Winter mit Hund: über frischen Schnee, fieses Streusalz und abgehaarte Hündinnen. Und über Einsichten, die meistens zu spät kommen.
Winter – das heißt im besten Fall: kaltes, klares Wetter. Das heißt: Sonnenschein und saubere Hunde. Neben allem Schönen, das sich gemeinsam mit den Vierbeinern erleben lässt, mag es in der kalten Jahreszeit aber auch noch einige Dinge geben, die vermieden werden sollten, damit der Winter für beide – Mensch und Hund – zum Genuss wird. Hier sind drei davon.
Erstes Dilemma: Ich
Ich weiß, ich sollte es nicht tun. Von meinem Menschen habe ich es oft genug gehört. Wenn ich aber, dem Ball hinterher, über das frisch verschneite Feld jage, kann ich es doch nicht lassen. Ich senke den Kopf, bloß ein bisschen, und tauche meine Schnauze in das nach allen Seiten auseinander stiebende Weiß ein. Mein Mensch hat mir schließlich nur verboten, Schnee zu fressen – und wenn sich der Schnee von ganz alleine in meine Schnauze schiebt, dann fresse ich ihn nicht, dann ist er einfach drin. Beinahe so, als ob man nach Luft schnappt, und rein zufällig eine Fliege erwischt – die zwar nicht schmeckt, aber besser als nichts ist –, und weil mein Mensch gar nicht so schnell schauen, wie ich laufen kann, tauche ich meine Schnauze auf einer Runde gleich drei- oder viermal in den Schnee. Zugegeben: Drei oder vier Fliegen machen den Magen nicht voll, drei oder vier Schnauzen kalter Schnee können aber ganz schön in den Gedärmen zwicken. Das weiß auch mein Mensch, obwohl der keinen Schnee frisst. Die Kälte, meint er, reizt die Schleimhäute – das sei aber, so lange der Schnee nicht verunreinigt ist, meist kein Problem. Das Problem seien Streusalz und Schmutz, die mit dem Schnee aufgenommen werden. Mein Mensch nennt das »Schnee-Gastritis«. Ich nenne es »nasses Sofa«. Und ich glaube – nein, ich weiß –, genau deshalb sollte ich es nicht tun.
Zweites Dilemma: Sie
Sie friert, das sieht man schon von Weitem. Das Fell, das ihr in dünnen Strähnen vom Hals absteht, ist dünn, und genauso dünn ist auch das Fell am Bauch. Keine Unterwolle. Wenn es heißt, dass die Natur sich schon etwas dabei gedacht haben muss, dieses oder jenes so oder so einzurichten, muss sie hier kläglich versagt haben – vielleicht war sie auch nur für einen kurzen Moment unaufmerksam, und die Hündin, die ich gerade betrachte, ist unbemerkt an ihr vorbei geschlüpft (dafür hätte die Natur mein vollstes Verständnis, denn die besagte Hündin schlüpft wahnsinnig gut irgendwo durch) – jedenfalls scheint es mir für die Gesundheit der Hündin wenig förderlich, bei Minusgraden abzuhaaren. Man könnte nun einwenden, dass die Natur dafür gar nichts kann, und der Zyklus einer Hündin sich, wenn es nach ihr ginge, viel eher an den jahreszeitlichen Gegebenheiten ausrichten würde – wir sprechen von domestikativer Degeneration –, das ändert aber nichts daran, dass die Hündin friert. Müsste sie allerdings nicht, denn zuhause liegt ein wetterfester Hundemantel, der für genau solche Gelegenheiten gedacht ist, und den Vierbeiner vor Kälte und Nässe schützt. Das Problem: genauso wie im Fall der Läufigkeitshöschen weigert sie sich strikt, damit vor die Tür zu gehen. Lieber frieren, als Scheiße aussehen, lautet die Devise. Um die Blasenentzündung zu vermeiden hilft also nur eines: »Bleib in Bewegung!«
Drittes Dilemma: Du
Du hast es echt raus. Bäuchlings liegst du im Schnee, den Oberkörper flach auf den Boden gepresst, und visierst durch den Sucher deiner kiloschweren Kamera drei Hunde an, die vor dir im Schnee spielen. Das über dir gerade ein Schneesturm tobt – drauf geschissen –, und auch, dass sich die Feuchtigkeit von unten langsam durch deine Kleidung frisst, ist dir egal. Weil du es eben echt raus hast, und die Fotos nur der Hammer werden können. Als du aufstehst siehst du aus, als hättest du dich eingenässt – die Hose ist vom Schritt bis zu den Stiefeln vom frischen Schnee durchweicht –, und selbst, wenn es dir jetzt noch nicht bewusst ist, wirst du in spätestens fünf Minuten wissen, dass nicht nur nasse Hosen verdammt schnell gefroren sind, sondern gleiches auch für deine teure Fotoausrüstung gilt. Die sagt: Error – und dann nichts mehr. Du sagst: Kacke! Und hast dir, neben einer unnötigen, teuren Reperatur, gleich auch noch eine Erkältung eingefangen. Ja, du hast es mal echt raus! Echt! So richtig!
© Johannes Willwacher