Tafel am Gitter des Welpenauslaufs eines Border Collie Züchters
20|06|2019 – Will­kom­men im Welpen-Kindergarten

Was macht eine gute Sozialisierung und Prägung aus? Über die Arbeit des Züchters und der Mutterhündin – und die des übrigen Hunderudels.

Wo sich zwei Hun­de­be­sit­zer unter­hal­ten, wird frü­her oder spä­ter immer die Spra­che dar­auf kom­men, wel­che Anfor­de­run­gen man an einen Züch­ter, an eine gute Auf­zucht stellt. Bei Letz­te­rem wird ganz sicher die Kon­di­ti­on der Mut­ter­hün­din ange­spro­chen wer­den – in wel­chem Zustand sie selbst ist und wie sorg­sam sie sich um ihre Wel­pen küm­mert –, außer­dem viel­leicht die Sau­ber­keit der Zucht­stät­te, wie­viel Zeit der Züch­ter täg­lich bei sei­nen Wel­pen ver­bringt oder auch die Akti­vi­tä­ten, die er mit den Wel­pen im Rah­men der Prä­gung unter­nimmt. Gera­de letz­te­re sind für vie­le Wel­pen­käu­fer von aller­größ­ter Bedeu­tung – man möch­te schließ­lich kei­nen Hund auf­neh­men, der sei­ne ers­ten Lebens­wo­chen aus­schließ­lich in einem dunk­len Ver­schlag ver­bracht, nichts ken­nen­ge­lernt und Angst vor allem Frem­den hat. Die wenigs­ten Wel­pen­in­ter­es­sen­ten wer­den aber in Fra­ge stel­len, wie es um das Rudel des Züch­ters bestellt ist: wie stark die übri­gen Hun­de in die Auf­zucht ein­be­zo­gen wer­den, wel­che Auf­ga­ben die Jun­gen und die Alten bei der Erzie­hung über­neh­men. Ein Hun­de­ru­del, das in Har­mo­nie zusam­men­lebt – das sich im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes gesund ver­hält –, lie­fert aber einen nicht zu unter­schät­zen­den Bei­trag zur Sozia­li­sie­rung der Wel­pen. Etwas, das der Mut­ter­hün­din – gera­de wenn sie uner­fah­ren oder mit der Auf­zucht über­las­tet ist – allei­ne nur schwer gelin­gen kann.

Border Collie Hündin pflegt ihre Welpen
22|06|2019 – Ellie: eine lie­be­vol­le Mutterhündin

Ich habe gera­de den Boden im Wel­pen­zim­mer feucht gewischt, den Lap­pen aus­ge­wrun­gen und den Scheu­er­be­sen im schma­len Durch­gang abge­stellt, als ich es auf der Trep­pe hin­ter mir pol­tern höre. Nach­ein­an­der kom­men drei Hun­de her­un­ter gerannt und recken neu­gie­rig die Nasen in die Luft – um den Geruch abzu­mil­dern, den die Nacht im Wel­pen­zim­mer hin­ter­las­sen hat, ste­hen bei­de Fens­ter seit einer Stun­de weit offen und küh­le Mor­gen­luft weht hin­ein. Ich strei­che jedem der Hun­de kurz über den Kopf, hole mir von der Jüngs­ten mein all­mor­gend­li­ches Küss­chen ab, dann sind sie auch schon an mir vor­bei und ste­hen rat­los hin­ter dem Git­ter: die Wel­pen sind weg.

Junghündin spielt mit Border Collie Welpen
20|06|2019 – Hei­di: spie­le­ri­sche Erzie­hung der Welpen

»Die Wel­pen sind schon im Gar­ten«, rufe ich die Trep­pe hin­auf nach oben, von wo mir ein mür­ri­sches »Mmh« und das Pol­tern schlaf­wan­deln­der Schrit­te ent­ge­gen­schallt: wäh­rend ich seit fünf Uhr auf den Bei­nen bin, ist Dirk gera­de erst auf­ge­stan­den – der vier­te Hund, Zion, tut es ihm gleich. Ach­sel­zu­ckend neh­me ich den Eimer, der noch voll und mit blass­brau­ner Schaum­kro­ne zwi­schen den Hun­den und mir im Durch­gang steht, schlüp­fe mit den nack­ten Füßen zurück in die Haus­schu­he, die eben dort vor einer Stun­de abge­streift wor­den sind, und bug­sie­re mich, den Eimer und alle drei Hun­de mit Nach­druck nach draußen.

Border Collie Hündin zeigt Drohgebärde gegenüber Welpen
22|06|2019 – Ida: kla­re Regeln, kla­re Ausdrucksformen

Ellie ist die ers­te, die über das nied­ri­ge Tür­git­ter in den Wel­pen­aus­lauf springt. Die bei­den ande­ren Hün­din­nen hal­te ich bewusst noch zurück, um der Mut­ter­hün­din genü­gend Zeit für die Begrü­ßung, das Säu­gen und die Pfle­ge ihrer Wel­pen zu geben. Als sich nach kur­zer Zeit ein Wel­pe nach dem ande­ren von den Zit­zen der Hün­din löst – die ers­te Mahl­zeit des Tages liegt kaum zwei Stun­den zurück, der Hun­ger kann also nicht son­der­lich groß gewe­sen sein –, sprin­gen auf mein Zei­chen aber schließ­lich auch die jun­ge und die alte Hün­din zu den Wel­pen hin­ein. Wäh­rend Hei­di die Wel­pen freu­dig begrüßt und mit Zwei­en sofort über­mü­tig zu spie­len beginnt, zeigt sich Ida deut­lich zurück­hal­ten­der, lässt mehr Raum zu den Wel­pen und zeigt auch die Zäh­ne, wenn ihr einer unauf­ge­for­dert zu nahe kommt. Bei bei­den beob­ach­te ich ver­schie­dens­te hün­di­sche Aus­drucks­for­men, bei bei­den fal­len mir unter­schied­lichs­te Her­an­ge­hens­wei­sen auf, um auf ein Fehl­ver­hal­ten hin­zu­wei­sen oder jenes sanft zu regle­men­tie­ren. »Sowohl das eine, als auch das ande­re müs­sen die Wel­pen ler­nen«, den­ke ich wäh­rend­des­sen bei mir, »was beim Spie­len erlaubt ist und was das Zusam­men­le­ben regelt«. Und bin in die­sem Moment rich­tig stolz auf die Drei, die sich so wun­der­bar ergänzen.

Wer sich fragt, wo unse­re Nell in der Erzäh­lung bleibt: Nell macht Urlaub bei Den­nis und Mela­nie, den Besit­zern von Ellie. Da Mut­ter und Toch­ter in unse­rem Haus­halt ganz offen­sicht­lich zu viel Stress mit­ein­an­der hat­ten und eine stän­di­ge Anspan­nung nicht för­der­lich für die Mut­ter­hün­din und die Wel­pen sein kann, haben wir uns bei Ellies Ein­zug zusam­men für die­se Lösung ent­schie­den. Wäh­rend die Hun­de alle­samt glück­lich damit sind, Ellie ihre Wel­pen und Nell das ver­wöhn­te Leben eines Ein­zel­hun­des genießt, bin ich wahr­schein­lich der Ein­zi­ge, dem die »Dicke« doch ziem­lich fehlt. Zum Glück woh­nen Den­nis und Mela­nie nur fünf Minu­ten ent­fernt, so dass ich mei­ne Sehn­sucht zumin­dest bei den gemein­sa­men Spa­zier­gän­gen stil­len kann.

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