Was zu sagen bleibt, wenn acht Wochen vergangen sind und sich die Welpen bereit machen, um ihren Weg in die Welt zu finden.
Are you someone out there who’s a little bit like me?
Who knows deep down I’m not where I’m meant to be?
Every day’s a little harder as I feel your power grow.
Don’t you know there’s part of me that longs to go
into the unknown.
Idina Menzel, Frozen II (2019)
»Du, sag’ mal«, fragte einer der Welpen die Hündin, die sich mit wachem Blick an das Gitter des Welpenauslaufs gesetzt hatte, »was ist da eigentlich hinter dem Zaun?« Die Hündin hob den Kopf. »Hinter dem Zaun, da ist die Welt«, sagte sie. Der Welpe trat einen Schritt näher an das Gitter heran, legte erst die eine, dann die andere Pfote auf die Streben, und zog sich langsam daran hoch. »Was ist denn die Welt«, fragte er und machte den Hals noch ein wenig länger, »sind das die Dächer, an denen die Wolken dort drüben nagen?« Die Hündin schüttelte den Kopf. »Die Welt … das ist alles, was du siehst, alles, was du riechen und hören kannst, jeder Weg, dem deine Pfoten folgen, und jeder Weg, den du selbst in die Welt hinein treibst!« Der Welpe kräuselte die Nase. »Wohin führen denn diese Wege?« Die Hündin seufzte. »Das kommt ganz darauf an, was du finden willst!« Der Welpe kniff die Augen zusammen und überlegte eine Weile. »Das Glück will ich finden«, rief er alsbald mit leuchtenden Augen aus. Die Hündin lachte. »Es gibt keinen Weg zum Glück, weil Glücklich sein der Weg ist!« Der Welpe blickte die Hündin verwundert an. »Wenn du glücklich bist«, sagte sie und streckte sich dem Welpen entgegen, »dann ist jeder Weg gut und richtig, ganz egal, wie lang und krumm, wie steinig und beschwerlich er auch ist. Du musst nur etwas finden, das dich glücklich macht.« Der Welpe nickte. »Ein schönen großen Ast, vielleicht?« Wieder lachte die Hündin. »Wie lange hält schon das Glück, einen Ast zu haben, auf dem sich herumkauen lässt?« Der Welpe schwieg nachdenklich, fand aber selbst keine Antwort darauf. »Das größte Glück ist, einen Menschen zu finden, für den du die Welt sein darfst«, sagte die Hündin endlich. »Ich … ich kann auch die Welt sein?«, gab der Welpe verdutzt zurück. »Für den einen Menschen, der für dich bestimmt ist, kannst du das«, sagte die Hündin und leckte dem Welpen sanft über die Lefzen. »Und wo finde ich den?« Die Hündin richtete sich auf und ließ ihren Blick lange über die vertrauten Pfade schweifen, über den Garten und die Wiesen dahinter, über alles, das ganz vom morgendlichen Glanz erfüllt zu sein schien, und schließlich sagte sie: »Irgendwo hinter dem Gartenzaun wartet er schon auf dich«.
Acht Wochen sind seit der Geburt unserer sechs Border Collie Welpen vergangen – und auch wenn in den kommenden Tagen noch dieses und jenes erledigt, manch ein Tierarzt besucht und der Wurf ein zweites Mal abgenommen werden muss, sitzen unsere Welpen doch bereits auf gepackten Koffern. Am kommenden Wochenende schon sollen uns die Ersten verlassen – und sich mit den Menschen, für die sie bestimmt sind, auf den Weg in die Welt hinaus machen. Um deren Welt zu werden. Um glücklich zu sein.
© Johannes Willwacher