Manchmal lautet die Frage nicht: Wieviel Spielzeug verträgt ein Border Collie, sondern vielmehr, wieviel davon vertragen wir?
Verloren stehe ich im Garten. Das Spielzeug in meiner Hand quietscht, aber kein Hund kommt, um es mir abzunehmen. Dabei sind sie da, gerade um die Ecke, eben noch hat einer von ihnen durch den wilden Wein gelugt, der vom Mauerwerk bis auf den Gehweg wuchert. Entschlossen lasse ich das Spielzeug von der einen zur anderen Hand wandern, drücke diesmal fester, diesmal mit dem linken Daumen darauf – einmal, zweimal, dreimal – aber nichts geschieht. »Hühnerkacke«, sage ich zu mir selbst und frage mich im Stillen, ob es für Menschen, die ähnliche Probleme mit ihren Hunden haben, bereits Selbsthilfegruppen gibt. »Guten Tag, mein Name ist Johannes Willwacher, und ich habe meine drei Border Collies an ein Gummihuhn verloren«.
Angefangen hat das Drama mit unserer Ältesten (an sich möchte ich mich zwar nur ungern dazu versteigen, dass jedwedes Drama mit ihr beginnt, glaube aber, dass das der Wahrheit durchaus nahekommt), die das halb zerkaute Huhn unter der Kellertreppe entdeckt und kurzerhand zum Spielzeug der Stunde, zum Kautschuk gewordenen Must-Have des modernen Caniden erkoren hat. Ähnliche Trends, das sollte man dazu wissen, hat es schon früher gegeben, und immer war es Nell, die entschieden hat. Die übrigen Hunde haben sich anzupassen – so lautet wohl die Vereinbarung, die das Rudel im Geheimen getroffen hat. Man könnte also, statt mit diesem oder jenem Spielzeug vor den Dreien herum zu wedeln, ebenso gut versuchen, einer Katze das Schwimmen beizubringen – die Aussichten auf Erfolg wären in etwa genauso groß. »Aber warum ausgerechnet dieses blöde Huhn«, frage ich mich, »der Gummilappen quietscht doch nicht mal mehr?«.
Spielzeuge sind Trophäen, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Sie verleihen dem, der sie trägt, Aufmerksamkeit. Dass es in einem Hunderudel immer der ranghöchste Hund ist, der über die Ressourcen bestimmt – und Spielzeuge sollten, genauso wie Futter und menschliche Zuwendung, immer als hündische Ressource verstanden werden –, muss man als Mehrhundehalter ebenso hinnehmen, wie das vordergründig eifersüchtige Verhalten der übrigen Hunde. Eifersucht, so wie wir sie im menschlichen Sinne verstehen, gibt es bei Hunden zwar nicht, die Konkurrenz der Hunde untereinander wird von uns aber gerne als deren Entsprechung verstanden – so lange wir nicht den Fehler begehen, uns nach unseren menschlichen Maßstäben einmischen zu wollen (»Jetzt hattest du das Spielzeug aber lange genug, gib’s doch mal den anderen«), ist das auch in Ordnung. Was zwar das Verhalten der Hunde erklärt, nicht aber das Huhn an sich – aber solche Vorlieben lassen sich oft nicht logisch erklären (Linus, unser erster Border Collie, hatte beispielsweise eine kleine blaue Gießkanne, die er gerne mit sich herum getragen hat).
Als ich um die Ecke biege, liegt Nell am Rand des Gehwegs, das Huhn zwischen die Pfoten geklemmt, Ida mit starrem Blick gleich daneben, bloß Zion steht ein wenig abseits und schaut mich an. »Zicke, Zacke, Hühnerkacke«, sage ich und strecke meine Hand nach dem Spielzeug aus, das Nell zwar bereitwillig freigibt, das fast im gleichen Augenblick aber von Ida beansprucht wird: entschlossen fasst sie mit den Vorderzähnen nach dem feuerroten Kamm, verfehlt meine Hand dabei nur um Haaresbreite. Nell, die ihr Spielzeug wohl gerne mit mir, nicht aber mit Ida teilen wollte, bellt zur Warnung kurz auf, dann packt sie sich das Federvieh am Hinterteil und beginnt zu ziehen. Ich lasse los. Das umkämpfte Huhn würde das wahrscheinlich auch vorziehen, wird stattdessen aber wie ein Kaugummi in die Länge gezogen. Das Kautschuk zwar dehnbar ist, sich aber nicht beliebig lange dehnen lässt, wissen die Hunde nicht – dementsprechend verdattert schauen die beiden Hündinnen drein, als die eine kurz darauf die Brust, die andere die Keule in der Schnauze hält, und das Huhn mittendurch gerissen ist. »Hühnerkacke«, meinen beide, »wenn’s kaputt ist, gehört’s dir«. Manches erledigt sich von selbst.
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