Über Welpen, die laufen, eine Hündin, die sitzt, und einen halbnackten Mann mit Fön: ein ganz normaler Morgen während der Welpenaufzucht.
Es klingt beinahe so, als hätte ich es erfunden – besser hätte man es gar nicht erfinden können –, aber tatsächlich ist es der kleine »Forrest Gump«, den ich als erstes der fünf Geschwister durch die Wurfkiste laufen sehe, als ich am Freitagmorgen vom Sport komme. »Lauf, Forrest, lauf!«, rufe ich ihm lachend zu – worauf der Welpe den Kopf hebt und sich umdreht, kurz strauchelt und nach hinten wegkippt. Wieder muss ich lachen. Der Welpe kugelt sich unbeindruckt zur anderen Seite, stemmt sich mit seinen winzigen Pfoten langsam hoch und läuft eine weitere wacklige Runde. Ich ziehe mir das olivgrüne, vom Sport verschwitzte T-Shirt über den Kopf, knülle es in den Händen zusammen und lasse es in eine Ecke der Wurfkiste fallen. Das hat seinen Grund. Doch dazu später mehr. Erst einmal muss ich duschen.
Die Entwicklungsphase, in der sich die Welpen gegenwärtig befinden, mag mit einer Dauer von fünf bis sieben Tagen zwar die kürzeste in der Entwicklung unserer kleinen Vierbeiner sein, nichts desto trotz geht sie aber wohl mit den meisten sichtbaren Veränderungen einher: durch Hören und Sehen erweitert sich nämlich nicht nur die Wahrnehmung der Welpen, auch das Nervensystem macht durch die neugewonnenen Fähigkeiten einen beachtlichen Entwicklungssprung. Aus einem passiven Welpen, der bisher bloß geschlafen und getrunken hat, sich allein durch Kriechen fortbewegen konnte, wird so innerhalb weniger Tage einer, der in der Lage ist, die ersten Gehversuche zu unternehmen und aktiv seine Umwelt zu erkunden.
Letzteres wird auch durch die Hündin gefördert – auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so scheinen mag: hat sie in den ersten Wochen immer bei den Welpen gelegen und das Wurflager kaum verlassen, lässt sie die Welpen nun viel häufiger allein, legt sich zum Säugen weniger hin, sondern lässt die Welpen im Sitzen oder Stehen nach den Zitzen suchen. Die Welpen müssen also aktiv werden – und üben durch die größere Anstrengung, die ihnen das aufgerichtete, sitzende oder stehende Trinken abverlangt, gleichzeitig mehr Körperbeherrschung ein. Die höhere Beweglichkeit hat aber noch einen weiteren Grund. Einen, der so langsam auch der Hündin stinkt.
In den ersten beiden Lebenswochen ist es einem Welpen nicht möglich, sich selbständig zu lösen. Die Ausscheidung von Kot und Urin wird deshalb von der Mutterhündin durch Belecken ausgelöst, das Wurflager von ihr sauber gehalten. Das ändert sich in der dritten Lebenswoche. Der Welpe ist nun in der Lage, sich gezielt zu lösen – und versucht seinerseits, das Wurflager nicht zu verunreinigen, muss es also kurzzeitig verlassen können. Die Hündin ist zwar auch noch weiterhin darum bemüht, die Welpen und die Wurfkiste sauber zu halten, spätestens aber, wenn sich der Milchkot in der vierten Lebenswoche durch die allmähliche Zufütterung verändert – er zu riechen beginnt –, gehört auch das der Vergangenheit an und der Züchter muss Sorge dafür tragen, dass dem Welpen ein Löseplatz außerhalb seines Schlaflagers zur Verfügung steht. Das ist schnell verknüpft und schnell verinnerlicht – und so wackeln auch unsere Welpen nach und nach zum Lösen aus der Wurfkiste hinaus: wichtige Schritte in der sozialen Frühprägung – die ersten Schritte zur Stubenreinheit.
Auch das verschwitzte T-Shirt versteht sich im Sinne der Frühprägung und liegt – wo sollte es auch anders sein – auch dann noch an Ort und Stelle, als ich mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Badezimmer komme. Alles, was die Welpen in dieser frühen Entwicklungsphase aufnehmen und kennenlernen – ganz gleich ob bewusst oder unbewusst –, wird für sie in ihrem späteren Leben selbstverständlich sein und aufgrund der begleitenden Fürsorge der Hündin im besten Fall sogar ein erinnertes Wohlgefühl auslösen. Das können Geräusche und Gerüche sein – menschliche Gerüche in Kleidungsstücken, Gespräche, Geräusche von Staubsaugern, aus dem Radio, ein lauter Fön. Mit Letzterem wedle ich schließlich auch ein wenig vor der Wurfkiste herum – und gebe damit für den Außenstehenden wohl ein äußerst seltsamens Bild ab: was macht ein halbnackter Mann mit rasiertem Kopf schon mit einem Fön? Den Welpen selbst ist das aber egal. Sie trinken unbeeindruckt weiter. Und genau so soll das sein.
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