Die siebte Woche der Trächtigkeit: über Wissensvorsprünge und Welpenbewegungen. Und was sich sonst noch so im Welpenzimmer tut.
Die Wahrheit über Mütter? Sie wissen alles. Ganz gleich ob man sich verliebt, die Schule geschwänzt oder im Laden heimlich ein Päckchen Kaugummi eingesteckt hat: Mütter wissen, was Sache ist. Sie müssen einem dafür nicht einmal in die Augen schauen. Sie können dabei weiter fernsehen, Kartoffeln schälen oder staubsaugen, sie können zuhause oder auf dem Weg zur Arbeit sein – vielleicht können sie dabei sogar schlafen. Sie müssen keine verräterischen Zettel in der Schmutzwäsche finden, keine Liebesbriefe in den Schubladen, kein Geständnis einfordern, wo ein Verdacht besteht. Sie wissen alles, bevor man es selbst überhaupt weiß. Woher? Das wird wohl keine Mutter verraten – und stattdessen warten, bis sie wieder einmal mit vielsagendem Nicken behaupten darf: »Hab’ ich doch gewusst!«
Gegenüber Ellie genießt auch Nell einen solchen Wissensvorsprung – denn sie ist nicht nur die Erste, die auf dem Dachboden hinter mir steht, als ich die schwarz lackierten Bauteile der Wurfkiste aus dem staubigen Verschlag ziehe, sie ist vom Aufbau derselben auch am ehesten betroffen: das Welpenzimmer, das gerade – gut zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin – hergerichtet wird, ist eigentlich ihr Schlafzimmer. »Auf das Nachtprogramm im Katzenkino«, sage ich zu der schwarz-weißen Hündin und deute auf das Fenster, »wirst du für die nächsten acht Wochen verzichten müssen, in den nächsten acht Wochen wohnt deine Tochter hier«. Ob es Ellie ähnlich halten wird, wie ihre Mutter, ob sie genauso zu nachtschlafender Zeit auf dem Bett vor dem Fenster sitzen und die heimlichen Streifzüge der Nachbarskatzen verfolgen wird, sei dahingestellt. Fest steht, dass sie in der gleichen Wurfkiste liegen wird, wie ihre Mutter – in der gleichen, in der sie schon als Welpe lag. »Hab’ ich doch gewusst«, meint Nell, »gibt’s jetzt was zu essen?«
Den großen Appetit, der für Nell schon immer selbstverständlich gewesen ist, teilt im letzten Drittel der Trächtigkeit auch Ellie. Dass sie trächtig ist, lässt sich kaum noch leugnen – rund um den Bauch misst das Maßband fünfzehn Zentimeter mehr, als zu Beginn der Trächtigkeit, das Gangbild und die äußeren Linien scheinen drastisch verändert, das Laufen fällt ihr schwer. Welpenbewegungen sind noch keine zu spüren, aber wenn es die kleinen Wunder so wie Mutter und Tochter halten, erklärt sich das von selbst und sie verschlafen – satt und warm und geborgen – den ganzen Tag. Der Neugier gefällt das zwar wenig – die Neugier möchte immer tasten, zählen, wissen – der Mutter selbst ist das aber egal. Sie genießt ganz einfach die Streicheleinheiten. Und träumt sich mit wissendem Blick in das Morgen hinein.
Ich denke derweil an ein Gestern – eines, in dem ich mit Melanie auf dem Heimweg vom Tierarzt im Auto saß, und wir uns nach dem ergebnislosen Ultraschall darüber unterhielten, es mit Ellie im Jahr darauf noch einmal zu versuchen. Zeit, um einen Welpen aufzuziehen, meinte Melanie, hätte sie im Jahr darauf genug – vorausgesetzt, sie und Dennis würden endlich die Familienplanung angehen. »Bei meinem Glück«, sagte sie, »braucht es es Monate, bis es klappt«. Tatsächlich muss sie zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger gewesen sein, denn während Ellie sich noch auf die Geburt ihrer ersten Welpen vorbereitet, sind Dennis und Melanie im vergangenen Monat Eltern einer Tochter geworden. Das Gestern, das Heute und das Morgen. Denke ich, und: »Vielleicht sollte das alles so sein!«
»Hab’ ich doch gewusst!«
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