Border Collie Welpe wird auf dem Arm gehalten
01|07|2019 – Finn mit Uta

Kein Welpe ist wie der andere – und nicht nur der Züchter schaut sich jeden Welpen anders an: über zukünftige Welpenbesitzer, Wesensmerkmale und die Frage, was aus diesem oder jenem einmal wird.

Für Uta und Axel

»Wel­cher is‘ denn nu‘ unser’«, sagt der Mann in der grü­nen Arbeits­latz­ho­se, der vorn­über­ge­beugt über das Git­ter des Wel­pen­aus­laufs schaut, »die sehen für mich alle noch so gleich aus«. Die klei­ne blon­de Frau, die bar­fuß zwi­schen den Wel­pen sitzt, lacht kurz auf, muss sich aber auch sicht­lich anstren­gen, um auf den rich­ti­gen Wel­pen zu zei­gen: »Das hier ist unser Schei­ßer­chen«. Ich ste­he stumm dane­ben und schütt­le kaum merk­lich den Kopf, ver­zich­te aber auch dies­mal dar­auf, den Feh­ler zu kor­ri­gie­ren und dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Wel­pe, auf den der aus­ge­streck­te Zei­ge­fin­ger weist, eigent­lich eine Hün­din ist. »Das ist aber auch schwer, wenn es so um einen her­um wuselt«, sage ich schließ­lich, »da ist ein Wel­pe wie der ande­re … und alle zusam­men sind manch­mal zu viel«.

Wenn alles gut läuft – kein Wel­pe erkrankt und kei­ne unvor­her­seh­ba­ren Ereig­nis­se den Blick auf den Ein­zel­nen zwin­gen –, begreift man einen Wel­pen wäh­rend der Auf­zucht wohl eher sel­ten als Ein­zel­in­di­vi­du­um. Meis­tens sind es die Wel­pen, die Mehr­zahl, von der man spricht. Die Mehr­zahl hat zwar tat­säch­lich ähn­li­che Bedürf­nis­se – will gefüt­tert, gepflegt und gestrei­chelt wer­den –, den­noch bringt auch jeder ein­zel­ne Wel­pe bestimm­te Beson­der­hei­ten mit, auf die vom Züch­ter ein­ge­gan­gen wer­den muss. Ich bin des­halb irgend­wann dazu über­ge­gan­gen, jeden Wel­pen los­ge­löst von sei­nen Geschwis­tern zu betrach­ten – nicht nur sein Ver­hal­ten in der Grup­pe zu beur­tei­len, son­dern auch zu schau­en, wie er sich ver­hält, wenn er nur mich als Bezugs­per­son hat. Schließt er sich mir an? Erkun­det er auf eige­ne Faust die Umge­bung? Ist er ängst­lich, ver­hal­ten oder neu­gie­rig? Schreckt er vor Unbe­kann­tem zurück und flüch­tet, mei­det und igno­riert er – oder geht er mutig dar­auf zu?

Border Collie Welpe mit zwei Frauen
06|07|2019 – Fel­low mit Susan­ne und Andrea

Es sind aber nicht bloß bestimm­te Wesens­merk­ma­le, die sich allei­ne viel bes­ser beob­ach­ten las­sen. Bei den Erkun­dungs­spa­zier­gän­gen, die ich mit den Wel­pen abseits der Besuchs­zei­ten im wild wuchern­den, unte­ren Gar­ten unter­neh­me, fal­len mir auch immer wie­der ande­re Eigen­hei­ten auf, die sich in der Ent­wick­lung des Wel­pen för­dern und in sei­ner spä­te­ren Aus­bil­dung nut­zen las­sen kön­nen. Wäh­rend der eine Wel­pe (allen vor­an die bei­den Rüden – Finn und Quinn) mit der Nase maß­geb­lich am Boden klebt und den unbe­kann­ten Gerü­chen folgt, klaubt ein ande­rer (Mol­ly und Sis­si) lie­ber wel­kes Laub und Hölz­chen auf, um sie stolz zu mir zu brin­gen – und ein Drit­ter (das wäre dann wohl Fel­low) sitzt mit gespann­tem Blick vor mir, war­tet ab, um mir schließ­lich die aus­ge­streck­te Pfo­te zuzu­wer­fen. Ob man hier schon von einer grund­sätz­li­chen Ver­an­la­gung, von einer Eig­nung für die­se oder jene Dis­zi­plin spre­chen darf? Ich glau­be, das geht noch zu weit. Auf jeden Fall aber sind es Din­ge, die von den neu­en Besit­zern gezielt genutzt wer­den kön­nen – und Din­ge, die jeden Wel­pen für mich ein­zig­ar­tig machen.

Die blon­de Frau hat ihren Feh­ler mitt­ler­wei­le von ganz allei­ne ein­ge­se­hen und schickt sich nun mit eini­gen – mehr oder weni­ger geschick­ten – Hand­grif­fen an, den Wel­pen kor­rekt vor sich hin­zu­stel­len: hier wird ein Bein ange­ho­ben, das ande­re wei­ter her­aus gestellt, dort noch ein wenig gezup­pelt. Der Wel­pe steht. Kri­tisch wan­dert der Blick der blon­den Frau auf und ab – der Mann in der grü­nen Arbeits­latz­ho­se tut es ihr hin­ter dem Zaun gleich –, dann folgt ein zufrie­de­nes Grin­sen und die Fest­stel­lung, dass man schon vie­le schlech­te­re Win­kel gese­hen hat. »Und is‘ des der nächs­te Cham­pi­on?«, will die Latz­ho­se in aller­schöns­tem Hes­sisch wis­sen. Ich über­le­ge kurz, ob ich dar­auf reagie­ren und ein­wen­den soll, dass sich das so früh weder erken­nen, noch garan­tie­ren lässt, las­se es aber schluss­end­lich dabei bewen­den. Statt­des­sen grin­se auch ich. Wie schön es ist, sol­che Wel­pen­leu­te zu haben.

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