Schönheitskonkurrenzen: ungeschminkt – oder: Hundeausstellungen in nackten Zahlen.
»Schreib’ doch mal was Nützliches«, denke ich und lasse den Kugelschreiber klicken, den ich locker in der rechten Hand halte, »schreib’ über etwas, das aufklärt und nachvollziehbar ist, sich leicht liest und manchen vielleicht besser verstehen lässt, was das Leben eines Hundemenschen ausmacht«. Vor mir liegt aufgeschlagen ein unlinierter Notizblock – darin Aufzeichnungen längst vergangener Seminare und Züchtertagungen, Blindzeichnungen von Hunden und Tipps zu Platzierungen, die mal eingetroffen sind und sich mal, viel öfter, als Wunschdenken herausgestellt haben –, daneben ein Taschenrechner und ein Stapel Ausstellungskataloge, von denen mancher zerknickt, mancher durchweicht ist, und der in seiner Gesamtheit niemanden mehr wirklich interessiert. »Eigentlich beinahe so wie das, was du selbst zu Papier bringst«, denke ich und möchte schon den Stift beiseite legen, als mein Blick erneut den uneinheitlichen Altpapierstapel streift. Manche Ideen kommen scheinbar aus dem Nichts. Diese geradewegs aus dem Papierkorb.
Über Hundeausstellungen – fällt mir auf, während ich mich durch die Beiträge und Blog-Posts auf anderen Webseiten klicke – ist schon viel geschrieben worden: Hilfreiches zur Vorbereitung und zum Training, Tipps zum Equipment und der passenden Kleidung, Empfehlungen, welches Shampoo, welcher Kamm, welche Bürste für welches Fell am besten geeignet ist. Zu dem, was wirklich interessant ist – zum Ausstellungstag selbst und der Frage, was wie viel Zeit in Anspruch nimmt – schweigt man sich aus. Das hat vielleicht – hier fällt mein Blick auf den bisher nutzlosen Taschenrechner – auch einen ganz einfachen Grund: unter den Top Ten der Dinge, die man an einem Ausstellungstag tut, belegt das Ausstellen des Hundes bloß den zehnten und – am Zeitaufwand gemessen – letzten Platz.
Die zehn Dinge, die man am Tag
einer Hundeausstellung am häufigsten tut
Platz 1 (37%): Autofahren. Der Wecker klingelt gegen vier, spätestens aber um fünf. Das Auto ist gepackt, Hundebox, Campingstühle und Zelt sind schon am Vorabend platzsparend auf der Rückbank verstaut worden. Die Fahrtzeit beträgt zweieinhalb Stunden, gegen acht Uhr, spätestens aber acht Uhr dreißig soll das Ziel erreicht, das Zelt am Rand des Ausstellungsrings aufgeschlagen und der Hund, gut eine Stunde vor dem eigentlichen Beginn des Richtens, eine erste, zweite und dritte Runde durch den mit rot-weißem Flatterband abgesteckten Ring gelaufen sein. Zweieinhalb Stunden hin, zweieinhalb Stunden zurück: die meiste Zeit verbringt man an einem Ausstellungstag im Auto.
Platz 2 (18%): Bürsten. Spontan würden wohl die meisten Aussteller den Kopf schütteln und sagen, dass sie kaum so viel Zeit auf das Kämmen, Bürsten und Frisieren des Hundes verwenden – dass es, wenn überhaupt, zehn oder fünfzehn Minuten sind, die kurz vor dem Aufruf der jeweiligen Klasse darauf entfallen. Weil aber über den Tag verteilt immer wieder Kamm und Bürste gezückt und widerspenstige Haare mit feuchten Handtüchern geglättet werden, summiert sich all das auf einen haarigen zweiten Platz.
Platz 3 (14%): Warten. Gepflegte Langeweile, ein Schläfchen im Schatten oder der Versuch, die Namen aller Starter auswendig zu lernen – ein Ausstellungstag ist lang und das Richten selbst langwierig. Wer nicht gerade mehrere Hunde gemeldet hat und sich nicht durch das oben bereits beschriebene Zurechtmachen ablenken kann, dem bleibt nichts anderes übrig als sich in seinem Campingstuhl zurückzulehnen, die Augen zu schließen, zu dösen oder kurz: zu warten.
Platz 4 (8%): Fragen beantworten, die nichts mit Hunden zu tun haben. »Hat hier jemand einen Startnummernhalter über?«, »Wo finden sich die Toiletten?«, »Hätten sie die Güte kurz aus dem Bild zu gehen?«. Ich denke, das bedarf keiner weiteren Erklärung, kann aber gerne beliebig ergänzt werden.
Platz 5 (7%): Anstehen. Man tut es am Einlass, an der Meldestelle, im Ring selbst und bei der Ausgabe der Richterberichte – man ordnet sich ein, hofft, dass es schnell voran, schneller vorwärts geht, und die Schlange, in die man sich eingereiht hat, am schnellsten kürzer wird. Die Erkenntnis, dass man selbstverständlich wieder einmal in der Schlange steht, in der jemand die Impfausweise zu unterst im Rucksack vergraben, das Meldegeld zu bezahlen vergessen oder sich schlichtweg das Ringpersonal der Langsamkeit verschrieben hat, ist beinahe genauso selbstverständlich wie das Anstehen selbst: es geht nicht ohne.
Platz 6 (6%): Einkaufen. Eine neue Showleine? Eine Ultraschallzahnbürste für Herr und Hund? Ein Wassernapf, der faltbar ist, dreißig Kilo Trockenfleisch, oder doch lieber die – der absolut kompetenten Aussage des Händlers nach – fast vollständig selbstreinigenden Hundedecken? If the going gets tough, the tough go shopping.
Platz 7 (4%): Zuschauen. Meint eigentlich: Lästern. »Hast du gesehen, wie die sich wieder hergerichtet hat?«, »Die hat aber ordentlich zugelegt!«, »Die Winkel von der Hündin sind ja mal eine komplette Katastrophe!«, »So ein Hund hat auf einer Zuchtschau meiner Meinung nach gar nichts verloren!«, »Die rennen aber auch zu jeder Ausstellung!«, »Kein Hals, kein Gangwerk, keine Winkel – und der Hund erst!«. Damit ist alles gesagt.
Platz 8 (3%): Hände schütteln. Der Anstand gebietet es, dass man auch den Kontrahenten im Ausstellungsring gratuliert – denen, die man auf die Plätze verwiesen hat, oder denen, von denen man selbst auf die Plätze verwiesen worden ist. Dass Anstand und Aufrichtigkeit oftmals nichts miteinander gemein haben, und es nicht selten Überwindung kostet, die Hand auszustrecken und freundlich zu lächeln, sei dahingestellt.
Platz 9 (2%): Fragen beantworten, die den Hund betreffen. Ein Beispiel. »Woher kommt der (mit Blick auf den Hund)?« »Von Züchter Sowieso«. Beim Gegenüber zuerst ungläubiges Schweigen, dann wiederholt sich die zuvor schon gestellte Frage: »Woher?« Auch beim zweiten und dritten Durchgang hellt sich die Mine des Gegenübers nicht nennenswert auf, stattdessen zeichnet sich immer deutlicher die Verwirrung ab. »Woher kommt der denn jetzt?«
Platz 10 (1%): Ausstellen. Zwei Runden im Kreis, vor dem Richter aufstellen. Dann: ein Dreieck, eine Diagonale vielleicht, und vor den Platzierungen noch einmal zwei atemlose, letzte Runden. Dazwischen warten und anstehen, zuschauen wohl auch, und am Ende des Tages die Erkenntnis, dass Ausstellen zwar zu neunundneunzig Prozent andere Dinge meint, als Auszustellen, es das eine Prozent aber »echt mal so richtig« wert gewesen ist.
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