Frühling, Frühling – ruft’s aus dem Wald. Und aus den Wiesen? Da klingen ganz andere Töne. Von den ersten warmen Sonnenstrahlen und lästigen Krabbeltieren.
Ich habe lange geschlafen. Wie lange, weiß ich nicht – allein, dass die Sonne mich geweckt hat und ich entsetzlichen Hunger habe. Sie müssen wissen, dass ich an und für sich niemand bin, der unmäßig viel isst und ich in schlechten Zeiten auch gut überleben kann, ohne etwas zu mir zu nehmen, mir der lange Winter aber ganz schön zugesetzt hat. Sie sollten mich einmal sehen – ich weiß, das tun Sie nicht, denn fast immer gehen Sie grußlos an mir vorbei –, so eingefallen bin ich. Da ich nun aber wach bin und die Tage wieder länger werden, wird sich das wohl bald ändern. »Man muss nur warten können«, lautet eine Redensart, die unter meinesgleichen geläufig ist, und genau das werde ich nun tun. Warten. Nichts, das ich besser kann.
Wenn der Schnee schmilzt und die ersten warmen Sonnenstrahlen die Wiesen grünen, Schneeglöckchen und Krokusse blühen lassen, hat mancher Hundemensch sie gerne vergessen – das nicht, weil sie so klein und unscheinbar ist, und auch nicht, weil man sie leicht übersieht, sondern viel mehr, weil sie mit dem ersten Frost aus dem Bewusstsein des Hundefreundes verschwindet und erst dann zurückkehrt, wenn das Frühjahr Einzug hält: die Zecke. Klein und gemein, verdirbt sie schnell den Spaß an einem Spaziergang über satte Frühlingswiesen, macht Streifzüge durch das Unterholz zum Spießrutenlauf und veranlasst manchen, sich unter lautem Geschrei die Hosen herunter zu reißen, weil es an der Wade, in den Kniekehlen oder am Oberschenkel so eigenartig gekribbelt hat. Während Hundemenschen aber nur dann und wann einen der lästigen Parasiten vom Spaziergang mit nach Hause nehmen, werden unsere Hunde deutlich häufiger von Zecken befallen: da die Spinnentiere nichts mehr lieben, als milde Temperaturen und eine feuchte Witterung – zwischen zehn und zwanzig Grad (nicht viel mehr, nicht viel weniger) sollten es bitteschön sein –, vergeht gerade im Frühling kaum ein Tag, an dem sich, im dichten Fell des Hundes gut versteckt, keine Zecke eingenistet und zugebissen hat. Obschon sich nur einige Erreger in den Speicheldrüsen befinden und gleich mit dem Einstich auf den Hund übertragen werden, sind nach dem Spaziergang doch immer Sorgfalt und schnelles Handeln angezeigt: ein gründliches Absuchen verhindert, dass der Großteil der Keime, der im Darm der Zecke sitzt, in das Wirtstier gelangt – etwa 16 bis 24 Stunden muss eine Zecke dazu Blut getrunken haben.
Ich habe in meinem Leben schon so manchen Spaziergänger belauscht, viele belächelt. Besonders jene, die mit über dem Kopf verschränkten Armen unter Bäumen umher laufen, weil sie befürchten, eine meiner Schwestern könnte von dort auf sie herunter fallen, belustigen mich. Bisweilen mag sich zwar wohl wirklich eine von uns in das Geäst eines Baumes verirren – ich könnte Ihnen da Geschichten erzählen, die ganz unglaublich sind –, da wir aber kaum mehr als fünf Meter in der Stunde bewältigen, lohnt der Weg den meisten nicht. Ich für meinen Teil bevorzuge einen ordentlichen Grashalm – nennen Sie mich ruhig konservativ, aber meine Erfahrung sagt mir, dass im kniehohen Gras die Wahrscheinlichkeit am größten ist, dass jemand vorbeistreift und mich unbemerkt mit sich nimmt –, einen fein gegliederten, langen Halm, auf dem es sich gut schaukeln lässt. Und dann warte ich. Bis es nach Essen riecht. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob das Essen zwei oder vier Beine hat, denn der Geruch ist immer gleich: ein wenig Urin, ein wenig Schweiß, ein wenig warme Atemluft. Jetzt dürfte aber so langsam mal jemand kommen. Ich bin schon ganz krank vor Hunger.
Die häufigste durch Zecken übertragene Krankheit beim Hund ist die Borreliose, die durch spiralförmige Bakterien – die Borrelien – ausgelöst und nach Schätzungen von etwa einem Drittel aller Zecken übertragen wird. Während sich zwar viele Hunde durch einen Zeckenbiss mit den Bakterien infizieren – nach statistischen Angaben kommt etwa jeder fünfte Hund in seinem Leben mit dem Erreger in Berührung –, entwickeln nur wenige deutliche oder zeitweise Krankheitssymptome. Über den Blutkreislauf breiten sich die Bakterien nach dem Biss rasch im Körper des Hundes aus und befallen neben den Gelenken auch Organe, Gewebe und Nerven – eine Immunreaktion tritt aber erst spät (etwa vier bis sechs Wochen nach der Infektion) und mit eher unspezifischen Symptomen auf (betroffene Hunde zeigen sich zumeist antriebs- und appetitlos, auch kann Fieber auftreten), und wird deshalb häufig nicht als solche erkannt. Gelingt es dem Immunsystem nicht, den Erreger zu bekämpfen, folgt nach Wochen oder Monaten ein zweiter Krankheitsschub, der mit schmerzhaften Entzündungen der Gelenke einhergeht.
Neben der Borreliose kommen in Deutschland vor allen Dingen zwei weitere, durch Zeckenbisse übertragene Erkrankungen vor: die Anaplasmose und die Babesiose. Während die Anaplasmose symptomatisch der Borreliose ähnelt und aufgrund des zumeist milden Verlaufs auch ebenso häufig unerkannt bleibt, verläuft die Babesiose-Erkrankung, bei der die roten Blutkörperchen des Hundes zerstört werden, nicht selten akut: nach starken Fieberschüben, die Tage bis Wochen nach dem Zeckenbiss einsetzen, fallen blasse Schleimhäute und niedriger Blutdruck auf, in schweren Fällen kann es außerdem zu einer systemischen Entzündungsreaktion kommen, die zu einem Versagen der Organe und innerhalb weniger Tage zum Tod des Hundes führt.
Gerade deshalb ist beim Absuchen des Hundes täglich Gründlichkeit angezeigt – und ein möglichst effektiver Schutz, damit der achtbeinige Plagegeist gar nicht erst zubeißt. Aber wie stellt man das an? Und für welches Mittel entscheidet man sich? Natur, Chemie oder Hokuspokus?
Es riecht nach Knoblauch und Kokos, nach Lavendel und Zitronen – und selbst wenn man, so wie ich, gar keine Nase hat, bloß mit den Vorderbeinen riecht, stinkt es auf der Frühlingswiese doch gewaltig. Wer will bei solch einem Gestank noch an eine schöne Blutmahlzeit denken? Und wenn dann doch mal jemand kommt, der kein Parfüm trägt – der nur nach Haut und nicht nach Ölen riecht –, und man sich leichtsinnig dazu hinreißen lässt, den schaukelnden Grashalm zu verlassen, ist es doch wieder nur jemand, der nicht schmeckt. Davon gibt es viele – und manche schmecken so scheußlich, dass man sich nach zwei oder drei Schlucken wünscht, man habe stattdessen ins Gras gebissen (da sage noch einmal jemand, Zecken hätten keinen Sinn für Humor!). Auch die Selbsthilfegruppe, die ich seit geraumer Zeit aufsuche – die AHA, kurz für Anonyme Hämoglobin-Abhängige – steht dem ratlos gegenüber. Was will man also anderes tun, als abzuwarten? Das können wir – wie gesagt – wirklich gut. Und das Frühjahr hat ja gerade erst begonnen.
Keine Tipps und Ratschläge, wie Zecken am sichersten, verträglichsten, natürlichsten abgewehrt werden können? Keine Wertung, was gut und sinnvoll, was gefährlich, was bloß naives Wunschdenken ist? Ich denke, es steht mir aus mehreren Gründen nicht zu, mich wertend auszulassen – selbst wenn wir schon manches Mittel ausprobiert und mit dem einen sehr gute, mit dem anderen wenig zufriedenstellende Erfahrungen gemacht haben. Grundsätzlich gilt – so meine Meinung: Was bei dem einen Hund Erfolge zeigt, muss es bei dem nächsten noch lange nicht tun.
Stattdessen: Zeigen unsere Nachzuchten, wie schön der Frühling sein kann – ganz ohne die lästigen Blutsauger.
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