Es heißt, der Hund ist der beste Freund des Menschen. Aber ist er auch der beste Freund des Züchters? Über Altruismus und Egoismus – und was sonst noch dahinter steckt.
And if you don’t love me now,
you will never love me again.
I can still hear you saying
you would never break the chain
(never break the chain).
The Chain, Fleetwood Mac (1977)
Bei den meisten Anfragen, die man als Züchter erhält, steht der Wunsch nach einem Welpen im Mittelpunkt. Es wird sich erkundigt, wann der nächste Wurf fallen wird, ob es eine Warteliste gibt, und ob die Chance, für einen Welpen aus besagtem Wurf in Frage zu kommen, überhaupt noch gegeben ist. Das gilt, wie gesagt, für die meisten Anfragen. Dann und wann gibt es aber auch Interessenten, denen es gar nicht um einen Welpen geht – solche, die vielleicht aus Zeitgründen ausschliessen, einem jungen Hund gerecht werden zu können –, und die sich nach einem erwachsenen Hund erkundigen wollen. Einem, der aus diesem oder jenem Grund sein Zuhause verloren hat und zum Züchter zurückgekehrt ist, oder einem, den der Züchter selbst abgeben will, weil er aus Altersgründen aus der Zucht ausgeschieden ist.
Bei einem Anruf, den ich vor einigen Wochen erhielt, ging es genau darum – um die beiden Hündinnen, die in unserem Haushalt ihre Zuchtrente genießen. Während ich die Anfrage selbst sehr schnell verneinen konnte, begleitet mich ein Gedanke seitdem aber doch: ist der Hund nur der beste Freund des Menschen, so lange er nützlich ist? Oder sind Freundschaft und Zucht von vornherein unvereinbar, weil sich der Altruismus des einen nicht gut mit den oftmals eher egoistischen Zielen des anderen verträgt?
Wenn man sich das Zuchtgeschehen betrachtet, mag man beinahe diesen Eindruck haben. Echte Freundschaften sind selten unter Züchtern. Das Große und Ganze ist vielmehr durch Neid und Missgunst, Heimlichkeiten und üble Nachrede geprägt, und finden sich tatsächlich einmal zwei, die gemeinsame Sache machen, scheint auch das immer ein Verfallsdatum zu haben und dem ewigen Vergleich – wer ist erfolgreicher, beliebter, hat das größere Ansehen, wer verkauft seine Welpen besser – kaum standhalten zu können. Man ist sich für einige Zeit nützlich, und dann nicht mehr. Warum sollte das also bei Hunden anders sein?
Natürlich ist es nachvollziehbar: ein Hund, der nicht mehr für die Zucht taugt, muss trotzdem bewegt und gefüttert, tierärztlich versorgt und untergebracht werden. Ihn durch einen Hund zu ersetzen, der aktiv zur Zucht beitragen kann – der nicht nur Geld kostet, sondern auch Geld einbringt –, ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten also nur konsequent. Aber genau das ist auch das Problem: möchte man einen Hund nur als wirtschaftlichen Faktor begreifen? Wirklich? Ich muss darüber nicht lange nachdenken – ich kann gut und gerne ohne die Zucht, ohne Ausstellungen, ohne den Drang, mich auf die eine oder andere Weise beweisen zu müssen leben. Aber ohne die vier Hunde nicht.
Freunde für immer. Ohne wenn. Ohne aber. Never break the chain.
© Johannes Willwacher