Was taugt dem Hundebesitzer am besten, um sich aufzuregen? Wenn es um die richtige Fütterung geht, ist der nächste Shitstorm nicht weit. Ein bisschen Satire …
»Was füttert ihr euren Hunden eigentlich?«, fragt jemand. Und damit geht es los.
Stellen wir uns eine Gruppe von – sagen wir einmal – sechs oder sieben Hundebesitzern vor, die sich an Wochentagen zum gemeinsamen Spaziergang trifft. Zwei arbeiten vielleicht im Schichtdienst, einer ist arbeitslos, einer in Rente, eine zum zweiten Mal in Elternzeit – und abgesehen von den Hunden hat man nicht viel gemein. Weil ein Hund oder besser: mehrere – und in dieser Gruppe laufen vielleicht ein Border Collie, ein Labrador, drei Mischlinge und ein sogenannter Designerhund mit – aber am besten dazu taugen, über soziale Grenzen hinwegzusehen, interessiert das niemanden. Man spricht ohnehin nicht über Privates – nicht über Einkommen, Kindererziehung, Gartenarbeit oder Politik –, sondern ausschließlich über Hunde. Das funktioniert und man versteht sich, bis einer die wirklich blöde Frage stellt, was von den anderen in der Runde gefüttert wird.
Wenn es um Hundefutter geht, gibt es eigentlich bloß vier Typen von Hundebesitzern: den Ideologen, den Pragmatiker, den Macher und den Sparer. Sehen wir uns diese doch einmal etwas genauer an …
Der Ideologe
Der Ideologe ist von seiner Futterwahl nicht nur überzeugt, er redet auch gerne darüber. Da er einen Großteil seiner Zeit damit zubringt, sich in einschlägigen Foren zu informieren und mit vielen Gleichgesinnten auszutauschen, kann er ein Gespräch auch im Alleingang bestreiten – ganz egal, ob es um die Vorzüge biologisch artgerechter Rohfütterung oder die Machenschaften der Futtermittelindustrie geht: er referiert lange und ausführlich, spickt seinen Vortrag mit Querverweisen und lässt keinen Zweifel daran, dass die Fütterung, für die er eintritt, jedweden Vierbeiner – Nietzsche lässt grüßen – zum Über-Hund macht. Das allein ist allerdings noch kein Grund, um ihn als den unsympathischsten Typ unter den Hundebesitzern zu bezeichnen – Grund dafür ist viel eher sein Bedürfnis, mit seiner Überzeugung zu missionieren. Betrachtet man den ursprünglichen Wortsinn – während das Akronym B.A.R.F. im Englischen heute zumeist als »Bones and Raw Food« verstanden wird, sollte es generisch »Born Again Raw Feeder«, also: »wiedergeborener Rohfütterer«, bedeuten – ist die religiöse Inbrunst, mit der der Ideologe versucht, den Fertigfutter-Teufel auszutreiben, fast naheliegend. Im Verlauf der oben begonnenen Diskussion wird er den übrigen Anwesenden folglich an den Kopf werfen, dass ihr Ernährungskonzept – nicht bloß ernährungsphysiologisch, sondern auch ethisch und moralisch – unverantwortlich ist, und abschließend fordern, dass jeder, dem bloß Bequemlichkeit bei der eigenständigen Futterzubereitung im Weg steht, von der Hundehaltung besser ganz absieht. Bam!
Der Pragmatiker
Der Pragmatiker füttert, was er füttern muss. Das, weil sein Hund diese Allergie oder jene Unverträglichkeit hat, und ihm – angesichts der bekannten Reaktion des Vierbeiners auf tierische oder pflanzliche Eiweiße – keine andere Wahl bleibt, um das beständige Kratzen und Scheuern oder die Durchfälle zu lindern. Im günstigsten Fall spricht er auch dementsprechend abgeklärt darüber, im ungünstigsten Fall kann er aber ebenso moralisch werden, wie der Ideologe: Schuld an allem Übel ist die Futtermittelindustrie, sind Fertigfutter und Tierärzte, die Falsches empfehlen und gewinnbringend mit Pedigree, Hills und Co. paktieren. Und weil die besagte Gruppe von Hundebesitzern an eben diesem Morgen groß genug ist, gibt es dort selbstverständlich beide.
Der Macher
Der Macher? Macht! Ob er nun roh füttert, zu einem hochwertigen Trocken- oder Nassfutter greift, er seinem Hund beides im Wechsel anbietet oder auch einmal Frolic und Co. in der Hosentasche mit sich führt, tut nichts zur Sache. Warum? Zum einen, weil er wenig darüber spricht. Zum anderen aber vielleicht auch, weil sein Hund grundsätzlich alles fressen darf – von Zwiebeln, Weintrauben und Schokolade einmal abgesehen, da der Macher, auch wenn er sich der Konzeptlosigkeit verpflichtet fühlt, trotzdem genau weiß, was seinem Hund gut tut und was nicht: Vielseitigkeit statt Eintönigkeit. Und wenn das einmal bedeutet, dass der Hund direkt vom Tisch gefüttert wird – er den harten Rand der Steinofenpizza, die letzte, schon leicht schmierige Scheibe Salami oder eine runzlige Kartoffel bekommt – zahlt auch das auf sein Ernährungskonto ein: der Hund, als Zivilisationsfolger – oder besser: als Abfallfresser –, nimmt ohnehin, was er vorgesetzt bekommt. Der Ideologe sagt: Kohlenhydrate! Schreit: Gewürze! Und ereifert sich, dass der Hund, als geborener Fleischfresser, das eine nicht braucht und das andere nicht darf. Der Macher zuckt bloß die Schultern. Und denkt sich: das kann jeder machen, wie er will.
Der Sparer
Mehr Angriffsfläche als der Macher, bietet für den Ideologen nur der Sparer, der beim Hundefutter allein auf den Preis achtet und fast ausschließlich bei Discountern kauft. Das die Zusammensetzung des Fertigprodukts auf Getreide fußt und neben Rübenschnitzeln und Mais, die mit ihrem hohen Zuckergehalt vorrangig als Lockstoffe fungieren (»Schau mal, wie es ihm schmeckt!«), auch einen Anteil nicht weiter deklarierter tierischer Nebenerzeugnisse enthält, ist ihm vielleicht aufgefallen, vielleicht aber auch nicht. Hauptsache: der Hund frisst es. Und das tut er. Sogar gerne. I’m lovin’ it! Ich liebe es!
Und da Sie, lieber Leser, nun alle Typen kennen, dürfen Sie sich gerne selbst ausmalen, wie die Diskussion der sechs oder sieben Hundehalter an diesem Morgen verläuft. Und wie viele davon sich am Morgen darauf wieder treffen.
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