5 Wochen alter Border Collie Welpe in einem Weidenkörbchen
05|11|2019 – Broad­me­a­dows Grace Kelly

Über Welpen, Hoffnungen und Träume – und warum man als Züchter niemals alle erfüllen, niemals für jeden gut entscheiden kann.

»Mit Wel­pen­an­fra­gen ist das so eine Sache«, den­ke ich bei mir, als ich am frü­hen Sonn­tag­mor­gen auf den sti­li­sier­ten Brief­um­schlag in der obe­ren, lin­ken Ecke des Mail­pro­gramms kli­cke und sich das Post­fach nach und nach zu fül­len beginnt, »hat man kei­ne, ist das schlecht, und hat man zu vie­le, ist das auch nicht bes­ser«. Zöger­lich öff­ne ich also die ers­te Nach­richt, über­flie­ge die knapp zwan­zig Zei­len, möch­te die Mail aber schon nach der Vor­stel­lung gar nicht mehr zu Ende lesen. Nicht etwa, weil mir das Geschrie­be­ne nicht gefällt – ganz im Gegen­teil –, viel eher ist es so, dass ich zum gege­be­nen Zeit­punkt bereits weiß, dass mei­ne Ant­wort nur noch ent­täu­schen kann: »Es tut mir sehr leid!«

Wer das Tun eines Züch­ters beschrei­ben will, wird sich zumeist wohl damit begnü­gen, sich auf die Zucht selbst zu beschrän­ken. Zu sagen, dass ein Züch­ter ein Mensch ist, der einen oder meh­re­re Hun­de besitzt, sich bestimm­te Kennt­nis­se ange­eig­net hat, und der von Zeit zu Zeit jun­ge Hun­de ver­kauft. Damit läge er nicht falsch, hät­te aber doch über­se­hen, dass ein jun­ger Hund für den, der ihn in sein Leben lässt, noch viel mehr bedeu­tet. Er ist ein Wunsch, ein Traum, eine Hoff­nung. Damit wächst nicht nur die Ver­ant­wor­tung, die der Züch­ter zeit­le­bens zu tra­gen hat, son­dern frag­los auch der Druck, dem er sich schon wäh­rend der ers­ten Wochen der Wel­pen­auf­zucht aus­ge­setzt fühlt: wo zu vie­le Anfra­gen auf zu weni­ge Wel­pen kom­men, wer­den die Hoff­nun­gen und Träu­me von vie­len ent­täuscht wer­den – wird der Züch­ter weit mehr Kör­be, als Körb­chen ver­tei­len müssen.

Ich zie­he die Hän­de von der Tas­ta­tur zurück und star­re mit lee­rem Blick auf das wei­ße Fens­ter, das den Bild­schirm bei­na­he ganz aus­füllt. Für einen kur­zen Moment möch­te ich vom Schreib­tisch auf­ste­hen, mich umdre­hen und das Zim­mer ver­las­sen, nicht mehr dar­über nach­den­ken, dass ich in der kom­men­den Woche noch vie­le sol­cher Absa­gen ver­fas­sen, noch vie­le Träu­me plat­zen las­sen muss. Dann gebe ich mich aber doch dar­an, die letz­te Mail zu beant­wor­ten – schrei­be, dass es bereits lan­ge vor der Geburt weit mehr Anfra­gen gab, als Wel­pen gebo­ren wur­den, dass bis zu unse­rem nächs­ten Wurf wohl min­des­tens zwei Jah­re ins Land gehen wer­den, und schließ­lich: »Es tut mir sehr leid!«

Mit­leid und Bedau­ern sind aber nicht die ein­zi­gen Gefüh­le, die mit der vier­ten und fünf­ten Woche der Wel­pen­auf­zucht ver­bun­den sind – und ganz bestimmt nicht die ent­schei­den­den: wo Hoff­nun­gen und Träu­me in Erfül­lung gehen, über­wiegt immer die Freu­de. Und ich den­ke, ich ver­ra­te nicht zu viel, wenn ich sage, dass ich in den letz­ten Wochen in vie­le freu­di­ge Gesich­ter geblickt, für jeden Wel­pen sei­nen Men­schen, sei­ne Fami­lie, sein Zuhau­se gefun­den habe. Sein Körb­chen, wenn man so will.

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