Hunde sind von Grund auf ehrlich und des Menschen bester, treuester, aufrichtigster Freund. Über schlechte Lügner und noch schlechtere Schauspieler. Und über einen Hund, der Hunger hat.
»War ich nicht«, soll mir dieser Blick bedeuten – und wäre da nicht dieses dumme, verräterische Schmatzen, ich würde wohl kaum einen Gedanken daran verschwenden, dass mich der Unschuldsblick des Vierbeiners, der da vor mir auf dem Küchenboden hockt, nur von der Tatsache ablenken soll, dass ich den Übeltäter, der sich heimlich aus der Futtertonne bedient hat, gerade gestellt habe. Dass die Tonne eigentlich fest verschlossen ist und es dem besagten Vierbeiner irgendwie gelungen sein muss, die beiden blassgrauen Schnappgriffe aufzuhebeln, die den Deckel auf der Tonne halten, nötigt mir – dem Ärger zum Trotz – dann aber doch erst mal ein wenig Respekt ab. »So blöd bist du also gar nicht!«, sage ich, und schüttle den Kopf. Der Übeltäter züngelt. »Aber ein verdammt schlechte Lügner bist du, mein lieber Freund!«
Hunde lügen nicht, meinen Sie? Hunde sind von Grund auf ehrlich? Des Menschen bester, treuester und aufrichtigster Freund? Dann möchte ich Ihnen gerne zu ihrer Vertrauensseligkeit gratulieren! Und dem widersprechen. Hunde lügen nämlich sehr wohl – und immer dann, wenn sie sich einen Vorteil davon versprechen. Dass Hunde tatsächlich sehr schlechte Lügner sind und sich – viel öfter noch, als wir Menschen – durch eine gegenteilige Körpersprache verraten, steht auf einem anderen Blatt. Hunde lügen. Mit voller Absicht. Mehr Beispiele? Vielleicht eines noch.
Montagabend, ich komme gerade aus dem Büro, meine bessere Hälfte hat sich eine Stunde zuvor in den Nachtdienst verabschiedet. Ich stelle meine Tasche auf einem der Küchenstühle ab, setze mich auf einen zweiten und beginne – immer wieder gestört von der liebevollen Aufdringlichkeit dreier Hunde – meine Schnürsenkel aufzuknoten. Auf dem Küchentisch erblicke ich einen Zettel, der mir mitteilt, dass die Hunde schon gefüttert worden sind – ein Wissensvorsprung, der nicht unbedeutend ist. Hund Nummer Vier liegt nämlich mit Leidensmiene hinter seinem leeren Futternapf. »Ich bin heute noch gar nicht gefüttert worden«, sagt sein Blick. Er kann ja nicht wissen, dass ich es längst besser weiß. Weil aber dieses Verhalten vielleicht irgendwann einmal zum Erfolg geführt hat (Erfolg meint in diesem Fall mehr Futter, in anderen Fällen – »Schau doch, meine Pfote tut weh!« – vielleicht aber bloß mehr Aufmerksamkeit), führt der besagte Hund sein kleines Schauspiel hemmungslos weiter. Tritt zuerst leise mit der Pfote gegen den Napf (»Hallo, Hunger!«), dann lauter (»Also, echt jetzt!«) und wirft sich mir schließlich mit größtmöglicher Dramatik vor die – mittlerweile unbeschuhten – Füße (»Ich verhungere gerade!«). Hunde lügen nicht?
»Ganz großes Kino« habe ich mir im vergangenen Monat auch von den Besitzern unserer Nachzuchten gewünscht und darum gebeten, mit ihren Vierbeinern die berühmtesten Szenen der Filmgeschichte nachzustellen. Pate für die Idee hat eine Katze gestanden – oder vielmehr: eine Katze und ihr Mensch, die unter dem Hashtag #moviecats gerade auf Instagram für Aufsehen sorgen. Ich finde ja, unsere Nachzuchten machen sich dabei mindestens genauso gut!
© Johannes Willwacher