Über das Wochenende haben mit Digger und Ghost zwei weitere Welpen unsere Zuchtstätte verlassen und sich auf den Weg in ihr neues Zuhause gemacht: letzte Worte.
He got that
ambition, baby, look
at his eyes.
Gold Digger, Kanye West (2005)
Liebe Carina,
wenn mir nur ein Wort bliebe, mit dem ich Digger beschreiben sollte, dann würde meine Wahl wahrscheinlich auf den Namen fallen, den er sich in den vergangenen zehn Wochen selbst ausgesucht hat – vielleicht, weil ihm der Klang gefiel, vielleicht aber auch, weil er mit dem Namensgeber noch ein wenig mehr gemein hat, als nur die großen Ohren: Dumbo. Warum? Nun, ganz einfach, weil er so stur wie ein Elefant sein kann. Weil er sich meistens ebenso langsam bewegt. Weil es ihm oftmals gelingt, sich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen von einem Missgeschick in das nächste zu manövrieren. Das hat seinen Grund. Denn, obwohl er sehr genau zu verstehen scheint, was verboten ist und was nicht, übt gerade das Verbotene auf ihn einen viel größeren Reiz aus. Die Welpentoilette benutzen? Dem Rufen des Menschen folgen? Drei Schritte an der Leine laufen, ohne sich gleich zu verweigern? In seiner Erziehung wirst du nicht nur Geduld und viele Wiederholungen brauchen, sondern ihm auch mit liebevoller Konsequenz aufzeigen müssen, dass es nicht immer nach seinem Willen gehen kann. Dass das nicht leicht werden wird, und auch du oft genug auf die Regeln und Gebote pfeifen wirst, die du für euch noch aufstellen musst, scheint mir beinahe gewiss. »Scheißegal, ob das nun ein richtiges Sitz war und ob du mich dabei auch angeschaut hast … wer so süß um ein Leckerchen bettelt, der bekommt natürlich auch eins!« Wie süß und hübsch er ist, hat er nämlich auch selbst längst begriffen, und wird sich – weil ihm das Zeigen und Präsentieren in die Wiege gelegt worden zu sein scheint – ganz sicher gut im Ausstellungsring schlagen. Wenn nicht, dann gibt er sich aber bestimmt auch gerne damit zufrieden, der Mittelpunkt im Kindergarten zu sein, und – ganz langsam, versteht sich – von einer streichelnden Hand zur nächsten zu wandern. Mit Freundlichkeit und Liebe, heißt es, vermag man sogar einen Elefanten an einer dünnen Schnur zu halten. Ich glaube, von beidem hast du mehr als genug.
Shake dreams from
your hair, my pretty child,
my sweet one.
Ghost Song, Jim Morrison w/ The Doors (1978)
Lieber Marcel,
ein Hund für die Rettungshundearbeit sollte es sein – und diesmal bitte einer, dem man das Bellen nicht erst beibringen muss. Mit Ghost – das darf ich nach fast zehn gemeinsamen Wochen behaupten – wirst du genau diesen Hund bekommen, denn wenn der kleine Quälgeist eines wirklich ganz hervorragend kann, dann ist es bellen. Bellen, weil er raus will. Bellen, weil er rein will. Bellen, weil ihm weder das eine, noch das andere tatsächlich gefällt. Gefallen findet er vor allem daran, seinen Menschen um sich zu haben – denn menschenbezogen ist er auf jeden Fall. Er hört aufmerksam zu, wenn man mit ihm spricht – selbst das leiseste Flüstern entgeht ihm nicht –, steht bei jedem Handgriff im Welpenzimmer parat und versucht gerne, denselben später selbständig nachzuvollziehen: »Die Einlagen der Welpentoilette brauchst du übrigens nicht mehr zu wechseln, das habe ich schon selbst gemacht … gleich, nachdem du dich umgedreht und das Zimmer verlassen hast!« Ertappt man ihn dabei, beschwichtigt er umgehend – er ist schließlich ein schlauer, kleiner Kerl. So schlau, dass er spielerisch verinnerlicht hat, dass der erhobene Zeigefinger zwar zweierlei bedeuten kann, man sich in beiden Fällen aber besser setzt. Mit ihm zu arbeiten macht viel Freude – noch mehr, seitdem er begriffen hat, dass sich Konzentration besser belohnen lässt –, und wenn er sich erst einmal ein Leckerchen aus der Hosentasche erschlichen hat, dann bleibt er auch ausdauernd dabei. Mit der gleichen Ausdauer kann er kuscheln und küssen – und weil Körperkontakt für ihn niemals zu eng oder innig ausfallen kann, genießt er seine Streicheleinheiten am liebsten im Schoß seines Menschen und zupft ihm dabei die feinen Haare auf dem Handrücken aus. Laut und leise, einsichtig und rotzfrech, selbständig und führig, anschmiegsam und kratzbürstig. Er kann einfach alles, der kleine Geist. Was bleibt einem da anderes übrig, als pure Be-geist-erung?
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