Spaziergang ist gleich raus und Ruhe? Weit gefehlt! Dreieinhalb Border Collies – und fünf Fragen, die wirklich niemand mehr hören will.
Die Woche hat sieben Tage. Das sind vierzehn Spaziergänge, mindestens, und damit vierzehn Gelegenheiten, sich mit anderen Spaziergängern auseinanderzusetzen. Während man viele davon zwar vielleicht nur ein einziges Mal trifft, wiederholen sich die Gespräche doch auffallend oft und gibt es Fragen, die immer wieder gestellt werden. Und weil Rankingshows sich noch immer seltsam hoher Beliebtheit erfreuen, im Folgenden nun also unsere eigene: Fünf Fragen, die wirklich niemand mehr hören will.
1. Drei! Wie süß! Sind das Geschwister?
Zugegeben, der Gedanke ist nicht nur deshalb naheliegend, weil Hunde der gleichen Rasse grundsätzlich eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen. Er wird von gut aufgelegten und – auch hier findet sich eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit – zumeist in flottes Beige gekleideten Spaziergängern vielleicht auch deshalb immer wieder vorgebracht, weil diese sich – ich verallgemeinere – in ihrer Freizeit gerne der Lösung komplexer Sachverhalte widmen. Weil das Heft mit den besonders kniffligen Sudoku-Rätseln aber zuhause bleiben musste, löst man eben kurzerhand das Rätsel vierbeiniger Verwandtschaftsverhältnisse. Mal sind die drei Border Collies Geschwister, mal sind sie Vater-Mutter-Kind – wobei die zugedachten Rollen hier regelmäßig wechseln und jeder der drei Hunde mal jede Rolle ausfüllen darf. Ich habe mir schon oftmals die Frage gestellt, ob man anhand dieser oder jener Deutung nicht Rückschlüsse auf den Charakter oder die psychische Gesundheit des zweibeinigen Gegenübers anstellen kann, und mir vorgenommen, dass – sollte ich tatsächlich einmal ein Buch schreiben (will heißen: ein Buch, dem nicht das gleiche Schicksal beschieden ist, wie den halbgaren Entwürfen, die in der obersten Schreibtischschublade vergilben) – das ein durchaus geeigneter Ausgangspunkt sein könnte. Rorschach mit Hunden, sozusagen. Wie süß!
2. Sind das … (Australian Shepherds, Münsterländer, Husky-Mischlinge)?
Neben den besagten, zwar freundlichen, mit Hunden aber nur mäßig vertrauten Spaziergängern in Beige, sind es vor allen Dingen Menschen, die einer zweiten Gruppe angehören, die mir mit schöner Regelmäßigkeit begegnen und mich immer wieder mit offenem Mund staunen lassen: die selbsternannten Hundeexperten (das wird mancher vielleicht auch aus eigener Erfahrung bestätigen können) warten gefühlt hinter jeder Wegbiegung darauf, ihre durch jahrelange Erfahrung geschulte Einschätzung abgeben zu dürfen. »Oos Annegret hätt’ fröher aach su e Hondche gehot«, heißt es dann zunächst, um nach einer Kunstpause schließlich die entsprechende Rasse im Brustton tiefster Überzeugung herauszuposaunen, »dat ös en Münsterländer, en schürnes Dier!« Mit etwas weniger Lokalkolorit werden aus den drei reinrassigen Border Collies aber vielleicht auch drei Australian Shepherds (»Nein, Border Collies haben viel spitzere Schnauzen, Reinhold, das erkennt man doch sofort! Shepherds sind schwarz-weiß, Border Collies andersfarbig. Murmel, heißt das, Reinhold. Murmel!«), drei Husky-Mixe (»Schau, wie sich die Rute kringelt, das sind Schlit-ten-hun-de, die brauchen ganz viel Auslauf!«) oder drei sonstige, gut gelungene Mischlinge (»Da ist ganz bestimmt ein Sennenhund oder Spitz mit drin!«). Widerspruch? Zwecklos.
3. Border Collies? Dann haben sie ja sonst keine Hobbies?
»Die brauchen aber besonders viel Beschäftigung« ist wohl einer der Sätze, die jeder Besitzer eines Border Collies früher oder später zu hören bekommt. »Spazierengehen und Fahrradfahren, mindestens fünf bis sechs Stunden am Tag«, weiß das in Hundedingen bestens informierte Gegenüber ungefragt zu berichten, »und Ballspielen können die bis zum Umfallen«. Damit ist eigentlich alles gesagt – denn auch wenn ein Border Collie weder das eine, noch das andere braucht, bleibt doch ein Funken Wahrheit: andere Hobbies – will heißen: solche, die nichts mit dem Hund zu tun haben – braucht man wirklich nicht mehr.
4. Können Ihre denn auch … (Pfötchen geben, das Einmaleins)?
Jahrelang habe ich verwirrt dreinblickende Spaziergänger darüber aufklären müssen, was ein Border Collie ist. Collies kannten immerhin einige – vorrangig diejenigen, die in ihrer Kindheit vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher gesessen und Lassie dabei zugeschaut hatten, wie sie sich vom einen ins nächste Abenteuer fiepte –, aber selbst unter denen war die Verwirrung groß: Border hin oder her – Collies sehen nicht nur wie Lassie aus, sie denken und handeln auch wie Lassie. Über die Rasse aufklären muss ich heute niemanden mehr, ein klein wenig vom schlauen Fernsehhund-Klischee ist aber doch geblieben: irgendetwas Besonderes muss so ein schwarz-weißer Hund schon können. Also: Was können die denn? »Ida«, antworte ich darauf gerne wahrheitsgetreu, »kann in einem Laubwald einen einzelnen Tannenzapfen finden«. Worauf mein Gegenüber in der Regel bloß schulterzuckend erwidert: »Aha!« oder »Ahja?«, und dass das doch nun wirklich rein gar nichts Besonderes sei. Zugegeben ist es das wohl auch nicht – längst nicht so besonders, wie kleine Jungen aus tiefen Brunnenschächten zu retten – und ganz sicher hätte jeder der drei Border Collies das eine oder andere publikumswirksame Kunststückchen parat, weil ich aber schlichtweg keine Lust darauf habe, fortwährend den Zirkusdompteur zu geben, zucke ich selbst nur die Schultern und belasse es dabei. Besonders hartnäckige Fragesteller lassen sich übrigens hervorragend mit einer der drei folgenden Wendungen abbügeln: »Ja, aber nur Montags«, »Nur wenn sie gerade nichts besseres zu tun haben« oder »Niemals auf nüchternen Magen«.
5. Machen Sie Ihre los?
Was man als Hundebesitzer an allererster Stelle können sollte: den eigenen Hund richtig einschätzen. Gerade wenn es um Hundebegegnungen geht, bringt in unserem Rudel jeder Hund seine eigenen Vorlieben und Abneigungen mit – was dazu führt, dass nicht jeder entgegenkommende Hund auch ein potentieller Spielpartner ist. Nell hasst beispielweise schon von klein auf Schäferhunde, liebt aber mit beinahe übertriebener Innigkeit braune Labradorrüden. Zion findet braune Labradorrüden deshalb ziemlich scheiße – und die meisten übrigen männlichen Konkurrenten auch. Auf Ida trifft zwar weder das eine, noch das andere zu, sie hat dafür aber die Angewohnheit, jedem fremden Hund von Weitem lautstark mitzuteilen, dass er sich gerne verpissen darf: »Wir sind schon zu dritt, wir brauchen dich hier nicht!«. Wer mit wem und sowieso, entscheide ich deshalb ungern aus Zwang und auf Zuruf, rufe – weil man mit der Zeit eben doch bequem wird – im Zweifelsfall bloß zurück: »Zwingerhusten«. Das zieht immer.
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