Unser B-Wurf – die einzigen Nachkommen unserer Ida – feiert seinen siebten Geburtstag: ein Tag, um das Leben zu feiern – aber auch, um sich zu erinnern.
And Jane came by with a lock of your hair,
she said that you gave it to her,
that night that you planned to go clear.
Famous Blue Raincoat, Leonard Cohen (1971)
Glaubt man den Schätzungen der Statistik, so besitzt jeder Deutsche im Schnitt mindestens 10.000 Dinge – solche, die zweckmäßig, aber bedeutungslos sind, und solche, die sich selbst überdauert, ihren Zweck längst verloren, als Erinnerungsstücke aber ein merkwürdiges Eigenleben entwickelt haben. Ein Eigenleben, weil sie uns beim Betrachten ganze Räume eröffnen. »Die Knöpfe, die Räder, die kleinen vergessenen Schätze, die Fächer, in deren Federn die Liebe ihre Orangenblüten wehte, Gläser, Messer, Scheren – auf allem findet sich, am Griff, am Rand, eine Fingerspur, die Spur einer entrückten, ins vergessenste Vergessen versunkenen Hand (Ode an die Dinge, Pablo Neruda, 1959).« Wie viele solcher Gegenstände finden sich in unseren Häusern und Wohnungen? Wie viele wird jeder von uns in seinen Regalen, Schränken und Schubladen, auf dem Dachboden oder unter dem Bett wiederentdecken, wenn er sich auf Spurensuche begibt?
Da ist ein Cupcake aus Plastik – ein billiges Spielzeug aus Massenproduktion –, das genauso zu meinen wertvollsten Besitztümern gehört, wie der genoppte Ball mit dem aufgedruckten Hundegesicht, oder das Eichhörnchen aus Plüsch, an dem sich noch die Spuren der letzten Zerrspiele finden. Da sind die Leine, das Geschirr und das Halsband, die kein Hund mehr tragen wird, und die noch immer flüsternd am Haken hängen. Und da ist die gerahmte Strähne aus ihrem Fell, mit einer goldenen Kordel zusammengebunden, als letzter Beweis für ein Leben, das auch meines war.
Wenn ich heute morgen ein wenig länger vor dem Regal mit dem Cupcake stehe, der ein halbes Hundeleben lang das Lieblingsspielzeug eurer Mutter gewesen ist, oder seufzend den genoppten Ball durch meine Hände gleiten lasse, den sie noch eine Stunde vor ihrem Tod durch den Garten getragen hat, dann wohl, weil auch ihr – Twix, Joey, Iska, Buddy, Pepper und Beau – ein Beweis dafür seid, dass sie gelebt hat. Der beste, schönste, lebendigste Beweis.
Und deshalb lebt. Lasst keinen Tag ungenutzt verstreichen. Jagd jedem Eichhörnchen, jedem Tannenzapfen, jedem schönen Moment unnachgiebig nach. Taucht eure Schnauze in jede Pfütze, eure Pfoten in jeden Bach. Begegnet jedem Menschen so, als sei er euer allerbester Freund. Lebt, um lebendig zu sein. Eure Mutter hätte es ganz genauso getan.
© Johannes Willwacher