Wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, die Welpen zuzufüttern? Wenn auch die Futterschale der Mutterhündin vor ihnen nicht mehr sicher ist! Ein Experiment.
Für einen Augenblick scheint es so, als seien sich die fünf Welpen unschlüssig, welchem Geruch sie folgen sollen: dem vertrauten, den die Zitzen der Mutterhündin verströmen, oder dem eigenartig neuen, der von der weißen Futterschale ausgeht, die – mir nichts, dir nichts – mitten im Auslauf steht. Über der Letzteren steht Ellie, den Kopf gebeugt, und schlingt mit hastigen Bissen die festen Fleischbrocken hinunter, die mit handwarmer Ziegenmilch übergossen sind. Die Schale schwankt und schaukelt gefährlich, immer wieder tropft es an den Rändern, und bei jedem zweiten Bissen landet ein bisschen weniger in der Schnauze der Hündin, ein bisschen mehr auf der dunkelgrünen Decke, die im Welpenauslauf ausgelegt ist. Die Welpen quieken und quietschen, bäumen sich aufgeregt unter dem Bauch der Hündin auf, schaffen es aber kaum an ihre Zitzen zu gelangen, fallen immer wieder um: nach vorne, nach hinten, zwei gegen die Schale, die – was bleibt ihr auch anderes übrig – gleich wieder zu schwanken beginnt. Die besagten Zwei sind es auch schließlich, die als erste von den Zitzen ablassen, stattdessen die Köpfe nach den Lefzen der Hündin strecken, ganz vorsichtig die Mäulchen öffnen und mit neugierigen Zungen das ablecken, was der Hündin beim Kauen und Schlucken daneben gegangen ist. Ein Dritter kommt bald hinzu, wagt sich noch weiter, taucht mit der Nase so tief in die Milch und das Fleisch in der Schale, dass er verzweifelt zu Niesen beginnt. Ellie hebt den Kopf, wendet sich mit triefender Schnauze dem niesenden Welpen zu und streift dabei unachtsam Milch und Zerkautes ins Fell eines Vierten, der nun – ob er will oder nicht – seinerseits im Mittelpunkt steht: von den Geschwistern umringt, wird aus Weißem wieder Schwarzes, wird das, was der Mutter so gut geschmeckt hat, emsig aus dem bekleckerten Fell geleckt. »Neugier geweckt«, bestätige ich zufrieden, stelle die nunmehr leere Schale beiseite und mache es mir selbst im Auslauf bequem, »schauen wir mal, wie das morgen aussieht«.
Dass die Welpen dem Futter der Mutter nicht abgeneigt sind, mag man mit einem Schulterzucken abtun: für Hunde – auch kleine – ist Futter eben immer von Belang. Tatsächlich ist es aber das erste Mal, dass sich unsere fünf Welpen so neugierig der weißen Schale nähern und tatkräftig versuchen, einen Bissen daraus abzubekommen. Die erwachende Neugier kann vielleicht am ehesten die Natur erklären, die gleichzeitig die ersten Milchzähne durchbrechen lässt: das Milchgebiss besteht aus 28 Zähnen, die deutlich spitzer sind, als die des bleibenden Hundegebisses, und enthält – abgesehen vom ersten vorderen Backenzahn und allen Hinteren – schon alle Vorläufer der bleibenden Zähne. Morgens barfuß bei den Welpen im Auslauf zu sitzen, verschafft einen guten, manchmal auch schmerzhaften Überblick, wie weit das Welpengebiss schon entwickelt ist – denn nicht nur die Futterschale der Mutter wird neugierig in Augenschein genommen, auch die Zehen bleiben nicht verschont.
Am folgenden Morgen fällt es mir schon deutlich schwerer, die Welpen davon abzuhalten, sich kopfüber in die Futterschale zu stürzen – nicht zuletzt, weil Ellie die Fünf gewähren lässt und zurückweicht, als sich die Welpen mit aufgeregtem Fiepen vor der weißen Schale drängeln. Bei früheren Würfen – denen von Nell und Edda – habe ich oftmals beobachten können, dass die Mutterhündin die gerade verschlungene Mahlzeit wieder hervor würgte, und die Welpen ohne mein Zutun zum ersten Mal feste – von der Hündin vorverdaute – Nahrung zu sich nahmen. Für unsere Fünf scheint nun auch der Zeitpunkt gekommen zu sein, sich dem Neuen zuzuwenden. Mutter-Futter statt Futter-Mutter, wird es deshalb zum Wochenbeginn heißen: Welpen, wetzt euer Essbesteck!
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