Senkwehen, Wühlen und Scharren – und immer wieder der Griff zum Thermometer: die letzten Stunden vor der Geburt unserer Welpen
»Dreiundsechzigster Tag«, denke ich, als ich gegen fünf Uhr erwache – und obwohl mein zweiter Gedanke gleich dem Thermometer gilt, das gemeinsam mit den tabellarisch aufnotierten Temperaturdaten griffbereit auf dem Küchentisch liegt, gelingt es mir noch gute zweieinhalb Stunden, mich mit anderen Dingen abzulenken. Währenddessen höre ich es im Schlafzimmer immer wieder rumpeln und kratzen, schrecke mit der Kaffeetasse in der Hand hoch und lausche angestrengt – schon am Vorabend hat sich Nell durch vereinzelte Senkwehen gehechelt, sich zunehmend ruhelos gezeigt, schon während der Nachtstunden immer wieder die Kissen und Decken zusammengescharrt, mit Schnauze und Pfoten auseinandergewühlt –, dann ist wieder alles ruhig.
Gegen halb acht beschließe ich, nicht länger warten zu können, wecke also Nell und stelle ihr einen Keks zur Belohnung in Aussicht – daraufhin müht sie sich umständlich die Treppe hinab und lässt die leidige Temperaturkontrolle über sich ergehen. »37 Grad«, sage ich schließlich, »kann es sein, dass die Temperatur endlich sinkt?« Ich fingere den versprochenen Hundekeks aus der Packung und halte ihn Nell mit einem Lächeln hin. Sie hebt die Nase, riecht daran, dann dreht sie den Kopf weg. »Keinen Appetit mehr?«, frage ich. Die Border Collie Hündin wendet sich zum Gehen. »Versuchen wir es in zwei Stunden noch einmal«, sage ich und lege das Thermometer weg.
Um zehn Uhr ist Nells Temperatur weiter gesunken, 36.8 Grad zeigt die Digitalanzeige an. Den gemeinsamen Spaziergang mit den beiden anderen Hunden lassen wir nun also bleiben, werden stattdessen alleine ein paar Schritte gehen. Bis der Tiefpunkt erreicht ist und die Temperatur mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen wieder ansteigt kann es zwar noch eine Weile dauern, ganz ohne Zweifel machen sich unsere Welpen aber nun endlich auf den Weg.
© Johannes Willwacher