Hunde müssen müssen. Und Hundemenschen? Müssten die nicht eigentlich hinter müssenden Hunden her- und aufräumen? Über Hundescheiße, die liegen bleibt – und was damit außerdem zusammenhängt.
Aus dem Autoradio erklingen gerade die letzten Takte von Mozarts Türkischem Marsch, als ich den Wagen über die abgesenkte Bordsteinkante lenke. Ich bremse ab, das Fahrzeug ruckt und der Schotter unter den Reifen knirscht dazu. Während ich noch damit befasst bin das Handschuhfach auszuräumen und den darin befindlichen Geldbeutel in meiner Jackentasche zu verstauen, beginnen die Hunde in meinem Rücken zu bellen. Durch den Rückspiegel kann ich drei Köpfe erkennen, die sich rhythmisch auf und ab bewegen und – als habe Mozart mit seinem Musikstück genau diesen Moment untermalen wollen – mit den hämmernden Dreiklängen aus dem Radio zu korrespondieren scheinen. Den Grund für das Gebell der Hunde erkenne ich erst, als ich mich nach hinten umdrehe und sich der Grünstreifen vor dem Gartentor in mein Blickfeld schiebt: auf dem kaum einen halben Meter breiten Rasenstück hockt ein Hund, das Hinterteil gegen die dunkelgrün lackierten Metallstreben erhoben, am anderen Ende der Leine eine Frau mittleren Alters, die Löcher in die Luft starrt. Der Hund bewegt sich langsam vorwärts, lässt auf dem Gehweg vor dem Tor ein letztes Häufchen fallen, scharrt, und stemmt sich hechelnd in die Leine. Sie – mir unbekannt, deshalb der Einfachheit halber Frau Müller-Meier-Schmidt genannt – folgt und lässt das Häufchen liegen. Als beide die Fahrertür passiert haben, steige ich aus und frage, ob sie denn nicht beabsichtige, die Hinterlassenschaften ihres Hundes wegzuräumen, das solle doch in jeder Nachbarschaft selbstverständlich sein. Frau Müller-Meier-Schmidt bleibt stehen und schaut mich an. »Das machen aber doch alle so«, sagt sie und wehrt den Vorwurf schulterzuckend ab, »was kann ich dafür, wenn sich die Gemeinde nicht darum kümmert, keine Mülleimer aufstellt, ja, wozu bezahle ich denn sonst Hundesteuer?« Dann dreht sie sich um und geht schnellen Schrittes weiter. Die Hunde im Kofferraum bellen noch immer. Augenblicklich möchte ich mich ihnen gerne anschließen.
Früher – das heißt, zu einer Zeit, als sich in meinen Hosentaschen noch viel eher Kronkorken als Hundekotbeutel befunden haben (oder sonst etwas, das man in jugendlichen Hosentaschen findet) – hätte ich vielleicht ähnlich reagiert, wie Frau Müller-Meier-Schmidt, und mich gerne zur großen Gemeinschaft der Liegenlasser bekannt. Weil: das ja alle so machten. Und: man nur selten in einen Haufen tritt, den man selbst ausgelegt hat. Oder besser: der eigene Hund. Das Problem: Dort wo viele Hund leben, wird man früher oder später auch einmal selbst Scheiße aus dem Profil der schicken Lederschuhe kratzen müssen – und auf den Hundehalter schimpfen, der einen angeschissen hat. Dass sich mancher dadurch berufen fühlt, Nägel und Gift zu verstreuen und es den Kottütennutzungsverweigerern heimzuzahlen, macht die Sache nicht besser.
In Rheinland-Pfalz ist es Sache der Gemeinden, den Hundehalter im Sinne des § 37 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes dazu anzuhalten, »öffentliche Anlagen und Gehflächen öffentlicher Straßen nicht mehr als verkehrsüblich zu verunreinigen« (§ 5, Abs. 3 Satz 1 der Gefahrenabwehrverordnung der VG Rennerod vom 10. Mai 1996). Bei Zuwiderhandlung wird auch die Höhe des Bußgeldes von den Gemeinden selbst bestimmt – in den Bundesländern werden so zwischen zehn und einhundertfünfzig Euro erhoben, wenn Hundekot im öffentlichen Raum nicht unverzüglich beseitigt wird. Aber nicht nur Tretminen auf Straßen und Gehwegen oder in öffentlichen Grünanlagen stellen ein Problem dar, von Landwirten werden außerdem verunreinigte Wiesen und Weiden beklagt, denen man vielerorts mit Verbotsschildern begegnet. Der Grund: Neospora Caninum – ein einzelliger Parasit, der vom infizierten Hund mit dem Kot ausgeschieden wird und im Verdacht steht, bei Rindern zum Abort zu führen. Für viele Landwirte gilt deshalb, Hunde von Feldern und Futterwiesen fernzuhalten – denn selbst wenn die Faktenlage besagt, dass nur ein verschwindend geringer Prozentsatz aller Hunde tatsächlich mit dem Erreger infiziert ist, und ein Hund nur durch die Aufnahme von bereits infiziertem, rohem Fleisch oder Abort- und Nachgeburtsmaterial zum Überträger werden kann, bleibt das Häufchen im Hafer doch immer eins: ziemlich unappetitlich.
Voreilig könnte man also denken, dass allen Problemen durch die Nutzung von Hundekotbeuteln beizukommen ist. Dass dem nicht so ist, zeigt sich gerade dort, wo man längst dazu übergegangen ist, Kotbeutelspender aufzustellen – will heißen, in städtischen Ballungsräumen – und sich neben den uneinsichtigen Liegenlassern eine zweite Gruppe abzeichnet, die zwar die Hinterlassenschaften des Hundes aufsammelt und eintütet, die Tüten selbst aber liegen lässt. Weil: Hundescheiße in einer schwarzen Tüte um so vieles besser ist, als Hundescheiße allein – Ironie Ende. Die verknoteten Beutel werden in Gebüschen und auf angrenzenden Grundstücken entsorgt, in Bäume, in Teiche, über Zäune geworfen, und weil der Beutel selbst meist unverrottbar ist, konserviert auch der Kot darin. Das ruft nicht nur Umweltschützer auf den Plan, auch für Hundehasser ist das ein weiterer Grund, aktiv zu werden.
Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass sich in den Medien neue Bericht finden: mal sind es Giftköder, mal mit Rasierklingen, Nägeln oder Stecknadeln präparierte Fleischstücke, die an bei Hundehaltern beliebten Wegen ausgelegt oder in die umliegenden Gärten geworfen worden sind. Allein im vergangenen Jahr sind nach offiziellen Angaben bundesweit etwa 150 Hunde durch Giftköder zu Tode gekommen, fast ebenso viele wurden durch die Aufnahme von präparierten Ködern lebensgefährlich verletzt, die Funde allein belaufen sich auf eine vierstellige Zahl. Dabei sind es nicht bloß die größeren Städte, die betroffen sind, auch in kleineren Gemeinden – so auch unsere eigene Nachbarschaft – sind immer öfter Übergriffe zu beklagen. Während über die Motivation der Täter freilich nur spekuliert werden kann, scheint ein Argument fraglos die Verunreinigung im öffentlichen Raum zu sein – und damit etwas, das der Eigenverantwortung des Hundehalters obliegt: auf das gute Miteinander scheißt man nicht.
»Ob Frau Müller-Meier-Schmidt schon einmal darüber nachgedacht hat?«, frage ich mich und ziehe die Kappe von dem schwarzen Filzstift ab, den ich in meiner Rechten halte. Vor mir auf dem Tisch liegt ein weißes Blatt Papier, und während ich noch zögere den Stift anzusetzen, zeichnet die tiefstehende Sonne hektische Flecken darauf. »Schön«, schreibe ich schließlich, »schön, dass Sie ihren Hund hier scheißen lassen. Wenn Sie die Scheiße schon liegen lassen, dann lassen Sie doch bitte auch Namen und Anschrift da. Wir haben drei Hunde und revanchieren uns gerne«.
© Johannes Willwacher