Was macht eine gute Sozialisierung und Prägung aus? Über die Arbeit des Züchters und der Mutterhündin – und die des übrigen Hunderudels.
Wo sich zwei Hundebesitzer unterhalten, wird früher oder später immer die Sprache darauf kommen, welche Anforderungen man an einen Züchter, an eine gute Aufzucht stellt. Bei Letzterem wird ganz sicher die Kondition der Mutterhündin angesprochen werden – in welchem Zustand sie selbst ist und wie sorgsam sie sich um ihre Welpen kümmert –, außerdem vielleicht die Sauberkeit der Zuchtstätte, wieviel Zeit der Züchter täglich bei seinen Welpen verbringt oder auch die Aktivitäten, die er mit den Welpen im Rahmen der Prägung unternimmt. Gerade letztere sind für viele Welpenkäufer von allergrößter Bedeutung – man möchte schließlich keinen Hund aufnehmen, der seine ersten Lebenswochen ausschließlich in einem dunklen Verschlag verbracht, nichts kennengelernt und Angst vor allem Fremden hat. Die wenigsten Welpeninteressenten werden aber in Frage stellen, wie es um das Rudel des Züchters bestellt ist: wie stark die übrigen Hunde in die Aufzucht einbezogen werden, welche Aufgaben die Jungen und die Alten bei der Erziehung übernehmen. Ein Hunderudel, das in Harmonie zusammenlebt – das sich im wahrsten Sinne des Wortes gesund verhält –, liefert aber einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Sozialisierung der Welpen. Etwas, das der Mutterhündin – gerade wenn sie unerfahren oder mit der Aufzucht überlastet ist – alleine nur schwer gelingen kann.
Ich habe gerade den Boden im Welpenzimmer feucht gewischt, den Lappen ausgewrungen und den Scheuerbesen im schmalen Durchgang abgestellt, als ich es auf der Treppe hinter mir poltern höre. Nacheinander kommen drei Hunde herunter gerannt und recken neugierig die Nasen in die Luft – um den Geruch abzumildern, den die Nacht im Welpenzimmer hinterlassen hat, stehen beide Fenster seit einer Stunde weit offen und kühle Morgenluft weht hinein. Ich streiche jedem der Hunde kurz über den Kopf, hole mir von der Jüngsten mein allmorgendliches Küsschen ab, dann sind sie auch schon an mir vorbei und stehen ratlos hinter dem Gitter: die Welpen sind weg.
»Die Welpen sind schon im Garten«, rufe ich die Treppe hinauf nach oben, von wo mir ein mürrisches »Mmh« und das Poltern schlafwandelnder Schritte entgegenschallt: während ich seit fünf Uhr auf den Beinen bin, ist Dirk gerade erst aufgestanden – der vierte Hund, Zion, tut es ihm gleich. Achselzuckend nehme ich den Eimer, der noch voll und mit blassbrauner Schaumkrone zwischen den Hunden und mir im Durchgang steht, schlüpfe mit den nackten Füßen zurück in die Hausschuhe, die eben dort vor einer Stunde abgestreift worden sind, und bugsiere mich, den Eimer und alle drei Hunde mit Nachdruck nach draußen.
Ellie ist die erste, die über das niedrige Türgitter in den Welpenauslauf springt. Die beiden anderen Hündinnen halte ich bewusst noch zurück, um der Mutterhündin genügend Zeit für die Begrüßung, das Säugen und die Pflege ihrer Welpen zu geben. Als sich nach kurzer Zeit ein Welpe nach dem anderen von den Zitzen der Hündin löst – die erste Mahlzeit des Tages liegt kaum zwei Stunden zurück, der Hunger kann also nicht sonderlich groß gewesen sein –, springen auf mein Zeichen aber schließlich auch die junge und die alte Hündin zu den Welpen hinein. Während Heidi die Welpen freudig begrüßt und mit Zweien sofort übermütig zu spielen beginnt, zeigt sich Ida deutlich zurückhaltender, lässt mehr Raum zu den Welpen und zeigt auch die Zähne, wenn ihr einer unaufgefordert zu nahe kommt. Bei beiden beobachte ich verschiedenste hündische Ausdrucksformen, bei beiden fallen mir unterschiedlichste Herangehensweisen auf, um auf ein Fehlverhalten hinzuweisen oder jenes sanft zu reglementieren. »Sowohl das eine, als auch das andere müssen die Welpen lernen«, denke ich währenddessen bei mir, »was beim Spielen erlaubt ist und was das Zusammenleben regelt«. Und bin in diesem Moment richtig stolz auf die Drei, die sich so wunderbar ergänzen.
Wer sich fragt, wo unsere Nell in der Erzählung bleibt: Nell macht Urlaub bei Dennis und Melanie, den Besitzern von Ellie. Da Mutter und Tochter in unserem Haushalt ganz offensichtlich zu viel Stress miteinander hatten und eine ständige Anspannung nicht förderlich für die Mutterhündin und die Welpen sein kann, haben wir uns bei Ellies Einzug zusammen für diese Lösung entschieden. Während die Hunde allesamt glücklich damit sind, Ellie ihre Welpen und Nell das verwöhnte Leben eines Einzelhundes genießt, bin ich wahrscheinlich der Einzige, dem die »Dicke« doch ziemlich fehlt. Zum Glück wohnen Dennis und Melanie nur fünf Minuten entfernt, so dass ich meine Sehnsucht zumindest bei den gemeinsamen Spaziergängen stillen kann.
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