Was braucht ein Welpe, um zu wachsen und zu werden? Wie wählt man aus, wenn man auswählen muss? Über Bedürfnisse und Entscheidungen.
Die Sonne brennt, als wir die Welpen um die Mittagszeit zum ersten Mal in den Auslauf im Garten setzen. Selbst im Schatten der beiden hundertjährigen Kirschbäume, unter denen der Auslauf am Vormittag aufgebaut worden ist, steht die Hitze. Daran kann auch das breite Sonnensegel nichts ändern, das sich von einem Baum zum anderen spannt und das für zusätzliche Kühle und Schatten sorgen soll: die Luft darunter ist genauso warm und schwer, wie andernorts. Die fünf Welpen erkunden dennoch erst einmal neugierig den unbekannten Untergrund, rupfen vorsichtig dünne Grashalme aus, schnuppern an welkem Laub, das vorzeitig von den Bäumen gefallen ist – und manch einer trägt mit stolzem Blick die erste Beute seines Lebens in das benachbarte Welpenhaus, das von allen Fünfen gleich als neues Heim angenommen worden ist. Neben den Welpen drehen auch Ellie, Ida und Heidi hechelnd im Auslauf ihre Runden, die beiden Letzteren – jede Annäherung und Spielaufforderung – streng von der Mutterhündin überwacht. Nachdem nicht nur die erste Neugier, sondern auch der Hunger gestillt worden ist, und sich die Welpen satt zum Schlafen zurückziehen wollen, beobachte ich, wie zwei sich mit großem Gejammer daran machen, unter das Welpenhaus zu kriechen: der Spalt, den die Bodenplatte zum Rasen hin offen lässt, misst zwar kaum eine Handbreit, für einen Welpen, der nach Abkühlung sucht, ist er aber allemal groß genug. »Den Welpen ist zu warm«, heißt es also – und weil dem Beispiel der ersten beiden bald auch der Rest zu folgen beginnt, wird den Welpen stattdessen ein feuchtes Handtuch als Liegeplatz angeboten, mit dem alle Fünf dann auch zufrieden sind. »Ein Bedürfnis als solches zu erkennen ist mitunter genauso schwer, wie die richtige Lösung zu finden«, denke ich im Stillen bei mir, »und selten lässt sich dem so leicht beikommen, wie dem Bedürfnis nach Abkühlung an einem heißen Tag«.
Welche Bedürfnisse ein Welpe hat – was er braucht, um zu wachsen und zu werden –, beschäftigt wahrscheinlich jeden Züchter, der sich seiner Verantwortung bewusst ist. Dass damit nicht nur die primären Bedürfnisse gemeint sind und ein Welpe weit mehr braucht, als bloß Nahrung und Fürsorge – dass er, um sich zu einem zufriedenen Hund zu entwickeln, immer auch das richtige Maß an Forderung und Förderung benötigt –, wird ebenso einleuchten, wie der Umstand, dass nicht jeder Mensch jedem Welpen genau das bieten kann, was er braucht. Wachsen, werden und sein – eine gute und gesunde Entwicklung setzt immer den richtigen Nährboden, die richtigen Rahmenbedingungen voraus. Als Züchter sehe ich deshalb meine Aufgabe darin, das neue Zuhause für meine Welpen immer so auszuwählen, dass ihre Bedürfnisse – ihre individuellen Anlage, Stärken und Vorzüge – befriedigt werden und sie optimal weiter wachsen können. Im besten Fall heißt das: zwei, die sich gesucht und gefunden haben – und bei denen ich gerne entscheide, dass sie fortan miteinander wachsen dürfen.
Vier Wochen wachsen und werden. Vier Wochen, in denen ich geschaut und beobachtet, mir von jedem unserer fünf Welpen ein umfassendes Bild gemacht habe – und zu deren Ende hin manches Bedürfnis klar, auch die letzte Entscheidung ausgereift ist. »Quinn, Fellow, Finn, Molly und Sissi«, sage ich leise zu den fünf Welpen, die im Schatten des Kirschbaums schlafen. Und damit ist auch alles gesagt.
Comments are closed.