die Arbeitsfreude und Konzentrationsfähigkeit … es wäre leicht, noch hundert andere Dinge aufzulisten, die den Border Collie zu einem großartigen Weggefährten machen. Man darf bei all der Begeisterung für die Rasse aber auch nicht die Arbeit vergessen, die investiert werden muss, um den Hund in seiner Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken. Es braucht viel Zeit, Geduld und liebevolle Konsequenz – und das sollte jedem klar sein, der darüber nachdenkt, ob ein Border Collie der richtige Hund für ihn sein könnte.
Was war euer schönstes gemeinsames Erlebnis?
Saskia: Für mich war das ein winterlicher Spaziergang auf dem Feldberg – gemeinsam mit Spencer durch den Schnee zu toben, das war schön!
Andreas: Die Fortschritte, die er beim Longieren macht, sind immer wieder super anzusehen.
Steffi: Ich kann mich nur schwer entscheiden, weil jeder Tag aus so vielen schönen Erlebnissen besteht. Ein prägendes Erlebnis ist aber vielleicht eines aus seiner Junghundezeit. Wie vielen Hundebesitzern ist es mir anfangs schwergefallen, dem Hund ganz zu vertrauen – und so wie ich damals, neigen wahrscheinlich nicht wenige dazu, gerade dem pubertierenden Hund zu wenig Vertrauen entgegenzubringen. Alle Bedenken über Bord zu werfen und das Pubertier ganz ohne kontrollierende Leine über den Parcours zu führen, hat mir bewiesen, dass er mein Vertrauen verdient – die anderen Junghunde hat er gar nicht beachtet – und ich dafür mit seinem Gehorsam belohnt werde.
Hand aufs Herz: womit geht dein Hund dir am meisten auf den Keks?
Steffi: Das morgendliche Drängeln … das macht er nämlich ausschließlich bei mir.
Saskia: Das aufgeregte Getue, wenn man eine Plastiktüte zusammenknüllt. Er hasst das Geräusch und gibt erst Ruhe, wenn die Ursache im Mülleimer verschwunden ist.
Andreas: Das langwierige Schnüffeln unterwegs …
Was braucht (d)ein Border Collie, um glücklich zu sein?
Steffi: Spencer braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Seine Menschen, einen ausgedehnten Spaziergang am Morgen, sein Futter, ein bisschen Spielen – und ansonsten ganz viel Schlaf.
Wo siehst du euch in fünf Jahren?
Andreas: Das wir und Spencer alle gesund bleiben …
Saskia: … und wir noch viele gemeinsame Abenteuer erleben.
Steffi: Ich wünsche mir ja noch eine kleine Schwester für Spencer. Aber bis der Familienrat darüber einheitlich entschieden hat, darf gerne alles so bleiben, wie es ist.
Nach sieben Jahren hatte ich das Gefühl, dass alle großen und kleinen Geschichten erzählt sind und dass das »Foto des Monats« nach einer neuen Form verlangt. In Zukunft soll es deshalb jeden Monat stattdessen einen Einblick in das Leben einer unserer Nachzuchten geben – einen Hausbesuch, zu dem ich mich selbst mit der Kamera auf den Weg mache, und die Besitzer unserer Nachzuchten über ihre Erfahrungen, ihren Alltag und das Leben mit Hund berichten. Wenn du im nächsten Monat gerne dabei sein möchtest, schreibe einfach eine Mail an info@broadmeadows.de. Was wir an diesem Tag gemeinsam erleben – ob ich euch auf einen Spaziergang, zum Training oder auch zum Stadtbummel begleite – bleibt dir überlassen.
© Johannes Willwacher