Züchter sein heißt doch nur, zwei Rassehunde zu verpaaren und die Welpen mit größtmöglichem Gewinn zu verkaufen. Oder nicht? Ein Blick in mein eigenes Welpentagebuch.
Erster Teil – 6 Uhr bis 12 Uhr
Es ist kurz vor sechs, als ich aufwache. Aus dem Hundekorb vor dem Fenster dringt gleichmäßiges Atmen. Leise schiebe ich erst das eine, dann das andere Bein unter der Daunendecke hervor, drehe mich dabei um fünfundvierzig Grad, taste den Boden mit den Fußsohlen nach weiteren schlafenden Hunden ab – finde keine –, und stehe auf. Zwölf Schritte sind es bis zur Küche, noch einmal zwei bis zur Kaffeemaschine, vier weitere und die Kanne ist mit sechshundert Millilitern Wasser, der Filter mit drei gehäuften Löffeln Pulver befüllt. Ich lege den roten Kippschalter um, stoße beim Zurückgehen mit der Schulter gegen die Tür, steige die Stufen hinunter und biege, weil es auch bei den Welpen noch immer ruhig ist, vor dem Welpenzimmer zur Gartentür ab.
Die Morgenluft ist frisch und kalt. Über dem Hügel gegenüber hat es schon zu dämmern begonnen und sich mit einem feinen Schein, der von Rot nach Gelb ins Blau verläuft, die Sonne angekündigt. Ich fingere eine Zigarette aus der blauen Pappschachtel, lasse das Feuerzeug aufschnappen, atme ein und wieder aus. Im Dämmerlicht muss ich meine Augen noch ein wenig anstrengen, um den Welpenauslauf unter den beiden Kirschbäumen zu erkennen – Frost schimmert auf den silbrig glänzenden Gitterstäben – drücke endlich die halb aufgerauchte Zigarette aus und schließe die Tür. Nachdem ich mich noch einmal davon überzeugt habe, dass die Welpen schlafen und mir – zurück in der Küche – Kaffee eingeschenkt habe, überlege ich, einige Mails zu beantworten, beschließe aber zuerst die Bilder zu bearbeiten, die ich am Vortag von den Welpen im Garten gemacht habe. Ich schließe also die Kamera an, bestätige im Programmfenster den Import, und sehe ungläubig dabei zu, wie sich der Bildschirm immer weiter füllt. Vierhundertachtzehn Fotos. Ich schaue auf die Uhr, frage mich, ob ich mich nicht doch zuerst an die Mails, vielleicht lieber an den nächsten Tagebucheintrag setzen soll, beginne dann aber damit, die Bilder zu sichten. Gut zwei Drittel habe ich geschafft – manches markiert und vieles gelöscht –, als mich das Blinken der Digitalanzeige daran erinnert, mich der Zubereitung der ersten Mahlzeit der Welpen zu widmen.
Die fünf Welpen stehen bereits freudig wedelnd hinter dem Gitter, als ich das Licht im Welpenzimmer anschalte, und auf mein Rufen steckt mancher schon ungeduldig die Nase hindurch. Ich stelle den gut gefüllten Futterring auf dem Fenstersims ab, hebe einen Welpen nach dem anderen hinaus – und nachdem mich jeder ausgiebig begrüßt, mancher in die Hosenbeine gebissen hat, wackelt einer nach dem anderen auf das mit Zellstoff ausgelegte Karree zu, um seine Morgentoilette zu erledigen. Anders als bei den vorangegangenen Würfen haben wir bei diesem bereits zum Ende der zweiten Woche begonnen, die Welpen an den Toilettengang zu gewöhnen, und die Wurfkiste um einen Auslauf erweitert, der zum Lösen genutzt werden konnte. Das hat sich ausgezahlt: auch nach dem Umzug geht kaum ein großes Geschäft daneben – die kleinen Malheure sind schnell aufgewischt – und ganz nebenbei ist es nett zu beobachten, wie die fünf Border Collie Welpen in Reih und Glied auf dem Papier hocken. Selbiges räume ich schließlich mit einem Papiertuch ab, nehme dann den Futterring vom Fenstersims und trommle mit den Fingerspitzen gegen den gewölbten Rand. Dreiviertel der Mahlzeit – etwas mehr als einhundertzwanzig Gramm Futter, die mit Ziegenmilch aufgekocht und zur Hälfte püriert worden sind – haben die Welpen geschafft, als sich Nell kratzend vor der Tür bemerkbar macht. Ich lasse die Hündin hinein, die im Nu von ihren Welpen bestürmt wird – und während diese sich über den Nachtisch hermachen, nutze ich die Zeit, um das Nachtgehege auszuwischen. Es ist kurz nach acht.
Es wird neun, bis ich Nell, Ida und Zion am Gartentor anleine – und zehn, bis ich mit den Dreien von der Morgenrunde zurück bin. Das Futter für die Drei ist schnell zubereitet, die drei Schalen ebenso schnell geleert – und weil die Welpen noch immer schlafen, sichte ich den Rest der Bilder, bevor ich mich daran gebe, den Welpenauslauf herzurichten und neue Spielgeräte in dem vierundzwanzig Quadratmeter großen Rund aufzubauen.
Die Fünf blinzeln mich verschlafen an, als ich schließlich zwischen ihnen stehe, und alle gähnen und strecken sich noch auf meinem Arm – beginnen im Auslauf aber sogleich das Grün zu erkunden, ins Bällebad zu springen und die hölzerne Schaukel zum Schaukeln zu bringen. Ich stecke derweil den Schafzaun neu, der den oberen vom unteren Garten trennt, lasse heißes Wasser in den Putzeimer ein, gebe drei Spritzer geruchlosen Reiniger, zwei weitere zur Desinfektion hinein, und wische – nachdem ich die Fenster geöffnet, die Welpentoilette ausgeräumt, Bälle und andere Spielzeuge eingesammelt und verstaut habe – das Welpenzimmer aus. Zurück im Auslauf – es ist kurz nach elf – bin ich es endlich, der von den Welpen bestürmt wird: zwei balgen sich ausgelassen auf meinem Schoß, zwei andere ziehen an meinen Ärmeln – und der Letzte löst genüsslich kauend meine Schnürsenkel auf.
Ich kann mich nicht erinnern, wer es war, der gesagt hat, dass man einen guten Züchter an den zerkratzten Händen und der Zahl der Löcher in seiner Kleidung erkennt, möchte auch bezweifeln, dass dem immer so ist, komme aber kaum umhin, dem in Teilen zuzustimmen. Bis es Mittag wird, sind es drei Löcher mehr.
Mehr? Den zweiten Teil von »Einmal Border Collie Züchter sein« findest Du hier …
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