Der Border Collie will auch bei schlechtem Wetter raus. Sie etwa nicht? »Nur dreckige Hunde sind glückliche Hunde« – und wen das sonst noch glücklich macht …
Das Ding da, vor mir an der Leine, ist nicht der Hund, den ich vor einer guten Stunde angeleint – nicht der, dem ich nach dem Aufwachen einen Kuss auf die feuchte Schnauze gedrückt habe (würde jemand auf die Idee kommen, das jetzt von mir zu verlangen, säße selbst mir gleich der Ekel im Nacken – und ich gehöre ansonsten wohl eher zu den Hundebesitzern, die kaum Aufhebens darum machen, einen vom Hund abgeleckten Löffel wieder in den Mund zu stecken). Das Ding mag zwar entfernte Ähnlichkeit mit diesem Hund besitzen, besteht aber, wenn man es genau nehmen möchte, nur noch zu fünfzig Prozent aus Hund – die anderen fünfzig Prozent machen Schlick und Schlamm, mit Dornen bewehrte Zweige, Blätter, Kletten, Grashalme und vielleicht auch der eine oder andere Regenwurm aus, der in einem schmatzenden Ballen feuchter Erde zwischen den weit auseinanderklaffenden Zehen klemmt. »Wir gehen nur eine kleine Runde«, echot es in meinem Kopf, als ich mit dem Ding an der Leine schließlich die Zielgerade erreiche – will heißen: den Parkplatz am Waldrand, auf dem unser (ebenfalls braun gesprenkeltes) Auto abgestellt ist und auf den gerade ein weiteres Fahrzeug einbiegt.
Während ich damit befasst bin, das Ding im großen Bogen an einem überquellenden Mülleimer vorbei zu bugsieren (im Fell wäre noch Platz für das eine oder andere Kaugummipapier), entsteigt dem schneeweißen Kleinwagen eine Frau mittleren Alters – nennen wir sie einfach Carmen (zumindest sieht sie in ihrem roten Rennanzug wie eine Carmen aus, die ihre Kastagnetten nur kurzzeitig gegen ein Paar Nordic-Walking-Stöcke eingetauscht hat) – die zuerst das Ding und dann mich unverhohlen mustert. »Nur dreckige Hunde sind glückliche Hunde«, sagt sie schließlich und grinst schief, greift mit den Händen durch die Schlaufen ihrer beiden Gehstöcke und wendet sich ab, um zu gehen. »Blöde Kuh«, denke ich nur, fische meinen Schlüsselbund aus der Jackentasche und ziele mit der Fernbedienung auf den Kofferraum, der unter Blinken entriegelt wird. Das Ding muss indes gleiches gedacht haben, denn es bleibt ruckartig zwischen der Rückseite des Rennanzugs und dem dazugehörigen Rennwagen stehen – und schüttelt sich. Das schneeweiße Auto ist binnen Sekunden mit braunen Sprenkeln überzogen, der Rennanzug selbst hat noch mehr abgekriegt. Ich grinse und sage: »Dann sind sie jetzt wohl auch glücklich?«
Das Ding hat im Auto gleich darauf übrigens einen dicken Kuss gekriegt.
© Johannes Willwacher