Unser A-Wurf feiert seinen siebten Geburtstag: über das Erinnern und Vergessen – und alles Gute, das dazwischen liegt.
Wer sich des Guten nicht erinnert, hofft nicht.
Goethe
»Natürlich bist du da schon einmal gewesen«, sage ich zu Dirk und lasse die Augen rollen, »ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die Wildkirsche geblüht hat, und du an einer Weggabelung mit den Hunden vorausgelaufen bist, während ich die Kamera gezückt und darüber die Zeit vergessen habe«. Das Fragezeichen zwischen seinen Brauen sieht das anders. »Nein, da war ich noch nie«, lautet deshalb auch die Antwort. »Es muss März, vielleicht schon April gewesen sein«, versuche ich ihn erneut auf die richtige Fährte zu setzen, »du hattest eine graue Regenjacke an und bist am Ende des Spaziergangs am Hang ausgerutscht«. Wieder schüttelt er den Kopf. »Ich erinnere mich an nichts«, sagt er und wischt sich das Fragezeichen mit dem Handrücken von der Stirn. Kurz bin ich versucht, noch ein wenig tiefer in der halb offenen Gedankenkiste zu kramen, belasse es aber schlussendlich dabei, schwer auszuatmen und die Achseln zu zucken. »Genau das ist der Punkt!«
Ich bilde mir gerne ein, dass es mich nur wenig Mühe kostet, diese oder jene Erinnerung aus der besagten Gedankenkiste zu ziehen – dass alles, was ich gesehen und erlebt habe, dort sorgfältig abgelegt ist und ich jederzeit verlässlich darauf zugreifen kann. Das Abbild des Erlebten mag mit der Zeit zwar knittrig geworden und an den Rändern ausgefranst sein, es erlaubt mir aber auch noch nach Jahren jeder Einzelheit nachzuspüren: Gesprächen, die beiläufig geführt worden sind, Gegebenheiten, die sich sehen, hören oder riechen ließen – oder ganz einfach dem Wetter. Man könnte also sagen, dass ich kaum etwas vergesse, mich immer an alles und mehr erinnern kann. Vielleicht hat es mich gerade deshalb so hart getroffen, als mir heute morgen einfiel, dass ich euch – euren Geburtstag – vergessen hatte.
Sieben Jahre sind vergangen, seit der kalten Novembernacht, als ihr Sechs in meine Hände geboren worden seid. Sieben Jahre, in denen ihr vieles gesehen, vieles erlebt, und manches Mal wieder meinen Weg gekreuzt habt. Wie viel hat sich in diesen sieben Jahren verändert? Und wie viel davon findet bei euch seinen Grund? Vielleicht hoffe ich deshalb, dass irgendwo ganz tief in eurer eigenen Gedankenkiste dann und wann die Erinnerung an euer erstes Zuhause, an die acht Wochen Liebe und Fürsorge, an die allerersten Schritte aufblitzt, die ihr in diesem Leben machen durftet. Was gut war, das vergisst man nämlich nie. Und gut, das ward – nein –, das seid ihr!
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