Wenn die Wurfkiste zum Leben erwacht: was der Züchter in der dritten Lebenswoche der Welpen beobachtet – und was Wölfe und Schafe damit zu tun haben.
»Weiß ein drei Wochen alter Welpe eigentlich, dass er ein Welpe ist?«, frage ich mich, als ich am frühen Freitagmorgen bäuchlings auf dem Fußboden liege, fünf schlafende Welpen um mich herum, »genauso gut könnte er doch auch annehmen, ein Wolf zu sein – oder ein Schaf, vielleicht?« Ich drehe mich langsam auf die Seite, stütze den Kopf auf dem angewinkelten Arm ab und ziehe die Beine an – so habe ich alle Welpen im Blick. Haben diese in den ersten beiden Lebenswochen noch ausschließlich auf der Seite geschlafen, beobachte ich nun, dass sich alle in ähnlicher Weise zusammengerollt haben: nicht bloß beinahe so wie Hunde, sondern auch beinahe so wie ich. »Ein drei Wochen alter Welpe kann sich zusammenrollen, er kann sehen und hören, sich die Pfoten lecken – und wenn er sich nicht allzu ungelenk anstellt, vielleicht auch schon von der einen Seite des Zimmers zur anderen laufen«, denke ich und lasse den Kopf zurück auf den Boden sinken, »aber woher weiß ein Welpe, was er ist?«
Die Übergangsphase beim Welpen
In der dritten Lebenswoche, die als Übergangsphase gilt, macht sich beim Welpen eine rapide Entwicklung bemerkbar: hat der Welpe bislang die meiste Zeit mit Schlafen verbracht, werden die Aktivitätszyklen nun immer länger, der Aktionsradius größer. Dabei ist es nicht allein die Erweiterung der Sinne – von Hören und Sehen – die es ihm ermöglicht, seinen Aktionsradius auszudehnen, sondern auch die Möglichkeit, die Temperatur selbständig aufrechtzuerhalten. Die Notwendigkeit eines größeren Aktionsradius hat einen einfachen Grund: da Kot und Urin nun auch ohne die Stimulation der Hündin ausgeschieden werden können und das Wurflager zunehmend verunreinigt würde, muss der Welpe – um sich zu lösen – jenes gezielt verlassen können. Neugier- und Spielverhalten tun – obschon die Geschwister noch eher bewegte Objekte als tatsächliche Sozialpartner darstellen – ihr Übriges dazu: der Welpe beginnt die Welt zu entdecken.
Zu meiner Linken stößt Nell die angelehnte Tür mit der Schnauze auf. Geschickt schiebt sie sich an mir vorbei und bewegt sich zielstrebig auf die schlafenden Welpen zu – stupst bald diesen, bald jenen mit der Nase an –, und lässt sich schließlich zufrieden in die Kuhle sinken, die meine Knie mit dem Oberkörper bilden. Nach und nach öffnen die Welpen die Augen, gähnen und strecken sich – und kaum dass der letzte wach ist, ist auch schon der erste mit wackligen Schritten auf die Mutter zu gestolpert, hat den Kopf in das schwarz-weiße Fell geschanzt und zu schmatzen begonnen. »Wenn deine Mutter ein Hund ist«, sage ich und streichle die Flanken der Hündin, »dann musst wohl auch du ein Hund sein – gar keine Frage«. Die Ohren des ersten Welpen flattern aufgeregt, als ein zweiter versucht, ihn von der beanspruchten Zitze abzudrängen. »Bleibt also bloß die Frage, wer von euch mehr Wolf, wer mehr Schaf ist«, bemerke ich und schaue zu, wie sich zwischen den ersten und den zweiten der konkurrierenden Welpen noch ein dritter schiebt, der binnen kurzem beide beiseite gestoßen hat. »Wenn man vom Wolf spricht«, lache ich, »dann ist er nicht weit«.
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