Alles ist bereit – zumindest, wenn ich mir das Leben in unserem Garten betrachte, in dem gebaut, gebrütet und manches Jungtier aufgezogen wird. Aber sonst?
Das rote Vogelhaus, das wir vor Jahren in den alten Zwetschgenbaum gehängt haben – in eine Astgabelung, die schon damals mit wild wucherndem Efeu bewachsen war –, ist ganz unter den grünen Ranken verschwunden. In den ersten Jahren haben dort Meisen gebrütet, die sich von der Gartenbank, auf der ich gerade mit einer Tasse Kaffee in der Hand sitze, gut beobachten ließen – von der Balz in den ersten Märzwochen, wenn das Männchen das Weibchen mit aufgeplustertem Gefieder umwarb, über den Nestbau, der alleine vom Weibchen betrieben und mit Federn, Grashalmen und feinen Ästchen im Schnabel von früh bis spät vorangetrieben wurde, bis zur Aufzucht, in der es aus dem roten Häuschen für drei Wochen kaum still zu sein schien. Jetzt bleibt es dort still, zu dicht ist der Bewuchs, die Meisen sind anderswo untergekommen. Dafür haben zwei Gimpel im Efeu ihr Nest gebaut, gut versteckt unter dem grünen Behang. In den vergangenen Tagen habe ich sie dort immer wieder flattern gesehen – immer darauf bedacht, ihr Versteck nicht zu verraten, sind sie von einem Ast zum nächsten gesprungen, und mit einem trockenen Fichtenreiser im Schnabel erst dann hineingeflogen, wenn ich mich von der Gartenbank erhoben und die schwere Eichenholztür zum Garten beinahe hinter mir geschlossen hatte. An diesem Morgen sehe ich nur das Männchen. Sein rotes Brustgefieder glänzt in der aufgehenden Sonne.
Weiter unten, unter dem losen Holzstoß, der seit dem letzten Beschnitt der Kirschbäume vergeblich darauf wartet, gehackt und geschichtet zu werden, hat sich eine Gartenspitzmaus eingenistet. Unter Totholz, Laub und Moos verborgen, fällt das Wurfnest nicht weiter auf – allein die Nasen der Hunde haben verraten, dass dort jemand eingezogen ist. An Nahrung dürfte es dem braungrauen Säuger kaum mangeln – auch wenn er sich die zahlreichen Schnecken in unserem Garten mit dem Igel teilen muss, der sein Quartier in einem trockenen Laubhaufen hinter dem eingestürzten Gewächshaus gefunden hat.
Meise und Gimpel, Spitzmaus und Igel – und in den Tannen, die an den Garten grenzen, ein Paar Ringeltauben: überall um uns herum wird gebrütet, bereitet man sich vor, werden Jungtiere aufgezogen. Bloß im Haus bleibt es ruhig und macht die Hündin, auf die alle Augen gerichtet sind, kaum den Eindruck, als stünde die Geburt kurz bevor. Ihre Körpertemperatur ist seit Tagen konstant, der beinahe sehnsüchtig erwartete Temperaturabfall, der die bevorstehende Geburt ankündigt, will sich einfach nicht einstellen – und auch ansonsten wirkt Ellie viel eher so, als hätten wir noch Tage Zeit. Ich selbst suche nach Erklärungen, rechne vom ersten Deckakt bis zum Geburtstermin, nehme den zweiten Deckakt als wahrscheinlicher an – und komme für mich selbst vorerst zu dem Schluss, das vielleicht doch noch drei Tage hinzugerechnet werden wollen: das Sperma des Rüden bleibt nach dem Deckakt für etwa 72 Stunden befruchtungsfähig, es wäre also immerhin denkbar, dass wir – ausgehend vom ersten Deckakt – heute gar nicht den vierundsechzigsten Tag der Trächtigkeit schreiben, sondern erst den sechzigsten. Sollte sich im Laufe des Tages nichts ändern, werden wir Ellie morgen um sicher zu gehen unserem Tierarzt vorstellen – bis dahin sitzen wir im Garten, lauschen den Vögeln und schauen Ellie beim brüten zu.
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