Wie lebt man mit einem Hund, der schwer krank ist? Wieviel Hoffnung lässt eine Diagnose, bei der keine Therapie mehr möglich ist? Über Krebs, eine Border Collie Hündin – und kleine schwarze Punkte.
»Eine oder mehrere mediastinale Raumforderungen«, wollte die Ärztin erkannt haben. Mit dem Zeigefinger kreiste sie um zwei winzige schwarze Punkte, die sich im Bild des Computertomographen im Gewebe zwischen Herz und Lunge abzeichneten. »Es könnte sich im günstigsten Fall um gutartige Neubildungen handeln, Fettgeschwulste beispielsweise«, meinte sie, fügte dann aber hinzu, dass »bei der Vorgeschichte der Hündin leider davon ausgegangen werden muss, dass es sich dabei um Metastasen des ursprünglichen Schilddrüsenkarzinoms handelt«. Ich nickte. »Einen verlässlichen Befund«, fuhr sie fort, »könnte hier nur eine Gewebebiopsie liefern, die allerdings mit einer schweren Operation und der Öffnung des Brustkorbs verbunden wäre, von der wir gerne absehen möchten«. Wieder nickte ich, um schließlich nach der angezeigten weiteren Vorgehensweise zu fragen. »Chemotherapie«, meinte die Ärztin knapp. Diesmal nickte ich nicht. Das war im letzten Sommer.
Man lebt anders mit einem Hund zusammen, der schwer krank ist. Selbst, wenn es dem Hund augenscheinlich gut geht, selbst, wenn sich im Alltag keinerlei Beeinträchtigungen bemerkbar machen. Man beginnt irgendwann unweigerlich, sich mit dem Ende auseinanderzusetzen, statt in Jahren, nur noch in Monaten, Wochen und Tagen zu denken, und die Zeit, die man noch hat, als geschenkte Zeit zu begreifen. Bei Ida, die mit kaum vier Jahren zum ersten Mal an Krebs erkrankt war, hatte ich den Gedanken lange von mir weggeschoben, den Tod ausgeklammert, nicht zugelassen, dass die Krankheit stärker sein könnte, als sie – als meine Zuversicht. Noch eine zusätzliche Therapie, eine weitere Behandlung – irgendetwas, das helfen würde. Bis zum letzten Sommer.
Gestern – ein halbes Jahr später – folgte nun also die nächste, reguläre Kontrolluntersuchung. Die winzigen schwarzen Punkte sind nicht verschwunden – sie sind da, wo sie waren, irgendwo zwischen Herz und Lungen –, sie sind aber im letzten halben Jahr nicht größer geworden, nicht gewachsen, und selbst wenn es sich bei ihnen um bösartige Neubildungen handeln sollte, verläuft das Wachstum sehr langsam. Das ist nicht gut – zumindest nicht gut im besten, eigentlichen Sinne – aber es ist ein bisschen mehr Leben, ein bisschen mehr Hoffnung. Und das reicht. Bis zum nächsten Sommer.
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