Kein Welpe ist wie der andere – und nicht nur der Züchter schaut sich jeden Welpen anders an: über zukünftige Welpenbesitzer, Wesensmerkmale und die Frage, was aus diesem oder jenem einmal wird.
Für Uta und Axel
»Welcher is‘ denn nu‘ unser’«, sagt der Mann in der grünen Arbeitslatzhose, der vornübergebeugt über das Gitter des Welpenauslaufs schaut, »die sehen für mich alle noch so gleich aus«. Die kleine blonde Frau, die barfuß zwischen den Welpen sitzt, lacht kurz auf, muss sich aber auch sichtlich anstrengen, um auf den richtigen Welpen zu zeigen: »Das hier ist unser Scheißerchen«. Ich stehe stumm daneben und schüttle kaum merklich den Kopf, verzichte aber auch diesmal darauf, den Fehler zu korrigieren und darauf hinzuweisen, dass der Welpe, auf den der ausgestreckte Zeigefinger weist, eigentlich eine Hündin ist. »Das ist aber auch schwer, wenn es so um einen herum wuselt«, sage ich schließlich, »da ist ein Welpe wie der andere … und alle zusammen sind manchmal zu viel«.
Wenn alles gut läuft – kein Welpe erkrankt und keine unvorhersehbaren Ereignisse den Blick auf den Einzelnen zwingen –, begreift man einen Welpen während der Aufzucht wohl eher selten als Einzelindividuum. Meistens sind es die Welpen, die Mehrzahl, von der man spricht. Die Mehrzahl hat zwar tatsächlich ähnliche Bedürfnisse – will gefüttert, gepflegt und gestreichelt werden –, dennoch bringt auch jeder einzelne Welpe bestimmte Besonderheiten mit, auf die vom Züchter eingegangen werden muss. Ich bin deshalb irgendwann dazu übergegangen, jeden Welpen losgelöst von seinen Geschwistern zu betrachten – nicht nur sein Verhalten in der Gruppe zu beurteilen, sondern auch zu schauen, wie er sich verhält, wenn er nur mich als Bezugsperson hat. Schließt er sich mir an? Erkundet er auf eigene Faust die Umgebung? Ist er ängstlich, verhalten oder neugierig? Schreckt er vor Unbekanntem zurück und flüchtet, meidet und ignoriert er – oder geht er mutig darauf zu?
Es sind aber nicht bloß bestimmte Wesensmerkmale, die sich alleine viel besser beobachten lassen. Bei den Erkundungsspaziergängen, die ich mit den Welpen abseits der Besuchszeiten im wild wuchernden, unteren Garten unternehme, fallen mir auch immer wieder andere Eigenheiten auf, die sich in der Entwicklung des Welpen fördern und in seiner späteren Ausbildung nutzen lassen können. Während der eine Welpe (allen voran die beiden Rüden – Finn und Quinn) mit der Nase maßgeblich am Boden klebt und den unbekannten Gerüchen folgt, klaubt ein anderer (Molly und Sissi) lieber welkes Laub und Hölzchen auf, um sie stolz zu mir zu bringen – und ein Dritter (das wäre dann wohl Fellow) sitzt mit gespanntem Blick vor mir, wartet ab, um mir schließlich die ausgestreckte Pfote zuzuwerfen. Ob man hier schon von einer grundsätzlichen Veranlagung, von einer Eignung für diese oder jene Disziplin sprechen darf? Ich glaube, das geht noch zu weit. Auf jeden Fall aber sind es Dinge, die von den neuen Besitzern gezielt genutzt werden können – und Dinge, die jeden Welpen für mich einzigartig machen.
Die blonde Frau hat ihren Fehler mittlerweile von ganz alleine eingesehen und schickt sich nun mit einigen – mehr oder weniger geschickten – Handgriffen an, den Welpen korrekt vor sich hinzustellen: hier wird ein Bein angehoben, das andere weiter heraus gestellt, dort noch ein wenig gezuppelt. Der Welpe steht. Kritisch wandert der Blick der blonden Frau auf und ab – der Mann in der grünen Arbeitslatzhose tut es ihr hinter dem Zaun gleich –, dann folgt ein zufriedenes Grinsen und die Feststellung, dass man schon viele schlechtere Winkel gesehen hat. »Und is‘ des der nächste Champion?«, will die Latzhose in allerschönstem Hessisch wissen. Ich überlege kurz, ob ich darauf reagieren und einwenden soll, dass sich das so früh weder erkennen, noch garantieren lässt, lasse es aber schlussendlich dabei bewenden. Stattdessen grinse auch ich. Wie schön es ist, solche Welpenleute zu haben.
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